Die juristische Presseschau vom 21. März 2019: Lebens­lang für Kara­džić / Scha­dens­er­satz für Mollath / Urteil gegen Mon­santo

21.03.2019

Radovan Karadžić wird vom UN-Tribunal in letzter Instanz zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem in der Presseschau: Gustl Mollath darf auf Schadensersatz hoffen und ein weiteres Gericht in den USA urteilt gegen Monsanto.

Thema des Tages

UN-Tribunal zu Karadžić: Radovan Karadžić, der 73-jährige ehemalige bosnische Serbenführer, ist vom Tribunal der Vereinten Nationen in der Berufung wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen sowie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Balkan-Krieges in den 1990er Jahren zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ebenso sei er verantwortlich für die Verfolgung und Zwangsvertreibung bosnischer Muslime und die Belagerung der bosnischen Stadt Sarajevo. Das Urteil wurde vom Nachfolge-Tribunal des 1993 gegründeten Jugoslawien-Tribunals gesprochen, welches in erster Instanz noch 40 Jahre Haft verhängt hatte. Es berichten FAZ (Michael Martens), SZ (Ronen Steinke) und lto.de.

Ronen Steinke (SZ) kritisiert, Karadžić habe das Tribunal zu seiner politischen Bühne gemacht. Clemens Wergin (Welt) sieht in dem Urteil zwar eine "späte Genugtuung" welche es den Überlebenden erlaube, einen Abschluss zu finden. Gleichzeitig sei die Abschreckungswirkung, welche sich aus der gerichtlichen Aufarbeitung von Völkerstraftaten ergeben könnte, auf internationaler Ebene weitgehend ausgeblieben. 

Rechtspolitik

Apothekengesetz: Wie die SZ (Kristiana Ludwig) berichtet, hat Gesundheitsminister Spahn nun ein Eckpunktepapier zur Änderung des Apothekengesetzes vorgelegt. Danach sollen einheitliche Apothekenabgabepreise zwar aus dessen Wortlaut gestrichen, die Regelung allerdings in das Sozialgesetzbuch aufgenommen werden. Damit würde die Regelung, die nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs Versandhändler aus anderen EU-Ländern benachteiligt, Teil des deutschen Gesundheitssystems und der Regulierung durch EU-Recht zum Teil entzogen.

EU-Urheberrechtsreform: Im Interview mit netzpolitik.org (Katharina Nocun) kritisiert die EU-Abgeordnete Julia Reda (Piraten) die geplante EU-Urheberrechtsreform. Stattdessen spricht sie sich für eine europäische "Fair Use"-Regelung aus, nach der etwa das Sampling oder Remixe zulässig wären. Auch die Zeit (Marc Brost/Lisa Hegemann/Meike Laaff/Robert Pausch/Elisa Schwarz/Heinrich Wefing) berichtet über die geplante Reform und porträtiert aus diesem Anlass Gegner und Befürworter, wie die 60-jährige EU-Abgeordnete Helga Trüpel (Grüne), die sich die Durchsetzung eines EU-Urheberrechts, von dem vor allem die Künstler profitieren, zum Ziel gemacht und an der nun vorliegenden Richtlinie mitgearbeitet hat.

Abbiegeassistenten: Die Zeit (Petra Pinzler) kommentiert die Frage der gesetzlichen Verpflichtung zur Installation von Abbiegeassistenten bei LKW anlässlich eines nun vorliegenden Rechtsgutachtens, das zu dem Schluss kam, dass ein entsprechender Gesetzentwurf möglich sei. Das Gutachten hatte der grüne Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar in Auftrag gegeben.

Justiz

BVerwG – Polizeikosten: Die SZ (Philipp Selldorf) befasst sich mit der Frage, ob Bundesliga-Vereine an Polizeikosten bei Spielen beteiligt werden können und spricht hierzu mit dem Deutsche-Fußball-Liga-Chef Reinhard Rauball. Am 26. März wird das Bundesverwaltungsgericht zu der Frage verhandeln. Ausgangspunkt ist ein Gebührenbescheid, den das Land Bremen der Deutschen Fußball Liga nach einer Partie zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV auferlegt hatte.

LG Rostock - Rechtsbeugung: Vor dem Landgericht Rostock muss sich ein vom Dienst suspendierter Amtsrichter wegen Rechtsbeugung verantworten. Ihm wird vorgeworfen, 816 Ordnungswidrigkeiten, insbesondere Verkehrsdelikte, zwischen Oktober 2013 und Juli 2015 so lange nicht bearbeitet zu haben, bis sie nach sechs Monaten verjährt waren. Auf diese Weise soll er sich Arbeit erspart haben. Es berichten SZ (Peter Burghardt) und spiegel.de (Uta Eisenhardt).

LG München I – Gustl Mollath: lto.de, SZ (Matthias Köpf), FAZ (Karin Truscheit) und taz (Patrick Guyton) berichten von der Klage des 62-jährigen Gustl Mollath, der von 2006 bis zu seinem Freispruch 2014 insgesamt 2.747 Tage zu Unrecht wegen angeblicher Gewalt gegen seine Ehefrau in der bayerischen Psychiatrie einsaß. Mollath verlangt vom Freistaat Bayern nun 1.8 Millionen Euro Entschädigung. Geltend macht er entgangenen Arbeitslohn, nicht eingezahlte Rentenversicherungsbeträge, die Versteigerung seines Hauses durch seine damalige Ehefrau sowie Schmerzensgeld für psychische Belastungen. Die 15. Zivilkammer im Landgericht München I ließ erkennen, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche im Falle eines Prozesses Erfolg haben könnten. Über die genaue Höhe sollen sich das Justizministerium und Mollath in einem schriftlichen Verfahren austauschen.

