Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2019: BAG zu kirch­li­chem Arbeits­recht / Rekord­buße gegen UBS / Dis­kus­sion um IS-Rück­kehrer

21.02.2019

Das Bundesarbeitsgericht kippt die Kündigung eines geschiedenen Chefarztes durch ein kirchlich getragenes Krankenhaus. Außerdem in der Presseschau: Die Schweizer Bank UBS muss Rekordbuße zahlen und Diskussion um deutsche IS-Rückkehrer. 

Thema des Tages

BAG zu kirchlichem Arbeitsrecht: Die Kündigung eines Chefarztes, der nach einer Scheidung ein zweites Mal geheiratet hatte, durch ein in kirchlicher Trägerschaft befindliches Krankenhaus, ist unwirksam. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, wie SZ (Detlef Esslinger), FAZ (Marlene Grunert), taz (Christian Rath), community.beck.de (Christian Rolfs) und Rechtsprofessor Michael Fuhlrott in einem Gastbeitrag für lto.de darlegen. Zwar könne das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Einzelfall eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten rechtfertigen. Dies gelte jedoch nur dann, wenn die Loyalitätspflicht zur Kirche im konkreten Fall eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung“ darstelle. Dies sei bei einem Chefarzt nicht der Fall. Mit dem Urteil setzt das BAG die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes um, welchen es zuvor angerufen hatte. Noch das Bundesverfassungsgericht hatte die Kündigung für wirksam erklärt.  

Heribert Prantl (SZ) begrüßt die Entscheidung. Nur für die wenigsten sei ein kirchliches Krankenhaus ein Religionsausübungsbetrieb, für alle anderen sei es ein ganz normaler Arbeitsplatz. Für Daniel Deckers (FAZ) haben es die „neunmalklugen Juristen des Erzbistums Köln“ jetzt schriftlich: Wo die gewohnheitsmäßige Willkür mit dem Antidiskriminierungsrecht kollidiere, ende die Anwendbarkeit des verfassungsrechtlich geschützten kirchlichen Arbeitsrechtes. Auch Christian Rath (taz) sieht die Kirche im Leitartikel der taz als „endlich nicht mehr über dem Gesetz“. Dennoch seien potentielle Konflikte nicht vollständig verschwunden, und Beschäftigte, die anders leben wollten, als es den Kirchenoberen gefalle, müssten sich weiterhin verstecken.    

In einem separaten Artikel beleuchtet SZ (Detelf Esslinger) insbesondere auch den langjährigen Verfahrensgang des Falles.

Rechtspolitik

Verkehrsüberwachung: Das Bundesverkehrsministerium unter Führung von Andreas Scheuer (CSU) hat sich gegen den ursprünglich von der Bundesregierung verfolgten Plan ausgesprochen, die Einhaltung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge durch eine allgemeine Verkehrsüberwachung zu überprüfen. Dies berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Das Bundesverfassungsgericht hatte kürzlich erneut hohe Hürden für eine Verkehrsüberwachung aufgestellt. 

Hendrik Wieduwilt (FAZ) begrüßt den Verzicht in einem separaten Kommentar. Datensparsamkeit sei zwar „gestrig“, sie stehe dem Staat aber gut.

Bekämpfung von Schwarzarbeit: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur besseren Bekämpfung von Schwarzarbeit beschlossen, wie SZ (Cerstin Gammelin), FAZ (Manfred Schäfers) und taz (Ulrich Schulte) berichten. Dieser soll Befugnisse und Eingriffsrechte des Zolls verstärken, der für die Kontrolle des Arbeitsmarktes und der Sozialleistungen zuständig sei. Auch sollen 3.500 neue Stellen geschaffen werden. Auf diese Weise solle eine Vielzahl ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse beendet werden. Darüber hinaus sehe der Gesetzentwurf höhere Hürden für den Erhalt von Kindergeld durch EU-Ausländer vor. Diese sollen künftig erst nach drei Monaten einen Anspruch haben, wenn sie kein eigenes Einkommen haben.   

