Die juristische Presseschau vom 12. Oktober 2018: Kritik am Geset­z­ent­wurf zum dritten Gesch­lecht / Juli Zeh als Ver­fas­sungs­rich­terin / NSU-Pro­zess kostet 37 Mil­lionen

12.10.2018

Kritik am Gesetzesentwurf zum dritten Geschlecht. Außerdem in der Presseschau: Juli Zeh soll Verfassungsrichterin in Brandenburg werden und die Gerichtskosten für den NSU-Prozess belaufen sich voraussichtlich auf über 37 Millionen Euro.

Tagesthema

Gesetzesentwurf zum dritten Geschlecht: Anlässlich der ersten Lesung im Bundestag übt die SPD-Fraktion Kritik am Gesetzesentwurf zur Änderung des Personenstandsgesetzes, das der Einführung der Geschlechtseintragung "divers" dient. Insbesondere das Erfordernis einer ärztlichen Bestätigung der Transsexualität wird als diskriminierend eingestuft und soll durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder eine Fristenregelung ersetzt werden. Es berichtet lto.de (Hasso Suliak).
Auf verfasungsblog.de wirft die wissenschaftliche Mitarbeiterin Berit Völzmann  die Frage auf, ob Geschlecht überhaupt noch als rechtlich relevante Kategorie gefasst werden sollte.

Rechtspolitik

Wahlrechtsreform: Wie die FAZ (Eckart Lohse) weiß, zieht Wolfgang Schäuble (CDU) als Leiter der Arbeitsgruppe zur Wahlrechtsreform eine Änderung des Wahlrechts erst für die übernächste Bundestagswahl in Betracht. Für die nächste Wahl rechnet der Autor daher mit bis zu 800 Sitzen. Jasper von Altenbockum kritisiert diese Entwicklung im FAZ-Einspruch als antiföderal.

Verfassungsrichterwahl Brandenburg: Wie unter anderem SZ (Jens Schneider)  und FAZ-Einspruch (Constantin von Lijnden) berichten, haben SPD und Linkspartei die Autorin Juli Zeh für das Amt einer Verfassungsrichterin in Brandenburg nominiert. Die Autorin ist promovierte Völkerrechtlerin und sagte, sie freue sich, wenn sie die Chance bekomme "der Demokratie und dem Rechtsstaat als Richterin zu dienen".

BVerfG-Richterwahl: Anlässlich der ausstehenden Nominierung eines Nachfolgers für Bundesverfassungsrichter Ferdinand Kirchhof kritisiert Wolfgang Janisch (SZ)  die laxe Haltung der Politik bei der Richterwahl. Er betont, das Verfahren sei in Ordnung, die Politik müsse jedoch "zu einer tiefen Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Verfassungsgericht zurückfinden" und Richterkandidaten auswählen, die "persönlich integre und kraftvolle Persönlichkeiten" sind.

Bundeskanzler-Amtszeit: Auf verfassungsblog.de spricht sich der Rechtsanwalt Carl Otto Lenz  für eine Begrenzung der Amtszeit für Bundeskanzler auf drei Wahlperioden aus und begründet dies mit Beobachtungen in der Vergangenheit. Bei Kanzlern, die eine dritte oder vierte Amtszeit angetreten hätten, sei der "Höhepunkt vorher überschritten" gewesen.

DJT – Strafrechtsreformen: Auf lawblog.de fasst der wissenschaftliche Mitarbeiter André Bohn die Beschlüsse des Deutschen Juristentags im Bereich Strafrecht zusammen. Er stellt dabei insbesondere die Beschlüsse zu Sentencing-Guidelines, zur Abschaffung unbenannter schwerer Fälle und zu anderen Reformen im Bereich der Strafzumessung vor und begrüßt diese als "interessante und gute Vorschläge".

Justiz

BGH – Uber: Im Verfahren gegen den US-Fahrdienstleister Uber deutet sich an, dass auch dessen Limousinenservice "Uber – Black" vermutlich gegen das Personenförderungsgesetz verstößt, wie lto.de  und spiegel.de melden.

