Die juristische Presseschau vom 6. Dezember 2018: "Digi­tal­pakt Schule" wurde ver­schoben / BGH ent­schied zu Schim­mel­risiko / Vor­schläge zu Wahl­rechts­än­de­rung

06.12.2018

Die Ministerpräsidenten der Länder stoppen den "Digitalpakt Schule". Außerdem in der Presseschau: Schimmelgefahr im Altbau berechtigt nicht zur Mietminderung, das OLG Köln zu Julian Draxler und Vorschläge zur Wahlrechtsreform.

Thema des Tages

Digitalpakt: Im Streit um den sogenannten "Digitalpakt Schule" kündigten die Ministerpräsidenten an, im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen zu wollen. Der Pakt kann somit nicht wie geplant zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Dies berichten u.a. taz (Anna Lehmann), zeit.de und SZ. Am vergangenen Donnerstag hatte der Bundestag eine Änderung der Artikel 104b und 104c Grundgesetz (GG) beschlossen. Auf dieser Grundlage sollte dem Bund ermöglicht werden, den Ländern Finanzhilfen im Bildungswesen zu gewähren. Gleichzeitig sollten die Länder aber verpflichtet werden, diese Finanzmittel mindestens zur Hälfte zu ergänzen. 

Jasper von Altenbockum (FAZ) begrüßt den Schritt der Ministerpräsidenten, die sich gegen die Aushöhlung der Länderverantwortung wehrten.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisiert gegenüber deutschlandfunk.de (Christine Heuer), dass der Bund künftig auf die Lehrpläne Einfluss nehmen könnte. Dadurch werde in die Kernkompetenz der Länder eingegriffen. Auch Martin Greive (Hbl) kritisiert den Digitalpakt, durch den sich die Länder als "finanzielle Beutegemeinschaft", der Bund hingegen als "Kompetenz-Dieb" gerieren würden. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg, verteidigt den Digitalpakt hingegen in der FAZ. Keineswegs erhalte der Bund hierdurch die Befugnis, konkrete Bildungsinhalte vorzugeben, es gehe lediglich um Investitionen in die digitale Infrastruktur. Auch die Kofinanzierung sei erforderlich, weil die Länder nicht "aus der Finanzierungsverantwortung entlassen werden" dürften. 

Rechtspolitik

Wahlrecht: In einem Gastbeitrag für die FAZ sprechen sich Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) und der Politikwissenschaftler Stefan Klecha für eine Änderung des Wahlrechts aus. Das Ziel sei, die Anzahl von Überhangmandaten zu verringern und den Anteil von Frauen im Bundestag zu vergrößern. Zunächst müsse die Zahl der direkt gewählten Abgeordneten verringert werden. Danach müssten die Wahlkreise vergrößert werden, wobei sie doppelt zu besetzen seien. Mit einer Stimme könne dann ein Mann, mit der anderen eine Frau gewählt werden. Auch Stefan Ruppert, Parlamentarischer Geschäftsführer (FDP), spricht sich in der FAZ für eine Reduzierung der Sitze im Bundestag aus. Hierzu müsse die Anzahl der Direktmandate verringert werden. Bereits ab einem Verhältnis von 40:60 zwischen Direktmandaten und Listenplätzen würden Überhangmandate mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. 

E-Evidence: Am Freitag befassen sich die EU-Justizminister mit einem Gesetzentwurf über den vereinfachten Austausch elektronischer Beweismittel in Strafverfahren auf europäischer Ebene. Dies berichten SZ (Karoline Meta Beisel) und FAZ. Bisher müssten die Behörden den zeitaufwendigen Weg der Rechtshilfe gehen, wenn sie Zugriff auf Daten erhalten möchten, die in einem anderen Staat gespeichert sind. Künftig sollen sich die Behörden dagegen direkt an die Provider wenden, sofern es um Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren gehe. Kritiker bemängeln, dass auf diese Weise fremde Strafverfolgungsbehörden in Deutschland zu Delikten ermitteln könnten, die hier gar nicht strafbar seien. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) begrüßt zwar grundsätzlich die beschleunigte Zusammenarbeit, fordert jedoch ein Widerspruchsrecht des betroffenen Staates. 

Pflichtverteidigung: Der Deutsche Anwaltverein und die Strafverteidigervereinigung haben einen vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vorgelegten Referentenentwurf zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung kritisiert, berichtet lto.de. Der Entwurf halte an dem Grundsatz fest, dass die Auswahl des zu bestellenden Verteidigers dem Gericht obliege. Hierdurch könne der Verdacht entstehen, dass Gerichte besonders "pflegeleichte" Anwälte bevorzugten. Stattdessen sollten die Rechtsanwaltskammern eine elektronische Liste führen, auf die die Gerichte und Staatsanwaltschaften Zugriff erhielten.