"Digitalpakt Schule“: Die geplante Grundgesetzänderung zur Umsetzung des "Digitalpaktes Schule" soll laut taz (Anna Lehmann) und FAZ (Manfred Schäfers) am heutigen Donnerstag vom Bundestag beschlossen werden. Mitte März werde dann der Bundesrat folgen.

Jasper von Altenbockum kritisiert im Leitartikel der FAZ die Grundgesetzänderung. Sie zementiere eine Verlagerung staatlicher Aufgaben auf die Ebende des Bundes, der sich für alles zuständig halte. Die Landesregierungen hätten es demgegenüber versäumt, ihre Aufgaben zu verteidigen.

EU – Urheberrechtsreform: Die EU-Mitgliedsstaaten haben den letzte Woche geschlossenen Kompromiss zur Urheberrechtsreform gebilligt, wie SZ und FAZ melden. Kritiker befürchten, dass dessen umstrittener Artikel 13, welcher verschärfte Haftungspflichten von Plattformbetreibern vorsieht, faktisch zu einer Pflicht zur Verwendung von Upload-Filtern führe. Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) äußerte, sie habe sich regierungsintern gegen Artikel 13 eingesetzt. Nun muss noch das Europäische Parlament der Reform zustimmen.

§ 219a: Auch die Reform des umstrittenen § 219a StGB, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, steht am heutigen Donnerstag zur Asbtimmung im Bundestag. Dies meldet taz (Anna Lehmann).  

Polizei und Bodycams: Ronen Steinke kritisiert in der SZ eine Dienstanweisung aus dem Bundesinnenministerium, nach der über 20.000 Beamte der Bundespolizei mit Bodycams ausgerüstet werden sollen, deren Aufnahmen jedoch nicht als Beweismittel bei einem Vorwurf gegen den Beamten eingesetzt werden dürften. Wer eine Überprüfung durch den Rechtsstaat derart scheue, sei nicht geeignet, für Vertrauen in diesen Rechtsstaat zu werben. 

Justiz

BAG zu Urlaubsrecht: Nicht genommene Urlaubstage verfallen künftig nur dann, wenn der Arbeitsgeber den Arbeitnehmer konkret dazu aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes zum Urlaubsrecht umgesetzt, wie Rechtsanwalt Alexander Willemsen in einem Gastbeitrag für lto.de ausführt. Überdies müsse der Arbeitgeber explizit darauf hinweisen, dass der Urlaub andernfalls verfalle. Die entsprechende Grundsatzentscheidung des EuGH datiert aus dem November 2018. Falls Arbeitgeber bis zum vergangenen Jahresende die vom EuGH geforderte Belehrung unterlassen hätten, könnten auch vermeintlich bereits verfallene Urlaubsansprüche weiterbestehen, so der Autor.

Silvia Liebrich (SZ) kritisiert, dass das Anhäufen von Urlaubstagen in manchen Betrieben praktisch zum guten Ton gehöre. Chefs, die eine solche Kultur vorlebten, seien schlechte Vorbilder und schadeten "dem ganzen Unternehmen".

BerlVerfGH zu Bürgermeister-Tweet: Der Berliner Bürgermeister Michael Müller hat mit einem Tweet im Mai 2018, in dem er die Proteste gegen eine AfD-Kundgebung begrüßte, nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Dies hat der Berliner Verfassungsgerichtshof entschieden, wie FAZ (Markus Wehner), lto.de und taz (Plutonia Plarre) berichten. Aus dem Wortlaut des Tweets habe sich nichts ergeben, was auf die AfD als Bezugspunkt hingedeutet habe. Müller hatte die Teilnahme von zehntausend Demonstranten als ein "eindrucksvolles Signal für Demokratie und Freiheit, gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze" bezeichnet.   

