Die juristische Presseschau vom 5. März 2019: Wahl­recht für 16-Jäh­rige? / Kritik an Aus­bür­ge­rungs­plänen /  Huawei-Finanz­chefin ver­klagt Kanada

05.03.2019

Justizministerin Barley schlägt Wahlrecht ab 16 Jahren vor. Außerdem in der Presseschau: Das geplante Gesetz zum Verlust der Staatsbürgerschaft erntet Kritik und die in Kanada unter Hausarrest stehende Meng Wanzhou fordert Schadensersatz.

Thema des Tages

Wahlrecht ab 16: Laut taz (Leonie Schöler) unterstützt  ihre Bundestagsfraktion den Vorschlag von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD), ein aktives Wahlrecht ab 16 Jahren auch auf Bundesebene einzuführen. Anlass für Barleys Anliegen war der "Streik" für Klimaschutz von Schülern im Rahmen von "Fridays for Future". Pläne für die konkrete Umsetzung gibt es noch nicht. Eine Möglichkeit, das Wahlalter abzusenken, böte jedoch die Wahlrechtsreform, über die aktuell beraten wird. Die Union lehnt eine Absenkung des Wahlalters ab und verweist vor allem auf die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit von 16-Jährigen. Die Herabsetzung des Wahlalters stünde dazu im Widerspruch und liefe auf eine Entwertung des Wahlrechts hinaus. Zudem werden von Kritikern des Wahlrechts ab 16 Jahren die geringe Wahlbeteiligung von Jung- und Erstwählern sowie die Befürchtung einer stärkeren Manipulierbarkeit von Jugendlichen angeführt. 

Rechtspolitik

Verlust der Staatsbürgerschaft: Jetzt berichten auch taz (Christian Rath)FAZ (Helene Bubrowski u.a.) und lto.de über das geplante Gesetz zum Verlust der Staatsangehörigkeit im Fall des Kampfes für eine Terrormiliz. Die Minister Seehofer (CSU) und Barley (SPD) seien sich einig, dass das Gesetz aus verfassungsrechtlichen Gründen nur mit Wirkung für die Zukunft gelten könne, also nicht auf aktuell rückkehrwillige IS-Kämpfer anwendbar sei.

Christian Rath (taz) lehnt die geplante Ergänzung des Staatsangehörigkeitsgesetzes als Einstieg in ein allgemeines Ausbürgerungsrecht ab und warnt davor, die Ausbürgerung "zur zusätzlichen Strafe" zu machen. Auch Christoph Sydow (spiegel.de) kritisiert die geplante Regelung als "symbolisch fatal und politisch kontraproduktiv". Er meint, dass die IS-Kämpfer in Deutschland vor Gericht zu stellen seien und sich Deutschland seiner moralischen Verantwortung nicht durch die Ausbürgerung entziehen dürfe. Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) weist darauf hin, dass das geplante Gesetz leerlaufe, wenn man keine Kampfhandlungen nachweisen könne, also in den Fällen, in denen auch keine Strafverfolgung möglich sei.

Digitalsteuer: Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat möchte von Google und anderen Digitalkonzernen Quellensteuern erheben und fordert dafür einen abgestimmten bundeseinheitlichen Ansatz der Finanzverwaltungen, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt). In der Vergangenheit hatten sich Frankreich und Deutschland gemeinsam bemüht, eine Digitalsteuer zu etablieren. Nun wird Frankreich die Steuer im Alleingang einführen; sie soll 3 Prozent betragen und rückwirkend vom 1. Januar 2019 an erhoben werden. Deutschland drängt währenddessen weiter auf einen internationalen Ansatz, wie die SZ (Nico Fried/Nadia Pantel) meldet.

Brexit und innere Sicherheit: Die FAZ (Helene Bubrowski) befasst sich mit der Sicherheitszusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit. Zwar ende der Informationsaustausch zwischen einem EU-Mitgliedstaat und Großbritannien auch dann nicht am 29. März 2019, wenn es zu einem sogenannten "harten Brexit" komme. Ab diesem Moment könne Großbritannien jedoch nicht mehr an den EU-Dateiensystemen und EU-Kooperationsformen teilnehmen, was Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa haben könne.

