Die juristische Presseschau vom 14. Dezember 2018: Kon­tro­verse um Neu­fas­sung von § 219a StGB / EuGH zu Rund­funk­bei­trag / BGH urteilt zu Pati­en­ten­ver­fü­gung

14.12.2018

Der Änderungsvorschlag zu § 219a StGB wird breit diskutiert. Außerdem in der Presseschau: Der EuGH erklärte den deutschen Rundfunkbeitrag für rechtmäßig und der BGH urteilte über Anforderungen an die Bestimmtheit von Patientenverfügungen.

Tagesthema

§ 219a StGB: Das nun vorliegende Positionspapier der Großen Koalition zur Neufassung von § 219a Strafgesetzbuch (StGB) wird breit diskutiert. Entgegen der ursprünglichen Positionierung der SPD soll das Werbeverbot in seiner Grundform bestehen bleiben, die Bundesärztekammer soll jedoch Informationen über die Schwangerschaftsabbrüche durchführenden Ärzte zentral zugänglich machen. Zudem werde Ärzten erlaubt, auf diese zentralen Informationen hinzuweisen, und es sollen Studien zur Erforschung der Spätfolgen von Schwangerschaftsabbrüchen durchgeführt werden. Einen Überblick über die geplanten Neuregelungen geben lto.de (Hasso Suliak), FAZ (Helene Bubrowski) und taz (Dinah Riese). Kritisiert wird der Vorschlag insbesondere von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen innerhalb der SPD, melden u.a. die SZ (Kristiana Ludwig) und der tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof/Paul Starzmann).

Valerie Höhne (spiegel.de) schließt sich der Kritik an und spricht sich für eine Entstigmatisierung von Abtreibungen aus, die auch eine Neufassung des § 218 StGB erfordere. Jan Fleischhauer (spiegel.de) sieht ebenfalls eine Verbindung mit der Frage der Neufassung des § 218 StGB und kritisiert die Jusos für ihre Forderung nach der gänzlichen Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Im Interview mit deutschlandfunk.de (Silvia Engels) begrüßt Ärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery den Reformvorschlag. Die in der Vergangenheit von Anzeigen betroffenen Ärztinnen Nora Szász, im Gespräch mit deutschlandfunk.de (Claudia Hennen), und Kristina Hänel, gegenüber der FR (Danijel Majic), üben Kritik an den Neuerungen.

Über die globale Entwicklung des öffentlichen Bildes und der rechtlichen Möglichkeit von Abtreibungen spricht spiegel.de (Alisa von Hof) mit der australischen Forscherin Erica Millar.

Rechtspolitik

Geschäftsgeheimnisgesetz: Heribert Prantl (SZ) kritisiert die geplante Novelle des Geschäftsgeheimnisgesetzes, die einen stärkeren Schutz von Geschäftsgeheimnissen anstrebt und darüber die Belange von Whistleblowern nicht bedenke. Prantl sieht zudem die Pressefreiheit durch die geplanten Verschärfungen in Gefahr. 

Rechtspraxis BAMF: Auf verfassungsblog.de kritisiert der Anwalt Mark Swatek-Evenstein eine durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu verantwortende Rechtspraxis, die auf zahlreichen, von ihm näher ausgeführten Gesetzesverstößen beruhe und den Verwaltungsgerichten damit erheblichen Mehraufwand beschere. 

Justiz

EuGH zu Fehmarnbelt-Tunnel: Nach Urteil des Europäischen Gerichtshofs sind die staatlichen Beihilfen für den geplanten Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark rechtswidrig, weil kein förmliches Erlaubnisverfahren durchgeführt wurde. Es berichten SZ (Thomas Hahn), spiegel.de und taz (Sven Michael Veit).

EuGH zu Rundfunkbeitrag: Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist der deutsche Rundfunkbeitrag rechtmäßig. Er stelle insbesondere keine verbotene staatliche Beihilfe dar, weil der jetzige Beitrag keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der ursprünglich genehmigten Gebühr aufweise. Es berichten taz (Christian Rath), lto.de (Tanja Podolski) und tagesschau.de (Gigi Deppe).

Jasper von Altenbockum (FAZ) merkt an, dass die Rechtmäßigkeit des Beitrags damit endlich außer Frage stehe, befürchtet aber, dass die Rundfunkfinanzierung bald wieder politischen Kontroversen ausgesetzt sein könnte. Michael Hanfeld (FAZ) kritisiert die Argumentation des EuGH und weist insbesondere darauf hin, dass substantielle Unterschiede zwischen der ursprünglichen und der aktuellen Beitragsgestaltung bestünden und diese daher einer erneuten Genehmigung bedurft hätte.

