Die juristische Presseschau vom 10. Januar 2019: Starke-Fami­lien-Gesetz ver­ab­schiedet / Tier­schutz vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt / Recht­li­cher Umgang mit kolo­nialer Raub­kunst

10.01.2019

Das Kabinett verabschiedet das Starke-Familien-Gesetz. Außerdem in der Presseschau: Der Normenkontrollantrag des Berliner Senats gegen die Regelungen zur Schweinehaltung und Äußerungen eines Kulturgutschutzrechtlers zur kolonialen Kunst.

Thema des Tages

Starke-Familien-Gesetz: Am Mittwoch wurde das Starke-Familien-Gesetz, vorgelegt von Bundesfamilien- und Bundessozialministerium vom Bundeskabinett verabschiedet. Die Änderungen werden zwischen Juli 2019 und Januar 2020 nach und nach in Kraft treten. Unter anderem sollen höhere Kinderzuschläge zusätzlich zum Kindergeld Geringerverdiener davor bewahren, Leistungen nach Hartz-IV beantragen zu müssen. Gleichzeitig soll es keine starre Verdienstobergrenze mehr geben, bei deren Erreichen Sozialleistungen komplett entfallen.

Über das neue Gesetzesvorhaben mit eingängigem Namen berichten SZ (Henrike Rossbach), taz (Markus Kowalski), FAZ (Dietrich Creutzburg) sowie das Hbl (Heike Anger/Frank Specht). Kritik an dem Gesetz kommt unter anderem vom Kinderschutzbund, wie in der FAZ (Heike Schmoll) berichtet wird.

Rechtspolitik

Künstliche Intelligenz: In der FAZ beschäftigt sich der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar mit einem am 18. Dezember 2018 von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf einer Richtlinie zur Regulierung ethischer Fragen beim Einsatz künstlicher Intelligenz. Er hält dabei die einmonatige Debattenphase für gefährlich kurz.

Markenrecht: Am kommenden Montag tritt ein Teil des Markenrechtsmodernisierungsgesetzes (MaMoG) in Kraft. Danach müssen die anzumeldenden Zeichen so im Register dargestellt sein, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. Damit wird auch die Eintragung von Tast- und Geruchsmarken denkbar. Es berichten die Rechtsanwälte Robert Briske und Dominic Habel auf lto.de.

Religionspolitik: In der FAZ ruft Reinhard Bingener zu einer aktiveren Religionspolitik im Hinblick auf den Islam auf. Die Diskussion um eine sog. „Moscheesteuer“ könne dabei erst am Ende des Weges stehen, da sie an die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts anknüpft, was von den Moscheeverbänden nicht angestrebt sei.

Kontrolle von Fahrverboten: Laut FAZ (Kerstin Schwenn) will die Bundesregierung um Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ihre Pläne zur automatischen Kontrolle von Diesel-Fahrverboten nachbessern, um damit dem Datenschutz gerecht zu werden. Nach der Neuerung sind nur Stichproben vorgesehen.

Justiz

BVerfG – Tierschutzrecht: Berliner Senat hat einen umfangreichen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht gegen die auf die Schweinehaltung bezogenen Regelungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) eingereicht, so berichten lto.de, taz-Berlin und FAZ (Hendrik Wieduwilt).

LG Potsdam – Maik Schneider: Die taz (Konrad Litschko) befasst sich damit, dass der frühere NPD-Mann Maik Schneider erneut in Potsdam vor Gericht steht, nun aber nicht mehr in U-Haft ist. Er war in einem früheren Verfahren zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er eine als Flüchtlingsunterkunft geplante Turnhalle in Brand gesetzt hatte. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil wegen Verfahrensfehlern aufgehoben, seither saß Schneider in Untersuchungshaft. Letzte Woche, während seines zweiten Prozesses vor dem Landgericht Potsdam, wurde vom Oberlandesgericht Brandenburg wegen unverhältnismäßiger Verfahrensverzögerungen die Freilassung Schneiders angeordnet. Christian Rath (taz) wertet dies als Zeichen des Richtermangels, die Empörung sei vielleicht sogar willkommen, um auf die Überlastung der Justiz aufmerksam zu machen.