EU-Staatsanwaltschaft: lto.de (Hasso Suliak) berichtet über die Kandidaten für das Amt des Chefs der neuen EU-Staatsanwaltschaft, die Ende 2020 ihre Arbeit in Luxemburg aufnehmen soll. Aufgabe der Behörde soll die Verfolgung von Straftaten sein, die gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtet sind. Dem deutschen Kandidaten Andrés Ritter, der seit 2013 die Rostocker Staatsanwaltschaft leitet, werden nur geringe Chancen eingeräumt.

Kita-Volksbegehren: Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg hat den Antrag der SPD auf Zulassung eines Volksbegehrens für gebührenfreie Kitas für unzulässig erklärt. Nach der Landesverfassung fänden keine Volksbegehren und Volksabstimmungen über das Staatshaushaltsgesetz und Abgabengesetze statt. Es berichtet spiegel.de.

"Mietendeckel": Die taz-Berlin (Volkan Ağar) widmet sich dem juristischen Meinungsstand in der Debatte um den "Mietendeckel" auf Landesebene, insbesondere dem aktuellen Aufsatz des Richters Max Putzer in der "Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht" vom vergangenen Freitag. Putzer argumentiert, dass das Recht des Wohnungswesens seit der Föderalismusreform in die Kompetenz der Länder falle und ein Mietendeckel auf Landesebene deshalb rechtlich möglich sei. Die Berliner Koalitionsparteien SPD, Linke und Grüne warten zurzeit auf ein entsprechendes Gutachten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Justiz

EuGH zu Notenbankchef: Der Rechtsprofessor Daniel Sarmiento befasst sich auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Korruptionsaffäre um den lettischen Notenbankchef Ilmārs Rimšēvičs von vergangener Woche. Sarmiento sieht darin eine "Überschreitung des Rubikons", da der EuGH zum ersten Mal die Entscheidung eines Mitgliedstaates für nichtig erklärt habe. 

BAG zu katholischem Chefarzt: Die SZ (Detlef Esslinger/Wolfgang Janisch) widmet sich der Chefarzt-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die vor zwei Wochen erging. Dem – nun erneut erfolgreichen – Kläger war von seinem Arbeitgeber, einem katholischen Krankenhaus, gekündigt worden, weil er zum zweiten Mal geheiratet hatte. Die Autoren stellen fest, dass das Urteil eine Zäsur sei, da es gezeigt habe, dass das EU-Recht Vorrang vor den nationalen Vorschriften habe und, so der frühere BAG-Richter Christoph Schmitz-Scholemann, "ein nationales Fachgericht mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofs Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts drehen" könne. 

OLG Stuttgart zu VW-Zulieferer Bosch: Wie lto.de berichtet, hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden, dass der Automobil-Zulieferer Bosch in einem Schadensersatzprozess zweier Anleger-Firmen gegen VW keine internen Unterlagen offenlegen muss.

AG Köln zu Karneval: community.beck.de (Markus Stoffels) greift das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11. Januar 2019 auf, in dem dieses die Dauer der Karnelvalszeit präzisiert hat. 

StA München I – Vergewaltigung: Die SZ (Elisa Britzelmeier) befasst sich am Beispiel des Falls von Nina F. mit der strafrechtlichen Verfolgung von Vergewaltigungen. Die Staatsanwaltschaft München habe knapp sechs Jahre nach der Tat an Nina F. einen über die DNA identifizierten Tatverdächtigen festnehmen lassen. Wenig später sei das Ermittlungsverfahren jedoch aus Mangel an Beweisen eingestellt worden. Der Anwalt von Nina F. habe dagegen Beschwerde eingelegt. 

Recht in der Welt

USA – Trump: Der Justizausschuss des von den Demokraten dominierten Repräsentantenhauses leitet eine größere Untersuchung gegen Donald Trump und 60 weitere Personen aus seinem Umfeld ein. Dabei stehen Vorwürfe der Korruption, des Machtmissbrauchs und der Behinderung der Justiz im Raum, berichtet spiegel.de

Kanada – Huawei: Die Finanzchefin des chinesischen Telekomausrüsters Huawei, die seit Dezember in Kanada unter Hausarrest steht, hat die kanadische Regierung verklagt, so FAZ (Winand von Petersdorff-Campen) und spiegel.de. Meng Wanzhou fordert Schadensersatz wegen "Amtsmissbrauchs" und "Freiheitsberaubung" im Rahmen ihrer Festnahme. Der Managerin droht die Auslieferung an die USA, die ihr Bankbetrug im Zusammenhang mit Verstößen gegen Iran-Sanktionen vorwerfen. 