EuGH zu Urlaubsgeld: Wie FAZ, lto.de und spiegel.de melden, entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Anordnung von Kurzarbeit nicht per se ausreicht, um zu begründen, dass auch kein Urlaubsgeld ausgezahlt wird. Die Arbeitgeber könnten allenfalls aufgrund der verringerten Stundenarbeitszeit auch die Dauer des Urlaubsanspruchs kürzen. 

EuGH zu Passkontrollen: lto.de (Tanja Podolski) berichtet über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach Passkontrollen durch private Beförderungsunternehmen wirkungsgleich mit Grenzkontrollen und daher im Schengenraum unzulässig sind.

EuGH zu Leistungsschutzrecht: In seinem Schlussantrag vor dem Europäischen Gerichtshof vertrat der zuständige Generalanwalt die Auffassung, dass das deutsche Leistungsschutzrecht, insbesondere die §§ 87f bis 87h Urheberrechtsgesetz (UrhG), gegen EU-Recht verstößt. Die Normen, die Urheberschutz auch für Presseverlage vorsehen, hätten demnach der Europäischen Kommission in einem Notifizierungsverfahren vorgelegt werden müssen. Sollten die Richter im Rahmen des Vorlageverfahrens tatsächlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Normen nicht anwendbar sind, würde die VG Media Verwertungsgesellschaft ihren Rechtsstreit gegen Google vor dem Verwaltungsgericht Berlin vermutlich verlieren. Über das Verfahren berichten lto.de, FAZ (Michael Hanfeld) und spiegel.de (Patrick Beuth).

Reinhard Müller (FAZ) weist auf die gravierenden Folgen hin, die eine Entscheidung zulasten der Medien haben könnte. 

EuGH – Zwangshaft für Amtsträger: Über eine Vorlage des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof berichtet auf verfassungsblog.de der Rechtsprofessor Bernhard Wegener. Aufgrund der schleppenden Umsetzung der von bayerischen Gerichten angeordneten Dieselfahrverbote hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage vorgelegt, ob Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung in Zwangshaft genommen werden können oder müssen, um so die Umsetzung der Gerichtsurteile zu erreichen. Wegener stellt das Verfahren in den Kontext eines Konfrontationskurses zwischen Exekutive und Judikative im Umweltrecht und der allgemeinen Rechtsstaatsdebatte.

EuG zu Abgasgrenzwerten: Das Gericht der Europäischen Union urteilte gestern, dass die von der Europäischen Kommission vorgenommene Aufweichung der Schadstoffgrenzwerte, die durch die Euro-6-Richtlinie vorgegeben sind, rechtswidrig ist. Demnach hatte die Kommission keine Kompetenz zur Abänderung der von Ministerrat und Europäischem Parlament erlassenen Verordnung. Mit dem Urteil werden zukünftig auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge möglich, die ganz neu sind. Über das Urteil berichten unter anderem taz (Christian Rath), SZ (Markus Balser u.a.),  FR (Joachim Wille) und Welt (Nikolaus Doll).

Malte Kreutfeldt (taz) begrüßt das Urteil, kritisiert aber, dass die Justiz die Politik davon abhalten musste, ihre eigenen Grenzwerte zu unterwandern. Holger Stelzner (FAZ) hingegen hält die Debatte für hysterisch angesichts der Tatsache, dass sich die Luft in deutschen Innenstädten in den letzten Jahren beständig verbessert habe.

zeit.de (Dirk Asenorpf) spricht mit einer Umweltmedizinerin, die sich für noch strengere Grenzwerte de lege ferenda ausspricht, um Gesundheitsgefahren zu reduzieren.

BVerfG – Amri-Untersuchungsausschuss: Wie taz (Konrad Litschko) und spiegel.de melden, klagen mehrere Oppositionsfraktionen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Bundesregierung, weil diese die Arbeit des Untersuchungsausschusses behindert, der die Umstände des Anschlags am Breitscheidplatz vor zwei Jahren aufklären soll. Insbesondere wurde dem Ausschuss die Vernehmung von Geheimdienstmitgliedern verwehrt.

BGH zu Patientenverfügungen: In einem Urteil stellte der Bundesgerichtshof Maßstäbe dafür auf, wie konkret aus einer Patientenverfügung der Sterbewunsch einer Person hervorgehen muss, damit diesem entsprochen werden kann. Über die Umstände des Falls berichten SZ (Wolfgang Janisch), lto.de, FR (Ursula Knapp) und tagesschau.de (Gigi Deppe).  