OLG Stuttgart – Mercedes: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Musterfeststellungsklage der "Schutzgemeinschaft für Bankkunden" gegen die Mercedes-Benz Bank abgewiesen und für unzulässig erklärt. Es hatte sich dabei um die bundesweit erste Musterfeststellungsklage gehandelt. Laut Gericht war die Schutzgemeinschaft nicht klageberechtigt, weil sie keine "qualifizierte Einrichtung" im Sinne des § 606 Zivilprozessordnung sei, da sie nicht über die erforderliche Mindestanzahl von 350 Mitgliedern verfüge. Auch sei der Nachweis der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht nicht gelungen. Gegenstand des Verfahrens war der sogenannte "Widerrufsjoker" gewesen, mit welchem sich Verbraucher aufgrund einer fehlerhaften Belehrung praktisch jederzeit von einem Darlehensvertrag lösen können. Es berichten FAZ und lto.de.

Marcus Jung (FAZ) hält es für "eine Blamage, dass der Pilotfall in der neuen Klageart an der fehlenden Legitimation scheitert."

BVerfG – Wahlrecht: Laut Bericht von SZ (Daniel Brössler) und taz (Ulrich Schulte) wollen die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der Linken mit einem gemeinsamen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht erreichen, dass Menschen mit gerichtlich angeordneter Betreuung bereits an der Europawahl Ende Mai teilnehmen können. Damit würde die geplante Wahlrechtsänderung im Anschluss an den entsprechenden Ende Januar ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bereits dieses Jahr Anwendung finden.

Recht in der Welt

USA – Glyphosat: Ein weiteres US-amerikanisches Jury-Gericht hat entschieden, dass das von Monsanto produzierte Unkrautmittel Roundup ein "substantieller Faktor" für die Entstehung der Krebserkrankung des Klägers Hardeman war, ohne eine Schadensersatzsumme zu beziffern. Damit hat zum zweiten Mal ein Gericht in den USA einen direkten Zusammenhang von Glyphosat und der Krebserkrankung eines Klägers hergestellt. Hbl (B. Fröndhoff/K. Kort/S. Hofmann) und FAZ (Brigitte Koch/Roland Lindner) gehen insbesondere auf die möglichen Folgen durch nachfolgende Klagen für den Bayer-Konzern ein. Jost Maurin (taz) findet, die weiteren Zulassungen glyphosathaltiger Pestizide durch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) wirkten angesichts der Entscheidungen aus den USA immer unverantwortlicher.

USA – Religionsfreiheit: Laut FAZ (Christiane Heil) haben vor einem texanischen Bundesgericht indianische Häftlinge unter Berufung auf ihre Religionsfreiheit erstritten, im Gefängnis lange Haare tragen zu können.

Sonstiges

Wettbewerbsstrafe: Die EU-Wettbewerbsbehörde hat erneut und zum dritten Mal eine Milliardenstrafe gegen Google verhängt. Google muss 1,49 Milliarden Euro zahlen. Die Verstöße betreffen Suchmaschinen-Werbung durch den Dienst „AdSense for Search“, der Suchergebnisse mit Werbeanzeigen verknüpft. Dadurch würden Wettbewerber behindert. Es berichten FAZ (Werner Mussler) und Hbl (Catrin Bialek/Till Hoppe/Eva Fischer). Helmut Martin-Jung (SZ) meint, es wäre dennoch "verfehlt, im Wettbewerbsrecht eine Möglichkeit zu sehen, all das zu regeln, was man dem Konzern sonst noch vorwerfen kann."

Volksbegehren Enteignung: Die FAZ (Markus Wehner) berichtet von einem Rechtsgutachten des Verfassungsrechtlers Helge Sodan, das der Verband Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen (BBU) gegen das geplante Volksbegehren zur Enteignung von Immobilienunternehmen ins Feld geführt hat. Dieses kommt danach zum Schluss, dass eine Enteignung weder mit dem Grundgesetz noch mit der Berliner Landesverfassung vereinbar sei. Eine Vergesellschaftung nach Art. 15 GG, wie von den Initiatoren beabsichtigt, sei mangels "Sozialisierungsfähigkeit" von Grund und Boden verfassungsrechtlich nicht zulässig.

Dienstrad: Auf efarbeitsrecht.de befasst sich Rechtsanwalt Julian Wölfel mit der Konstellation eines Dienstrads im Arbeitsverhältnis. Dieses werde zumeist von einer Leasinggesellschaft gekauft, dem Arbeitgeber gegen Zahlung der Leasingraten überlassen und von diesem dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt, welcher im Gegenzug auf einen Teil seines Gehalts verzichte. Der Leasingvertrag laufe indes auch weiter, wenn das Arbeitsverhältnis ende, sodass sich die Frage stelle, wie der Arbeitnehmer das hieraus folgende wirtschaftliche Risiko begrenzen könne.

Das Letzte zum Schluss

Schnappi im Vorgarten: Ein 25 Zentimeter langes Reptil entdeckten Anwohner einer Wohnsiedlung in Hanstedt südlich von Hamburg und alarmierten nach Meldung der Welt die Polizei ob des gefährlichen Fundes. Tatsächlich handelte es sich dabei um ein Krokodil – allerdings wurde schnell klar: Es war ein ausgestopftes. 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/cc/mps

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. März 2019: Lebenslang für Karadžić / Schadensersatz für Mollath / Urteil gegen Monsanto . In: Legal Tribune Online, 21.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34491/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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