Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. Dezember 2018: Ein­füh­rung einer Moschee­steuer / China avi­siert neues Men­schen­rechts­ver­ständnis / Algo­rithmen in der Ver­wal­tung

27.12.2018

Politik diskutiert Einführung einer Moscheesteuer analog zur Kirchensteuer. Außerdem in der Presseschau: China strebt eine Änderung der UN-Menschenrechtserklärung an und algorithmengesteuertes Verwaltungshandeln wird diskutiert.

Thema des Tages 

Moscheesteuer: Politiker von Union und Grünen sprechen sich dafür aus, eine Moscheesteuer einzuführen. Diese soll analog zur Kirchensteuer funktionieren und verhindern, dass muslimische Einrichtungen in Deutschland von ausländischen Geldgebern abhängig sind. Damit eine muslimische Gemeinde Steuern erheben kann, müsste sie jedoch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und dazu insbesondere eine auf Dauer angelegte Organisation sein, sowie fundamentalen Verfassungsprinzipien nicht widersprechen. Diesen Status hat bislang nur eine muslimische Gemeinschaft in Deutschland inne, die jedoch keine Steuern erhebt. Über das Vorhaben berichten unter anderem FAZ (Helene Bubrowksi), SZ und deutschlandfunk.de (Frank Cappelan)

Alexander Demling (Handelsblatt) hält den Vorschlag für das richtige Vorgehen gegen die Einflussnahme des türkischen Staats in Deutschland. Er stellt jedoch in Frage, "wer als Vertreter der deutschen Muslime so satisfaktionsfähig wäre, dass man ihm Moscheesteuer-Einnahmen anvertrauen könnte". Heribert Prantl (SZ) und Stephan Hebel (FR) kritisieren den Vorschlag als nicht zeitgemäß und stellen in Frage, ob muslimische Gemeinden überhaupt Interesse daran haben, die Organisationsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anzunehmen und Steuern zu erheben. 

Die Welt (Martin Lutz) führt ein Gespräch mit der Juristin und Gründerin einer liberalen Moschee, Seyran Ateş, und interviewt den CDU Politiker Markus Kerber

Rechtspolitik 

Verbandsklagen: FAZ (Hendrik Wieduwilt) und zeit.de melden, dass die Union plant, das Verbandsklagerecht einzuschränken. So sollten insbesondere höhere Anforderungen an die innere Verfasstheit der klageberechtigten Organisationen gestellt werden.

Hendrik Wieduwilt (FAZ) vermutet, dass hinter dem Vorstoß ein Versuch steckt, die Umwelthilfe daran zu hindern, klimapolitische Ziele auf rechtlichem Wege durchzufechten, wie dies in der Vergangenheit mit zahlreichen Dieselverbotsklagen geglückt ist.

Nichtannahmeverfahren am BVerfG: In einem Gastbeitrag für die SZ kommentiert der Rechtsprofessor Martin Eifert den Gesetzgebungsvorschlag der AFD, durch den die Richter am Bundesverfassungsgericht verpflichtet werden sollen, die Nichtannahme von Verfassungsbeschwerden zu begründen. Der Autor sieht darin einen Versuch, das Bundesverfassungsgericht zu schwächen, weil es einerseits durch den Verfahrensaufwand überlastet würde und andererseits mit dem Gesetzesvorhaben Misstrauen gegen die Legitimität der Entscheidungen des Gerichts geschürt wird.

Aktiengesetz: Laut einer Meldung der SZ (Kristiana Ludwig) plant Justizministerin Barley, das Mitbestimmungsrecht von Aktionären zu reformieren. 

BVerfG-Richterwahlen: In einem Gastbeitrag für zeit.de widmet sich der Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler der Problematik von Bundesverfassungsrichtern, die vor ihrer Ernennung ein politisches Amt inne hatten. Anlass ist die Ernennung des CDU-Bundestagsabgeordneten Stephan Harbarth.  

Organspende: Über einen neuen Vorschlag in der Diskussion um die Reform des Transplantationsgesetzes berichtet die FAZ (Christian Geyer). Jener sieht statt der Widerspruchs- wieder die Zustimmungsregelung vor, will aber, dass alle Erwachsenen verpflichtet sind, bei der Beantragung oder Verlängerung ihres Personalausweises eine Erklärung abzugeben, ob sie Organe spenden würden.

Justiz

StA Bayreuth – Mordfall Peggy: Der im Mordfall Peggy festgenommene Tatverdächtige muss nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Bayreuth freigelassen werden, wie spiegel.de berichtet. Das Gericht gab damit der Haftbeschwerde des Verdächtigten statt. Wie die FAZ (Karin Truscheit) erläutert, kann dessen widerrufenes Geständnis nicht verwertet werden. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sie gegen die Entscheidung des Ermittlungsrichters Beschwerde einlegen wird.