BVerfG zu Internetknotenüberwachung: Nachdem der Internetknotenbetreiber De-Cix mit seiner Klage gegen die Überwachung von Verbindungsdaten durch den Bundesnachrichtendienst im Mai vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert ist, hat er nun Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben und wiederum die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses derjenigen gerügt, auf die sich die gespeicherten Daten beziehen. Es berichten unter anderem spiegel.de und FAZ-Einspruch (Marlene Grunert).

BGH zu Adblocker-Verfahren: In einem Gastbeitrag für lto.de stellt der Rechtsanwalt David Ziegelmayer die nun ergangene Begründung des Bundesgerichtshofs zu dem im April erlassenen Urteil zu Werbeblockern dar. Darin entschied das Gericht, dass Software, die die Anzeige von Werbung unterdrückt, nicht wettbewerbswidrig ist. Ziegelmayer zeigt auf, wie die Verlage bisher versuchten juristisch gegen Werbeblocker vorzugehen und welche Strategien sie wohl in Zukunft einschlagen werden. Deren Erfolgsaussichten werden von ihm jedoch eher zurückhaltend bewertet.

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zu Siemensermittlungen: Die SZ (Christoph Giesen/Klaus Ott/Nicolas Richter) berichtet über die Einstellung von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Siemens-Konzern wegen womöglich in China getätigter Schmiergeldzahlungen und bemängelt, dass sich die Ermittler zu sehr auf interne Ermittlungsergebnisse von Siemens verließen . Die SZ (Christoph Giesen, Klaus Ott, Nicolas Richter) meldet außerdem, dass es Hinweise auf weitere Schmiergeldzahlungen im Siemens China-Geschäft gibt.

Recht in der Welt

USA – Glyphosatverfahren: Ein Berufungsgericht in Kalifornien hat in Aussicht gestellt, dass es die Klage eines Krebspatienten gegen Bayer neu aufrollen wird, der für seine Erkrankung das von Bayer hergestellte Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat verantwortlich macht. Das Urteil, mit dem der Bayer-Konzern zu einer Schadensersatzzahlung von 289 Millionen Euro verurteilt wurde, wird damit aufgehoben, wie FAZ (Grigitte Koch/Roland Lindner), SZ (Benedikt Müller) und Welt (Bert Frödhoff) berichten.

Griechenland – Reparationsansprüche: Anlässlich des Staatsbesuchs von Bundespräsident Steinmeier in Griechenland mahnt die griechische Regierung erneut an, dass aus ihrer Sicht noch offene Reparationsforderungen gegen Deutschland bestehen, die sich insbesondere aus einem damals an Deutschland gezahlten Zwangskredit und aus Kriegsschäden ergeben, wie die taz (Janis Papadimitriou)  meldet. Marina Kormbaki (FR) appelliert, dass Berlin zumindest im Falle des Zwangskredits Verhandlungsbereitschaft zeigen sollte.

Frankreich – Verfahren gegen TÜV-Rheinland: Das französische Kassationsgericht hat ein Urteil aufgehoben, das 2015 Schadensersatzklagen gegen den TÜV-Rheinland wegen mangelhafter Brustimplantate abwies. Das Verfahren wird nun neu aufgerollt, wobei fraglich ist, ob das Gericht eine Haftung des Unternehmens wegen unzureichender Überwachung des Herstellers annehmen wird, wie lto.de  und zeit.de melden.

Italien - Namensänderung von Transsexuellen: Wegen unangemessen langer Wartezeit einer transsexuellen Person auf die offizielle Änderung ihres Vornamens nach einer geschlechtsändernden Operation hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Italien verurteilt. Die Klägerin hatte zweieinhalb Jahre auf die Änderung ihres Vornamens gewartet, wie lto.de berichtet.

Iran – amerikanische Sanktionen: Auf verfassungsblog.de kommentiert Rechtsprofessor Ebrahim Afsah  (in englischer Sprache) das letzte Woche ergangene Urteil des Internationalen Gerichtshofs, in dem dieser die USA verpflichtete, die Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. Er ordnet das Urteil in die  Rechtsprechungsgeschichte ein und stellt in Frage, inwiefern es tatsächlich die Position des Irans stärken wird.

Sonstiges

Kosten NSU-Prozess: Nach gestern veröffentlichten Angaben des Oberlandesgerichts München hat der im Sommer nach fünf Jahren beendete NSU-Prozess etwa 37 Millionen Euro Gerichtskosten verursacht. Wie lto.de, zeit.de und FAZ (Karin Truscheit) berichten, begründete der Präsident des OLG, Peter Küspert, die hohen Kosten mit dem Verfahrensaufwand, den er für gerechtfertigt hält. Zur Verfahrensbeschleunigung spricht er sich jedoch dafür aus, Nebenklägergruppen zu bilden und Möglichkeiten zu schaffen, um trotz offener Befangenheitsanträge weiterverhandeln zu können.

(Richtig-)Stellung der LTO zu VW-Urteil: Wie lto.de (Pia Lorenz) berichtet, wurde die Redaktion der Legal Tribune Online von Volkswagen aufgefordert, ihren Bericht von Mittwoch, wonach ein Urteil gegen VW vor dem Landgericht Heilbronn im Rahmen des Abgasskandals rechtskräftig geworden ist, zu berichtigen. Lto.de stellt dar, warum es sich aus ihrer Sicht um ein rechtskräftiges Feststellungsurteil handelt und eine Richtigstellung daher nicht erforderlich ist.

Normenkontrollrat zu Digitalisierung und Bürokratieabbau: Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet, hat der Normenkontrollrat der Bundeskanzlerin seinen Jahresbericht überreicht. Darin werden Fortschritte im Bürokratieabbau gelobt, Rückstände in Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung jedoch angemahnt. Die Welt (Nikolaus Doll) untersucht, warum die Digitalisierung von Behördenanfragen immer wieder stockt.

Verletzung der Medienfreiheit durch BfV: Auf juwiss.de befasst sich der wissenschaftliche Mitarbeiter Frederik Ferreau mit der Praxis des Bundesamts für Verfassungsschutz, Behörden, Presseorgane und Rundfunkanstalten per Anwaltsschreiben um die Korrektur ihrer Berichterstattung zu bitten und sieht hierin einen in der Regel ungerechtfertigten Eingriff in die Medienfreiheit.

Kolonialverbrechen: Die SZ (Jörg Häntzsche/Andreas Zielcke) interviewt den Anwalt Wolfgang Kaleck, der die Nachfahren getöteter Herrero bei der Durchsetzungen ihrer Forderungen nach Reputationszahlungen und der juristischen Anerkennung des Völkermords juristisch unterstützt. Er lotet dabei unter anderem die Bedeutung der Radbruch‘schen Formel für die Ansprüche auf Rückgabe von Kulturgütern aus.

Päpstlicher Auftragsmord: Wie unter anderem spiegel.de berichtet, hat Papst Franziskus die Inanspruchnahme eines Abtreibungsarztes mit Auftragsmord verglichen, was Familienministerin Giffey (SPD) als inakzeptable Beleidigung bezeichnete. Im FAZ-Einspruch kommentiert Christian Geyer die Äußerung des Papstes und untersucht, inwiefern hier rechtliche und moralische Bewertungen miteinander verwoben werden.

Sonstiges

Hail Mary im Insolvenzverfahren: Trotz laufendem Insolvenzverfahren ist Frankfurt Universe am Wochenende deutscher Football-Meister geworden. Der Insolvenzverwalter verteidigt seine Entscheidung, das Team weiterspielen zu lassen als "Möglichkeit, eine Quote an die Insolvenzverwalter zu zahlen". Die 800 bereits verkauften Dauerkarten für die nächste Saison bleiben aber dennoch nichtig.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/asp

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. Oktober 2018: Kritik am Gesetzentwurf zum dritten Geschlecht / Juli Zeh als Verfassungsrichterin / NSU-Prozess kostet 37 Millionen . In: Legal Tribune Online, 12.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31483/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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