LG Halle – Rechte Gewalt: Die SZ (Anette Ramelsberger) nimmt die anstehende Verhandlung im Fall der Angeklagten Carsten M., 40, und Martina H. vor dem Landgericht Halle zum Anlass, um anhand mehrerer Beispiele aufzuzeigen, wie insbesondere ostdeutsches Staatsanwaltschaften rechte Gewalt und eindeutig rechtsextremistisch eingestellte Täter verharmlosen würden. So war der Fall der beiden Angeklagten, die am 1. Mai 2017 mit dem Auto Jagd auf Menschen gemacht hatten, von der zuständigen Staatsanwältin vor das Amtsgericht gebracht worden.

BVerfG – Hartz-IV: Die Zeit (Kolja Rudzio) und focus.de befassen sich mit der am 15. Januar anstehenden Verhandlung über die Hartz-IV-Gesetzgebung vor dem Bundesverfassungsgericht. Infrage steht, ob die Kürzung von Leistungen, die der Existenzsicherung dienen, verfassungsrechtlich haltbar ist. Vorgelegt hat das Sozialgericht Gotha.

LG Berlin – Ku' Damm-Raser: Im Mordprozess um die sogenannten Ku' Damm-Raser hat eine Bekannte des Angeklagten Hamdi H. vor dem Landgericht Berlin ausgesagt, dieser sei stolz darauf gewesen, so schnell fahren zu können und habe einen entsprechenden Spitznamen gehabt. Die 27-jährige hatte bereits in einem der vorherigen Prozesse gegen Hamdi H. ausgesagt und sei danach von dessen Verlobter bedroht worden, wie sie sich nun erinnerte. Es berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm).

StA Bremen – Fall Magnitz: Die Bremer Staatsanwaltschaft hat den Schilderungen der AfD zum Angriff auf deren Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz teilweise widersprochen, so würde nur wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt, berichten u.a. FAZ (Reinhard Bingener), SZ (Peter Burghardt), taz (Jean-Philipp Baeck/Sabine am Orde) und die Welt (Ulrich Exner/Ricarda Breyton).

KG Berlin zu Influencer-Links: Nach einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin ist nicht jede Verlinkung auf einem Influencer-Account, hier im Fall der Influencerin Vreni Frost, werblich, was die Einstufung als Schleichwerbung zur Folge hätte, berichtet die FAZ (Julia Anton).

VG Koblenz zu Hitlergruß: Wie die Welt meldet, hat das Verwaltungsgericht Koblenz entschieden, dass die Entlassung eines Bundeswehrsoldaten wegen Zeigen des Hitlergrußes rechtens ist, dieser habe seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen und dem Ansehen der Bundeswehr gerecht werdenden Verhalten verletzt. Der Soldat war in einem parallelen Strafverfahren freigesprochen worden.

VG Köln – Mobilfunknetz: Die Zeit (Simon Kerbusk) beleuchtet in ihrer aktuellen Ausgabe die Klage der deutschen Telekom und weiterer Mobilfunkanbieter gegen die Regeln zum Aufbau des Mobilfunknetzes vor dem Landgericht Köln. Die Kläger werfen der Bundesnetzagentur vor, dass die Auflagen für die Teilnahme an der Versteigerung der Frequenzen zu umfangreich wären.

LG Berlin – Goldmünze: Den Prozessbeginn im Fall der aus dem Berliner Bode-Museum entwendeten Goldmünze, in dem sich die Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in besonders schweren Fall verantworten müssen, behandeln nun auch die Zeit (Tobias Timm) und spiegel.de (Thomas Heise/Claas Meyer-Heuer/Jens Witte). Es handle sich bei dem Prozess derzeit um ein Indizienverfahren.

Französisch als Gerichtssprache: Laut Bericht der FAZ (Bernd Freytag/Marcus Jung) hat das saarländische Justizministerium zwei Zivilkammern am Landgericht Saarbrücken eingerichtet, in welchen fortan auf Französisch verhandelt werden kann, eine für Handelssachen und eine für Verbraucherstreitigkeiten.

EGMR – CAS: Laut FAZ (Michael Reinsch) hat die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein am 27. Dezember 2018 die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angerufen, sie will von dieser die Unabhängigkeit des Sportgerichtshofs klären lassen, insbesondere im Hinblick darauf, ob sich Sportler diesem unterwerfen müssen.