Pakt für den Rechtsstaat: Der Pakt für den Rechtsstaat ist wieder an die zuständige Arbeitsgemeinschaft im Bundestag verwiesen worden, berichtet die FAZ (Helene Bubrowski). Hintergrund ist die Kritik der Ministerpräsidenten an der einmaligen Zahlung von 220 Millionen Euro zur Schaffung von zusätzlichen Richterstellen. Nach ihrer Forderung sollten diese früher als bisher geplant ausgezahlt werden. 

Abschiebungen: Die Ministerpräsidenten sprechen sich für erleichterte Abschiebungen von straffällig gewordenen Asylbewerbern aus. Dies berichtet SZ (Constanze von Bullion/Jan Bielicki)Die derzeit gültigen Strafhöhen, die eine Abschiebung erlaubten, müssten abgesenkt werden. Gegenüber Intensivtätern solle darüber hinaus ein lebenslanges Einreiseverbot verhängt werden können. 

Constanze von Bullion (SZ) fordert eine ehrliche Debatte über die Problematik, in der "den Scharfmachern nicht das Feld überlassen" werden dürfe.  

Europäisches Urheberrecht: In einem Gastbeitrag für das Hbl kritisiert der Google-Manager Matt Brittin den Entwurf zum europäischen Urheberrecht. Dieser bezwecke etwa, Plattformen darauf zu verpflichten, jedes einzelne Urheberrecht für die dargebotenen Inhalte zu kennen. Dies sei angesichts der Menge an hochgeladenem Material nahezu unmöglich, weshalb die Plattformen wohl zu pauschalen Sperrungen gezwungen würden.

Migrationspakt: Im Interview mit der Zeit (Heinrich Wefing) erläutert Völkerrechtsprofessor Stefan Talmon den UN-Migrationspakt. Dieser sei nicht rechtlich verbindlich, nur seine tatsächliche Umsetzung durch alle Staaten könne die Bestimmungen zu Völkergewohnheitsrecht werden lassen. Vorzugswürdig sei jedoch eine völkerrechtlich tatsächlich verbindliche Regelung durch einen Vertrag, was aber in der aktuellen politischen Situation nicht möglich sei.

Justiz

BGH zu Schimmelgefahr: Schimmelgefahr in älteren Wohnung berechtigt den Mieter nicht zur Mietminderung. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie u.a. lto.de, FAZ (Hendrik Wieduwilt)SZ (Wolfgang Janisch), taz (Christian Rath), tagesschau.de (Klaus Hempel)community.beck.de (Michael Selk) und Hbl (Matthias Streit) melden. Im betreffenden Fall ging es um Gebäude der Baujahre 1968 und 1971. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Verpflichtung, Gebäude mit einer Wärmedämmung auszustatten, weshalb Wärmebrücken entstehen können, die eine Schimmelgefahr nach sich ziehen. Der Vermieter schulde jedoch lediglich die Einhaltung derjenigen technischen Vorgaben, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes galten. Die fehlende Dämmung und das Risiko von Schimmel könnten daher keinen Mangel darstellen. Das Landgericht Lübeck hatte demgegenüber in erster Instanz noch angenommen, dass es zum "Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens" gehöre, dass keine Schimmelgefahr bestehe. 

EuGH – Bankenaufsicht: Die Landeskreditbank Baden-Württemberg (L-Bank) bleibt voraussichtlich unter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). Dies habe der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof gefordert, meldet lto.de. Die europäische Bankenaufsicht gilt für alle Banken im Euroraum mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Millionen Euro. Die L-Bank argumentiert, wegen ihres unauffälligen Risikoprofils als staatliche Förderbank des Mittelstands und der Kommunen reiche die nationale Aufsicht aus.

GStA Frankfurt/M. – Cum-Ex: Die Deutsche Bank AG hat sich mit der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft geeinigt, die Ermittlungen zur Rolle der Bank bei Cum-Ex-Transaktionen einvernehmlich zu beenden. Dies meldet welt.de (Karin Matussek). Im Rahmen einer Gewinnsabschöpfung habe die Bank vier Millionen Euro gezahlt. Sie war war in die Ermittlungen geraten, weil sie bei den Transaktionen als Depotbank auftrat. 

OLG Köln zu Julian Draxler: Die "Bild"-Zeitung durfte über eine Liebesaffäre des Fußballspielers Julian Draxler berichten. Dies hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, wie lto.de meldet. Allerdings gelte dies nur für die Wortberichterstattung, nicht hingegen für die Veröffentlichung der Fotos von der Yacht des Fußballers, die dokumentierten, wie er eine unbekannte Frau küsste. Das Interesse der Öffentlichkeit an der Art und Weise der Vorbereitung eines Fußballspielers auf ein Länderspiel rechtfertige grundsätzlich die Veröffentlichung. Die Bilder hingegen seien der räumlichen Privatsphäre zuzuordnen, was sich auch daran zeige, dass sie mit einem Teleobjektiv aus mindesten 50 Metern Entfernung gemacht worden seien. 

AG Berlin-Tiergarten zu SPD-Anschlag: Vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten ist ein Mann, der vor einem Jahr mit dem Auto in die SPD-Parteizentrale fuhr, zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Dies meldet spiegel.de. Er habe sich der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie der Sachbeschädigung strafbar gemacht. Der Angeklagte führte aus, er habe mit der Aktion gegen die erzwungene Teilnahme am Mikrozensus protestieren wollen, durch die er sich unter Druck gesetzt gefühlt habe.

AG Kaufbeuren zu Antje Mönning: Über die Verurteilung der Schauspielerin Antje Mönning wegen Belästigung der Allgemeinheit durch das Amtsgericht Kaufbeuren berichtet nun auch die Welt (Gisela Friedrichsen). Es habe sich um eine "absurde Verhandlung" gehandelt. Die Schauspielerin hatte sich auf einem Parkplatz teilweise entblößt und war deshalb zu einer Geldbuße von 300 Euro verurteilt worden.  

Recht in der Welt

Türkei – Khashoggi: Im Fall des getöteten regimekritischen saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi hat der türkische Generalstaatsanwalt Haftbefehle für zwei hochrangige saudi-arabische Funktionäre ausgestellt. Einer von ihnen sei Saud al-Khatani, einer der engsten Berater des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, wie zeit.de und spiegel.de berichten. 

Sonstiges

Legal Tech: Auf der diesjährigen "Legal Evolution"-Messe in Darmstadt haben Justizangehörige und IT-Experten über Digitalisierung an deutschen Gerichten diskutiert. Hierüber berichtet lto.de (Pia Lorenz). Insbesondere ging es um die Einführung der E-Akte und Möglichkeiten der digitalen Kommunikation. Dabei hätten die Justizangehörigen zwar mancherlei Skepsis geäußert, sich aber insgesamt aufgeschlossen gezeigt. 

LLM-Studium: lto.de (Marcel Schneider) berichtet über LL.M.-Programme an US-amerikanischen Law Schools. Dort seien deutsche Juristen derart beliebt, dass die Programme den Eigenarten der deutschen Juristenausbildung angepasst würden. So könnten sie mancherorts in den juristischen Vorbereitungsdienst integriert werden.

Mitarbeiterfotos: Rechtsanwalt Stephan Breckheimer befasst sich auf efarbeitsrecht.de mit den rechtlichen Voraussetzungen für die Anfertigung und Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos auf betrieblichen Weihnachtsfeiern. Grundsätzlich sei eine schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers erforderlich, was jedoch bei einer großen Anzahl von Arbeitnehmern kaum praktikabel sei. Daher sei es ratsam, bereits in der Einladung darauf hinzuweisen, dass bei der Weihnachtsfeier Fotos angefertigt würden, und den Arbeitnehmern die Gelegenheit zum Widerspruch zu geben.

CDU-Parteitag: Angesichts der am Freitag anstehenden Wahl der nächsten CDU-Parteivorsitzenden befassen sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter Jan Keesen und Jacob Ulrich und Rechtsprofessor Emmanuel V. Towfigh auf verfassungsblog.de mit den Grundsätzen der innerparteilichen Demokratie. Nach § 9 Abs. 4 Parteiengesetz (PartG) werde der Vorsitzende vom Parteitag durch Delegierte gewählt. Diese seien nach § 15 Abs. 3 S. 3 PartG an keinerlei Weisungen gebunden. Trotz der Wahlempfehlungen von verschiedenen CDU-Verbänden und -Untergruppen bleibe es daher eine freie Gewissensentscheidung. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau. 

lto/mps

(Hinweis für Journalisten)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. Dezember 2018: "Digitalpakt Schule" wurde verschoben / BGH entschied zu Schimmelrisiko / Vorschläge zu Wahlrechtsänderung . In: Legal Tribune Online, 06.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32557/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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