Richterdienstgericht Baden-Württemberg zu AfD-Staatsanwalt: Das baden-württembergische Richterdienstgericht hat begründet, warum der Staatsanwalt und Bundestagsabgeordnete für die AfD, Thomas Seitz, aus dem Staatsdienst entfernt werden durfte. Das vollständige Urteil erläutert BadZ (Christian Rath). Seitz habe gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue und zur Mäßigung verstoßen und überdies Amt und politischen Meinungskampf vermengt. Das Gericht verwies hierzu u.a. auf 13 Kommentare auf seiner privaten Facebook-Seite, in welchen Seitz den Staat als "Unterdrückungsinstrument" bezeichnete und von "Gesinnungsjustiz" sprach. Überdies verwies es auf eine Eingabe von 22 Strafverteidigern aus dem Bezirk Freiburg, die an Seitz Unvoreingenommenheit zweifelten. Dies sei ein Beleg für den öffentlichen Vertrauensverlust.

BAG zu Rentenklauseln: Arbeitsverträge dürfen die Zahlung einer Witwenrente im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung nicht davon abhängig machen, dass die Ehe mindestens zehn Jahre Bestand hatte. Wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, stellt eine derartige Klausel eine unangemessene Benachteiligung dar, erläutert Rechtsanwalt Thomas Frank in einem Gastbeitrag für lto.de. Die Zeitspanne sei willkürlich gewählt, es hänge von Zufälligkeiten ab, ob sie erfüllt werde. Demgegenüber hatte das BAG in der Vergangenheit entsprechende Ausschussklauseln zu Spätehen und Altersabstand für zulässig erachtet.  

BVerfG – Suizidbeihilfe: Das Bundesverfassungsgericht wird noch dieses Jahr über die Verfassungsmäßigkeit der 2015 eingeführten Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe entscheiden. Der zweite Senat habe in diesen Tagen bereits intern über die dagegen anhängigen Verfassungsbeschwerden beraten, meldet SZ (Wolfgang Janisch).

BVerfG – Verfahrenszahlen: Rund 6.000 neue Verfahren gelangen pro Jahr zum Bundesverfassungsgericht. Dies verkündete der Präsident des BVerfG, Andreas Voßkuhle, auf dem diesjährigen Jahrespresseempfang, wie lto.de (Markus Sehl) berichtet. Angesichts der hohen Arbeitsbelastung sei es unabdingbar, dass das Gericht Beschwerden auch ohne nähere Begründung abweisen dürfe, so Voßkuhle. 

LG Köln – Herbert Grönemeyer: SZ (Jana Stegemann) und spiegel.de (Herbert Grönemeyer) berichten über einen Prozess vor dem Landgericht Köln gegen zwei Männer, denen vorgeworfen wird, einen Angriff des Sängers Herbert Grönemeyer erfunden zu haben. Aufgrund der Vorwürfe der beiden Männer war zunächst ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Grönemeyer eingeleitet worden. Sie sind nun selbst wegen falscher Verdächtigung und uneidlicher Falschaussage angeklagt.  

Recht in der Welt

Frankreich – UBS: Ein französisches Strafgericht hat die Schweizer Großbank UBS wegen systematischer Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Zahlung von insgesamt 4,5 Millionen Euro verurteilt. Dies melden FAZ (Christian Schubert/Johannes Ritter), taz und Hbl (Michael Brächer/Thomas Hanke). Die Summe setzt sich aus 3,7 Millionen Euro Geldstrafe und 800.000 Euro Schadensersatz zusammen. Es ist die höchste in Frankreich je verhängte Geldstrafe. UBS habe zwischen 2004 und 2012 systematisch Kunden in Frankreich angeworben und zur Steuerhinterziehung animiert, so das Gericht.

Christian Schubert (FAZ) begrüßt das Urteil in einem separaten Kommentar. UBS sei zu lange "nicht nur Steigbügelhalter, sondern Antreiber beim Reichensport der Steuerhinterziehung" gewesen. Michael Brächer (Hbl) sieht in dem Urteil eine herbe Niederlage für UBS, da man es auf einen Prozess habe ankommen lassen anstatt "das Thema diskret mit einem Vergleich abzuräumen."

Kuba – Verfassung: Die taz (Knut Henkel) stellt den Entwurf für eine neue Verfassung vor, über welche am kommenden Sonntag in Kuba abgestimmt wird. Anders als zunächst geplant solle sie aufgrund des Widerstandes der Kirchen doch keine explizite Öffnung der Ehe für Homosexuelle beinhalten.  