Recht in der Welt

Türkei – Pelin Ünker: Laut taz (Jürgen Gottschlich) und FAZ wurde die Journalistin Pelin Ünker von einem Istanbuler Gericht wegen Beleidigung des ehemaligen Ministerpräsidenten und heutigen Parlamentspräsidenten Binali Yıldırım und seiner Söhne zu 13 Monaten Gefängnis- ca.1500 Euro Geldstrafe verurteilt. Ihre Anwälte haben Berufung gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil eingelegt.

Honduras – Berta Cáceres: Im Mordfall der Umweltaktivistin Berta Cáceres wird heute die Verkündung des Strafmaßes für sieben bereits schuldig gesprochene Täter erwartet. Cáceres hatte sich u.a. für die Rechte Indigener eingesetzt und war im März 2016 erschossen worden, berichtet die taz (Knut Henkel).

Israel – Spionage: Der frühere israelische Energieminister Gonen Segev hat einem Jerusalemer Bezirksgericht Spionage für Iran gestanden, im Gegenzug wurde er zu elf Jahren Haft und weiteren Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, berichten FAZ (Jochen Stahnke) und SZ.

USA – Vize-Justizminister: US-Vizejustizminister Rod Rosenstein könnte nach Berichten bald sein Amt aufgeben, melden zeit.de und spiegel.de.

Griechenland – Korruptionsermittlungen: Im Zuge der Ermittlung eines möglichen Bestechungsskandals rund um den Schweizer Novartis-Konzern hat sich der Zeuge und ehemalige Berater des Gesundheitsministeriums Nikos Maniadakis im Fernsehen geäußert und angegeben, dass die Ermittlungen genutzt wurden, um unbeteiligte Politiker zu belasten, berichtet die FAZ (Tobias Piller).

EuGH – Rumänien: Wie nun von einem Gerichtssprecher bestätigt wurde, hat der Chef der rumänischen Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, am 11. Dezember 2018 Klage gegen die EU-Kommission eingelegt, wie zeit.de berichtet. Er begründet die Klage damit, dass die Kommission der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf vorsteht, die gegen ihn u.a. wegen Urkundenfälschung bei der Verwendung von EU-Mitteln vorgeht.

Sonstiges

Koloniale Raubkunst: Auf lto.de (Markus Sehl) äußert sich der Kulturgutschutzrechtler Matthias Weller im Interview zum Umgang mit Raubkunst aus der Kolonialzeit. Er fordert darin zur Frage der Rückgabe u.a. die Entwicklung eines differenzierten Kriterienkatalogs, an den konkrete Rechtsfolgen anknüpfen, sowie verbindliche völkerrechtliche Übereinkünfte.

Pro-Chemnitz: Wie SZ und taz melden, stuft der sächsische Verfassungsschutz die Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“ als extremistisch ein, da die Mitglieder erkennbar extremistische Inhalte verbreiten würden.

Kriminelle Clans: Laut lto.de und FAZ (Reiner Burger) will die nordrhein-westfälische Justiz nun nach Duisburg auch in Essen zwei Sonderstaatsanwälte zur Bekämpfung der sog. Clan-Kriminalität einsetzen.

Unschuldsvermutung: In einem Gastbeitrag in der Zeit befasst sich der Rechtsanwalt Sven Krüger mit dem Dilemma der Unschuldsvermutung im Rahmen der Verdachtsberichterstattung am Beispiel der Anschuldigungen im Zuge der MeToo-Debatte. Hier stünden sich das Recht auf Anonymität und die Möglichkeit des Beschuldigten, sich medial zur Wehr zu setzen, unvereinbar gegenüber.

Grundgesetz-Magazin: Im Interview mit lto.de (Tanja Podolski) erzählt der Journalist Oliver Wurm von seiner Motivation den "kluge[n] und visionäre[n] Text" des Grundgesetzes ansprechender zu gestalten.

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lto/cc

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Januar 2019: Starke-Familien-Gesetz verabschiedet / Tierschutz vor dem Bundesverfassungsgericht / Rechtlicher Umgang mit kolonialer Raubkunst . In: Legal Tribune Online, 10.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33121/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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