Wie spiegel.de berichtet, ist nun bekannt geworden, dass die Volksrepublik China den beiden Kanadiern, die vor zwei Monaten nach der Inhaftierung von Meng Wanzhou festgenommenen wurden, Spionage vorwirft. Kritiker sehen darin eine Vergeltungsmaßnahme Chinas. 

Japan – Ghosn: Der in Tokio inhaftierte Automanager Carlos Ghosn lässt sich seit Mitte Februar vom japanischen Staranwalt Junichiro Hironaka vertreten. Ghosn werden finanzielle Unregelmäßigkeiten und schwerer Vertrauensbruch gegen Nissan vorgeworfen. Ein Antrag auf Freilassung liegt bei Gericht vor. Es berichten FAZ (Patrick Welter) und spiegel.de

Wegen der "mittelalterlichen" Haftbedingungen in Japan hat sich die Familie von Ghosn nun an die "UN-Arbeitsgruppe zu willkürlicher Inhaftierung" gewandt, wie spiegel.de meldet. Auch zwei Menschenrechtsorganisationen hatten kürzlich die Behandlung von Ghosn durch die japanische Justiz kritisiert.

Kosovo – Internationale Justiz: Der Völkerrechtler Lekë Batalli widmet sich auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) dem "Kosovo Specialist Chambers & Specialist Prosecutor's Office", das infolge eines Berichts des Europarats von 2010 als paralleles Justizsystem zur Aufarbeitung der Verbrechen der "Befreiungsarmee des Kosovo" eingesetzt wurde.

Sonstiges

Kolonialismus und Restitution: Anlässlich der Restitution der Witbooi-Bibel und eines weiteren kolonialzeitlichen Objekts an den Staat Namibia befassen sich der Rechtsprofessor Jochen von Bernstorff und der Wissenschaftliche Mitarbeiter Jakob Schuler auf verfassungsblog.de mit der Frage, an wen aus Sicht des Völkerrechts staatliche Stellen restituieren müssen, wenn zwischen der nationalen Regierung und Vertretern von Herkunftsgesellschaften Streit über den Verbleib des zurückgegebenen Objektes besteht.

Manager-Versicherung: Die SZ (Harald Freiberger/Herbert Fromme u.a.) nimmt die Schadensersatzklage der Bayerischen Landesbank gegen die Ex-Vorstände und die Managerhaftpflicht-Versicherer zum Anlass, das Konstrukt der D&O-Versicherung – nach der angelsächsischen Directors' & Officers‘ Liability benannt – zu erklären. 

DSGVO: Laut lto.de wurden in Nordrhein-Westfalen seit Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bereits über 1.000 Pannen im Zusammenhang mit vertraulichen Informationen gemeldet. So schreibt die DSGVO vor, dass die Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit informiert werden müssen, wenn vertrauliche Informationen aus Versehen in fremde Hände geraten.

Karneval: Auf lto.de bedauert Martin Rath feuilletonistisch die fehlende juristische "Neugier an der karnevalistisch mitbetriebenen Pflege des historischen Verfassungskulturguts" und schlägt eine Brücke zum britischen Zeremonialknüppelraub.

Das Letzte zum Schluss

Mops-Berühmtheit: In der Mopskrise von Ahlen hat sich die Stadt – "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" – bereit erklärt, Pfändung und den Verkauf von Mops Edda rückabzuwickeln, wie spiegel.de meldet. Doch so leicht möchte die neue Besitzerin das Tier, das doch "kein Pingpong-Ball" sei, nicht wieder hergeben. Zudem haben sich mittlerweile weitere Interessenten gemeldet, die für Edda den doppelten Kaufpreis bzw. ihre Tierarztbehandlung zahlen würden.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lj

(Hinweis für Journalisten)   

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. März 2019: Wahlrecht für 16-Jährige? / Kritik an Ausbürgerungsplänen /  Huawei-Finanzchefin verklagt Kanada . In: Legal Tribune Online, 05.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34187/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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