Türkei – Anklage gegen Kulturmäzen: Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben gegen den prominenten türkischen Kulturmäzen Osman Kavala wegen des "Versuchs, die Regierung zu stürzen". Sie fordert für ihn und 15 Mitangeklagte erschwerte lebenslange Haft, wie SZ (Christiane Schlötzer) berichtet. Staatspräsident Erdogan wirft ihm vor, die Gezi-Proteste im Jahr 2013 finanziert zu haben. Kavala saß bereits seit 500 Tagen in Untersuchungshaft, Bundespräsident Steinmeier setzte sich für seine Freilassung ein. 

Türkei – Cumhuriyet-Prozess: Bereits verurteilt wurden die 15 Angeklagten im Prozess um die Oppositionszeitung Cumhuriyet. Den Angeklagten, welche die ehemalige journalistische und verlegerische Führungsriege darstellen, wurde "Unterstützung einer Terrororganisation" vorgeworfen. Sie wurden teils zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Dies meldet die taz (Jürgen Gottschlich). 

Sonstiges

Verfassungstreue von Beamten: Angesichts der von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geforderten Untersuchung zum Umgang mit extremistischen Beamten erläutert Rechtsanwalt Klaus Herrmann in einem Gastbeitrag für lto.de die Anforderungen an die beamtenrechtliche Verfassungstreue. Diese verbiete es Beamten etwa, den Staat, die Verfassung und seine Organe zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Dennoch dürften sie jeder nicht verbotenen Partei beitreten, selbst wenn diese verfassungsfeindliche Ziele verfolge und vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Dafür müssten sie aber bei der Berufsausübung im äußeren Auftreten eine strikte Neutralität einhalten.

IS-Rückkehrer: Der Akademische Mitarbeiter Simon Gauseweg befasst sich in einem Gastbeitrag für lto.de mit der Situation von IS-Anhängern mit deutscher Staatsangehörigkeit. Für einen Entzug der Staatsangehörigkeit fehle es derzeit noch an einer gesetzlichen Grundlage. Eine Überstellung der momentan im Gewahrsam kurdischer Milizen befindlichen Gefangenen etwa an den Internationalen Strafgerichtshof sei jedoch nicht zu erwarten.  

Yassin Musharbash ruft im Leitartikel der Zeit dazu auf, die Kämpfer mit deutscher Staatsangehörigkeit nach Deutschland zurückzuholen. Zwar gebe es wohl nur für eine Minderheit von ihnen genügend Beweise für eine Anklage, allerdings sei es unfair und verantwortungslos, deutsche Staatsangehörige den kurdischen und arabischen Milizen zu hinterlassen. Diese hätten selbst große Opfer gebracht, "auch um Europa vor Anschlägen zu schützen."   

Unternehmen und Menschenrechte: Die Bundesminister für Arbeit und Entwicklung, Hubertus Heil (SPD) und Gerd Müller (CSU) haben sich dafür ausgesprochen, Unternehmen stärker zur Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards in ihren Lieferketten anzuhalten. Dies berichtet die FAZ (Manfred Schäfers). Notfalls müsse dies auch durch eine gesetzliche Regelung geschehen.

Die SZ (Caspar Dohmen) erläutert aus diesem Anlass verschiedene europäische Gesetze zur Einhaltung von Menschenrechten durch Unternehmen. So müssten in Großbritannien Unternehmen ab einem bestimmten Mindestumsatz offenlegen, welche Maßnahmen sie getroffen hätten, um gegen Menschenhandel und Sklaverei in ihrer Lieferkette vorzugehen.

Das Letzte zum Schluss

Müder Bettendieb: Zum Einschlagen der Scheibe eines Bielefelder Bettengeschäftes hatte es noch gereicht, doch dann überkam den Einbrecher die Müdigkeit. Wie spiegel.de meldet, legte sich der 29-Jährige zur Ruhe, bis er von Polizeibeamten geweckt wurde.  

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mps

(Hinweis für Journalisten)   

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage. 

Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren. 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2019: BAG zu kirchlichem Arbeitsrecht / Rekordbuße gegen UBS / Diskussion um IS-Rückkehrer . In: Legal Tribune Online, 21.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33967/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen