Die juristische Presseschau vom 19. Oktober 2018: EuGH zu ille­galem File­sha­ring / Ent­schä­di­gung für NS-Kin­der­ver­sch­lep­pung? / DSGVO gilt nicht für Klin­gel­schilder

19.10.2018

Schutz des geistigen Eigentums darf auch bei Schutz der Familie nicht leerlaufen. Außerdem in der Presseschau: Immer noch keine Entschädigung für Opfer der NS-Kinderverschleppung "Lebensborn", Datenschutz verhindert keine Klingelschilder.

Thema des Tages

EuGH zum Filesharing: Der Inhaber eines Internetanschlusses kann sich nicht aus der Haftung für illegales Filesharing befreien, indem er auf andere Familienmitglieder verweist, die auf seinen Anschluss Zugriff haben. SZ (Wolfgang Janisch) und taz (Christian Rath) setzen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Kontrast zur früheren BGH-Rechtsprechung. So habe bis 2017 gegolten, dass der Inhaber eines Internetanschlusses die Verschuldensvermutung dadurch entkräften konnte, dass er andere Personen angab, die Zugriff zu seinem Anschluss hatten. Die Pflicht, genauere Angaben zu diesen Personen zu machen, bestand aus Gründen des Schutzes der Familie dabei nicht bei Familienmitgliedern. 2017 hatte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung jedoch dahingehend korrigiert, dass Eltern selbst haften, wenn sie genau wissen, welches ihrer Kinder die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Der Anwalt Carl Christian Müller sieht auf lto.de dagegen keinen Widerspruch zur früheren BGH-Rechtsprechung. Die Kläger seien leer ausgegangen, weil sich Familienmitglieder widersprachen und der Verursacher damit nicht aufklärbar war.

Rechtspolitik

Sichere Herkunftsstaaten: Im Bundestag wurde ein Gesetzentwurf der FDP zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten mit großer Mehrheit abgelehnt. Die große Koalition setzt auf einen eigenen Gesetzentwurf, in dem auch Georgien erfasst ist. Bisher scheiterten derartige Gesetzentwürfe allerdings im Bundesrat, wo die Grünen zustimmende Voten verhindern können. Wie die FAZ (Helene Bubrowski) berichtet, könnten sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat verändern, wenn nach der Landtagswahl in Hessen dort eine große Koalition gebildet werden sollte.

Forum Recht: Am Donnerstagabend wurde im Bundestag über die Einrichtung eines "Forum Recht" als Zentralstation für rechtsstaatliche Aufklärung abgestimmt. Darüber berichtet nun auch die SZ (Wolfgang Janisch). Er schildert Irritationen der Karlsruher Initiatoren, dass der Bundestag das Projekt enger an sich binden wolle und so das zivilgesellschaftliche Momentum verstaatliche.

Schutz des Wolfes: Wie lto.de berichtet, wollen die Bundesländer Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen im Bundesrat den Antrag stellen, den rechtlichen Schutz des Wolfes zu lockern. So soll insbesondere eine Regelung für Quotenabschüsse in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen werden, wie sie auch das EU-Recht erlaubt. Zudem sollen Nutztierhalter besser unterstützt werden. Grund für den Antrag sind das Anwachsen der Wolf-Bestände sowie die Zunahme von durch Wölfe gerissenen Tieren.

Auslieferung von IS-Terroristen: Die Zeit (Yassin Musharbash/Holger Stark) berichtet am Beispiel eines deutschen Ehepaars, das sich in Syrien dem IS angeschlossen hatte, über die Verhandlungen der Bundesregierung zur Auslieferung von IS-Anhängern mit deutschem Pass, die sich im von den Kurden kontrollierten Norden Syriens aufhalten. Zurzeit seien etwa 120 deutsche IS-Anhänger in kurdischer Gefangenschaft. Dass die Bundesrepublik auf strikter Rechtsstaatlichkeit bestehe und ein formales Auslieferungsverfahren vorsehe, sei insofern problematisch, als es im von den Kurden kontrollierten Gebiet keine staatlichen Ansprechpartner gebe. Geprüft werde nun auch ein Szenario, in dem die IS-Kämpfer von einem Nachbarstaat – der Türkei oder dem Irak – "unbürokratisch" übernommen und von dort dann nach Deutschland ausgeliefert werden.

Justiz

BAG zur Vergütung von Reisezeit: Wie das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch entschied, hat ein Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland schickt, auch Reisezeiten, die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehen, in der Regel zu vergüten. So handele es sich bei der gesamten Dienstreisezeit, also auch bei Hin- und Rückreise, um Arbeitszeit. Dies erläutern der Anwalt Martin Gliewe auf lto.de und spiegel.de (Malte Müller-Michaelis).

OVG NRW – NS-Kinderverschleppung: Die Zeit (Hauke Friederichs) berichtet von den Versuchen eines vom SS-"Lebensborn" als Kind nach Deutschland Verschleppten, eine Entschädigungszahlung vom deutschen Staat zu erhalten. Eine solche wurde dem in Polen geborenen Kläger Hermann Lüdeking bislang verwehrt, da er nach Ansicht der Bundesfinanzdirektion sowie des Verwaltungsgerichts Köln keine Anfeindung "wegen seines Verhaltens oder wegen besonderer Eigenschaften" erlitten habe, wie es die Richtlinien über Härteleistungen an Opfer von NS-Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes verlangten. Der Autor nimmt an, dass die Behörden einen Präzedenzfall vermeiden wollen. Lüdeking setzt das Verfahren nun vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen fort.

BAG  Berufserfahrung: Wie lto.de meldet, hat das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob es unionsrechtskonform sei, dass für die Bemessung der Berufserfahrung nur die Zeit bei einem Arbeitgeber berücksichtigt wird. Klägerin ist eine Lehrerin, die vor ihrem Eintritt in den niedersächsischen Schuldienst in Frankreich unterrichtet hatte. Diese frühere Berufserfahrungszeit hatte das Land Niedersachsen ihr jedoch nicht angerechnet und ihr somit eine Eingruppierung in eine höhere Entgeltstufe versagt.

OLG Köln zum Berliner Testament: In einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss erklärt das Oberlandesgericht Köln, dass die sogenannte Pflichtteilsstrafklausel in einem Berliner Testament einschlägig sein kann, wenn das Kind Auskunft über den Nachlasswert im Erbfall verlangt und in diesem Zusammenhang Geldforderungen geltend macht. Drastische Folge der ausgelösten Strafklausel ist, dass das Kind seine Erbenstellung verliert, wie lto.de berichtet.

"Cum-Ex-Steuerbetrug": Die Zeit (Manuel Daubenberger u.a.), FAZ (Marcus Jung) und spiegel.de berichten von den Ermittlungen gegen die Steuerbetrüger in der Steuervermeidungskonstruktion "Cum-Ex", die den Steuerzahler mehr als 55 Milliarden Euro gekostet habe.

Recht in der Welt

Volksrepublik China –  Abschaffung der Geburtenkontrolle: Aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahl will die chinesische Regierung die Geburtenbegrenzung aufheben. Wie die Zeit (Xifang Yang) berichtet, enthält der Entwurf des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches, das 2020 in Kraft treten soll, keine Regelung zur Familienplanung mehr. Bereits 2015 wurde die 1980 eingeführte Ein-Kind-Politik durch eine Zwei-Kind-Regel abgelöst. Grund für die nun geplante Gesetzesänderung sei zum einen, dass Chinas Geburtenrate – mit im Schnitt 1,3 Kindern pro Frau – heute eine der niedrigsten der Welt sei, und zum anderen, dass ein Männerüberschuss von 30 Millionen bestehe.

USA  Ebay verklagt Amazon: Wie spiegel.de berichtet, klagt Ebay in den USA gegen seinen Konkurrenten Amazon auf Unterlassung und Schadensersatz, da Amazon mit illegalen Mitteln versucht habe, Ebay Verkäufer abzujagen.

Ungarn – Anti-Obdachlosen-Gesetz: Wie taz (Ralf Leonhard) und SZ (Peter Münch) berichten, greift nun das am Montag in Kraft getretene Gesetz, das Obdachlosigkeit in Ungarn unter Strafe stellt. Nachdem es im November 2012 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden war, hat die Regierung nun mit verfassungsändernder Zweidrittelmehrheit im Parlament das Verbot der Obdachlosigkeit in die Verfassung aufnehmen lassen.

Polen – gleichgeschlechtliche Eltern: Die Rechtsanwältin und ehemalige Mitarbeiterin im Büro des polnischen Menschenrechtskommissars Anna Mazurczak berichtet auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) von der rechtlichen Anerkennung eines gleichgeschlechtlichen Elternpaares durch eine Entscheidung des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2018.

Israel – US-Studentin darf einreisen: Wie die FAZ (Jochen Stahnke) und spiegel.de melden, hat das Oberste Gericht in Jerusalem dem Einspruch der US-Studentin Laura Alqasem, der aus politischen Gründen am Flughafen von Tel Aviv die Einreise nach Israel verweigert wurde, stattgegeben. Die Richter bezweifelten, dass die Studentin eine führende Aktivistin des Israel-Boykotts sei.

Sonstiges

DSGVO gilt nicht für Klingelschilder: Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt), SZ (Martin Zips) und spiegel.de berichten, forderte der Eigentümerverband Haus & Grund von der Bundesregierung eine Klarstellung zur Frage, ob Namen an Klingelschildern und Briefkästen einen Verstoß gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) darstellen. Derweil warnt der Verband vor hohen Bußgeldern, die Eigentümern drohen könnten, wenn diese ohne Einwilligung der Mieter deren Namen ausweisen. Anlass war, dass ein Wiener Mieter, der sich in einem solchen Fall auf sein Datenschutzrecht berufen hatte, von der Stadt Recht bekam. Die Stiftung Datenschutz sieht hier unnötiges Schüren von Ängsten. Auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, stellte klar, dass analoge Klingelschilder nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fielen.

Melde-Portale der AfD: Der Rechtsanwalt Klaus Herrmann befasst sich auf lto.de mit der Verfassungswidrigkeit von Online-Portalen der AfD, auf denen Schüler AfD-kritische Aussagen von Lehrern melden sollen. Insbesondere dürften diese auch nicht durch Mittel der Landtagsfraktionen finanziert werden.

Frauenwahlrecht: Die Historikerin Hedwig Richter widmet sich in der Zeit dem 100-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts in Deutschland.

Chancengleichheit im Wahlkampf: Rechtsanwalt Sebastian Roßner schreibt auf verfassungsblog.de über die Chancengleichheit des politischen Wettbewerbs namentlich in Zeiten des Wahlkampfes.

Automobil-Industrie: Die Zeit (Marc Brost) berichtet von den gegenwärtigen politischen und rechtlichen Entwicklungen mit Blick auf die Automobil-Industrie, insbesondere von den geplanten Abgastestverfahren, von der Strafanzeige des Kraftfahrt-Bundesamts gegen Opel oder der diesen Montag erfolgten Durchsuchung der Geschäftsräume von Opel. Sie werden vom VW-Chef als "Feldzug" gegen seine Industrie augefasst

 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lj

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Oktober 2018: EuGH zu illegalem Filesharing / Entschädigung für NS-Kinderverschleppung? / DSGVO gilt nicht für Klingelschilder . In: Legal Tribune Online, 19.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31603/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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