BGH zu Mietwagenservice Uber Black: Wie der Bundesgerichtshof entschied, stellt das Angebot des Chauffeurservices Uber Black einen Verstoß gegen das Personenförderungsgesetz dar. Anders als Personen mit einer Taxi-Lizenz unterliegen Uber-Black-Anbieter den Bestimmungen für Mietwagen und dürfen daher keine Aufträge direkt im Auto annehmen, wie u.a. FAZ (Hendrik Wieduwilt) und zeit.de melden. Eine ausführliche Darstellung des Verfahrensgangs findet sich in der FAZ (Christian Scherer-Leydecker). Auf die Rechtslage und ihre europarechtliche Komponente gehen in einem Gastbeitrag für lto.de Arne Neubauer und Lennart Holst ein.

Warum die praktischen Auswirkungen des Urteils vermutlich eher gering bleiben werden, begründet Luisa Jacobs (zeit.de).

BGH zu Kartellklagen: Die FAZ (Marcus Jung) berichtet über ein Urteil des BGH-Kartellsenats zu einer Kartellschadensersatzklage gegen das sogenannte Schienenkartell. In dem Urteil legte der Bundesgerichtshof strengere Anforderungen an den Schadensnachweis an als bisher.

BVerwG zu Offenlegungspflichten: netzpolitik.org (Andre Meister) berichtet über eine Klage, die die "Netzpolitik"-Redaktion vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das Bundeskanzleramt angestrengt hat. In dem Verfahren ging es um Auskunftsansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und die Dauer von Sperrfristen für die Veröffentlichung von Kabinettsprotokollen.

LG Münster zu Stutthof-Wachmann: Das Verfahren gegen den ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof vor dem Landgericht Münster musste vorläufig ausgesetzt werden, weil der Angeklagte verhandlungsunfähig ist und derzeit im Krankenhaus liegt. Ob das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden kann, ist derzeit unklar, wie u.a. taz (Klaus Hillenbrand), SZ und spiegel.de (Wiebke Ramm) melden. 

VG München – Datenherausgabepflicht von Airbnb: Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München ist die Plattform Airbnb zur Herausgabe der Daten von Personen verpflichtet, die über sie ihre Wohnungen zur kurzzeitigen Untervermietung anbieten. Die Gemeinden sollen damit in der Lage sein festzustellen, wer gegen das bayerische Zweckentfremdungsgesetz verstößt und Wohnraum dem regulären Wohnungsmarkt entzieht. Es berichten unter anderem lto.de, SZ (Camilla Kohrs) und FAZ.

Warum sie das rechtliche Vorgehen gegen die Geschäftspraktiken von Airbnb für wünschenswert hält, erklärt Nina Bovensiepen (SZ) in einem Kommentar. 

LG München I zu Bezahloptionen bei Flixbus: Wie das Landgericht München I gestern entschied, verstößt das Fernbusunternehmen Flixbus gegen § 270a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn es eine Gebühr für die Bezahlung mit Paypal verlangt. Es stellte damit fest, dass auch Paypal vom Gebührenverbot für Onlinezahlungen umfasst ist. Mit der gleichen Begründung verbot das Gericht auch die Kostenpflichtigkeit von Sofortüberweisungen. Es berichten lto.de, FAZ und spiegel.de.

Recht in der Welt

Australien – Geheimprozess: In Australien findet derzeit ein Strafprozess statt, über den die Justiz eine Nachrichtensperre verhängt hat, die es der in Australien zugänglichen Presse, dem Rundfunk und Onlinemedien verbietet, über das Verfahren zu berichten. Solche Nachrichtensperren können in Australien verhängt werden, um die Unabhängigkeit der Jurymitglieder zu gewährleisten. Auch die SZ berichtet ausschließlich in ihrer Printausgabe über die Spezifika des Strafprozesses, in dem vermutlich eine bekannte Person angeklagt ist.

Kambodscha – Rote-Khmer-Tribunal: In einem Gastbeitrag für lto.de berichtet Malte Stedtnitz über die Arbeit des Straftribunals zur Aufarbeitung der Verbrechen der Roten Khmer in Kambodscha und die Arbeitsbedingungen an diesem Gericht.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/asp

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. Dezember 2018: Kontroverse um Neufassung von § 219a StGB / EuGH zu Rundfunkbeitrag / BGH urteilt zu Patientenverfügung . In: Legal Tribune Online, 14.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32735/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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