Recht in der Welt

China – Menschenrechtspolitik: Die FAZ (Mark Simeons) berichtet über Bestrebungen der chinesischen Regierung, auf eine Reform der UN-Menschenrechtskonvention hinzuwirken. Das westliche Konzept universeller, individueller Menschenrechte sei eine Fiktion. Stattdessen werde eine "volkszentrierte Menschenrechtskonzeption" angestrebt, die nicht dazu missbraucht werden kann, in souveräne Entscheidungen von Staaten einzugreifen. Die FAZ berichtet außerdem über den Auftakt eines Prozesses gegen einen Menschenrechtsanwalt in China, dem "Untergrabung der Staatsgewalt" vorgeworfen wird. 

Ukraine – Kriegsrecht: zeit.de und spiegel.de melden, dass der ukrainische Präsident das für 30 Tage geltende Kriegsrecht nicht verlängert hat. Das Kriegsrecht hatte dem Militär nach dem Zwischenfall im Asowschen Meer Sondervollmachten gegeben.

Niederlande - Kirchenasyl: In den Niederlanden ist es der Polizei gesetzlich verboten, ein Gebäude zu betreten, während dieses zur Religionsausübung genutzt wird. In einer Kirche in Den-Haag wird daher seit zwei Monaten ein ununterbrochener Gottesdienst abgehalten, um die Abschiebung einer in der Kirche wohnenden Familie zu verhindern. spiegel.de (Jurek Skrobala) interviewt einen der Organisatoren. Über den Umgang deutscher Behörden mit Kirchenasyl berichtet die SZ (Bernd Kastner).

USA – Abtreibungsrecht: zeit.de (Rieke Havertz) analysiert, wie sich die Möglichkeiten für Frauen in den USA, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, unter Präsident Trump verändert haben und welche rechtlichen Entwicklungen dabei eine Rolle spielen. 

Japan – Walfang: Über die Entscheidung der japanischen Regierung, aus der Internationalen Walfangkommission auszusteigen, berichten unter anderem taz (Martin Fritz) und SZ (Christoph Neidhart).

Sonstiges

Algorithmen in der Verwaltung: Auf verfassungsblog.de setzen sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin Wiebke Fröhlich und die Rechtsprofessorin Indra Spiecker genannt Döhmann mit der Frage auseinander, inwiefern Verwaltungsentscheidungen auf algorithmenbasierten Datenauswertungen beruhen dürfen. Den Einsatz von Algorithmen, die Wahrscheinlichkeiten aufgrund der Zugehörigkeit zu Gruppen berechnen, halten sie für potentiell diskriminierend und sehen in der Datenverarbeitung zudem einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen. 

Volkszählung: Von der weihnachtlichen Volkszählungsgeschichte über den deutschen Zensus von 1864 und die Volkszählungen durch die Nationalsozialisten, bis zum US-amerikanischen "War Powers Act" von 1942, gibt lto.de (Martin Rath) einen Überblick über die Bedeutung des Zensus in der Geschichte.

Rechtsradikale Polizisten: Die FAZ (Katharina Iskandar/Lydia Rosenfelder/Konrad Schuller) untersucht anlässlich der Entdeckung einer Gruppe rechtsradikaler Polizeibeamter in Hessen, warum es in Polizeieinheiten immer wieder Personen mit rechtsextremistischen Einstellungen gibt. Die Autoren beziehen sich auf kriminologische und soziologische Forschung und machen Vorschläge, wie Arbeitsabläufe und Kontrollinstanzen so entwickelt werden könnten, dass sich derartige Einstellungen einerseits nicht verfestigen und ihre Aufklärung andererseits nicht am Korpsgeist der Beamten scheitert.

Weihnachtliche Devianz: Martin Rath (lto.de) wirft die Frage auf, warum an den Weihnachtsfeiertagen mehr Straftaten passieren als im restlichen Jahr, und hat dazu kuriose Fälle zusammengestellt.

Rechtsästhetik: Mitte Dezember hat das Bundeskabinett beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die sich unter anderem um eine bessere, verständlichere Rechtsetzung bemühen soll. Warum Juristendeutsch und Gesetzesformulierungen oftmals schwer verständlich sind, untersucht Helene Bubrowksi (FAZ).

Kirchliche Armutspflicht: Einen Urheberrechtsstreit zwischen dem Franziskanerorden und der Familie einer verstorbenen Nonne um die Rechte an ihren Zeichnungen nimmt Martin Rath (lto.de) zum Anlass, rechtshistorische Betrachtungen zur "Evangelischen Armut" anzustellen.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/asp

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. Dezember 2018: Einführung einer Moscheesteuer / China avisiert neues Menschenrechtsverständnis / Algorithmen in der Verwaltung . In: Legal Tribune Online, 27.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32917/ (abgerufen am: 22.04.2024 )

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