Die juristische Presseschau vom 9. Oktober 2018: Buch von "Knall­hart-Richter" / Frau­en­quote in Bun­des­re­gie­rung / Her­degen gegen Merkel

09.10.2018

Der Zwickauer Amtsrichter Zantke schrieb ein Buch über die milde Justiz. Außerdem in der Presseschau: Justizministerin will mehr Frauen in Ministeriums-Führungspositionen, Rechtsprofessor Matthias Herdegen will CDU-Vorsitzender werden.

Thema des Tages

"Knallhart-Richter" schrieb ein Buch: Richter Stephan Zantke vom Amtsgericht Zwickau schrieb ein Buch über die Justiz. Titel: "Wenn Deutschland so Scheiße ist, warum sind Sie dann hier." Mit dieser Frage an einen kriminellen Libyer, der über "Scheiß-Deutsche" geschimpft hatte, war Zantke 2017 bekannt geworden. In seinem Buch kritisiert er laut focus.de: "Die Landgerichte lassen eine teilweise nicht nachvollziehbare Milde walten", indem sie konsequente Urteile der Amtsgerichte aufheben. Das lasse die Menschen den Glauben an die Gerechtigkeit verlieren. Er selbst sei nicht bereit, "einem Straftäter, der mehrfach unter Bewährung stand, erneut eine Bewährungschance einzuräumen – denn die hatte er ja schon." Außerdem kritisierte Zantke den Sparzwang in der Justiz.

Rechtspolitik

Frauenquote in der Bundesregierung: Justizministerin Katarina Barley (SPD) drängt darauf, dass die Bundesregierung rasch ein Gesetz vorlegt, mit dem festgelegt werden soll, dass Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst bis zum Jahr 2025 zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt werden sollen, berichtet zeit.de. zeit.de hatte den Frauenanteil in jedem Ministerium für Führungspositionen ab der Unterabteilungsleitung berechnet. Im Landwirtschaftsministerium lag der Frauenanteil bei 11 Prozent, im Auswärtigen Amt  bei 13 Prozent. An der Spitze lag das Familienministerium mit 70 Prozent. Das Justizministerium kam auf rund 40 Prozent.

ESM-Reform: Das Hbl (Martin Greive) berichtet über ein Gutachten des Rechtsprofessors Frank Schorkopf im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion. Danach wäre für die Zustimmung zum Umbau des ESM-Fonds ("Euro-Rettungsschirm") in einen Europäischen Währungsfonds eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erforderlich. Begründung: Da es um eine "Letztsicherung" gegen Schulden- und Banken-Krisen gehe, sei das "demokratische Selbstbestimmungsrecht der Bundesrepublik" berührt. Schorkopf legt dabei Art. 23 Grundgesetz aus.

Pakt für den Rechtsstaat: Nun beschreibt auch das HBl (Heike Anger) den Stillstand beim "Pakt für den Rechtsstaat", mit dem 2.000 zusätzliche Richterstellen geschaffen werden sollen. Die Länder warten dringend auf finanzielle Zusagen des Bundes. Als nächste Gelegenheit gilt die Ministerpräsidentenkonferenz am 5. Dezember.

Versammlungsrecht Thüringen: Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) prüft die Einrichtung einer zentralen Versammlungsbehörde, nachdem zuletzt mehrere Verbote und Auflagen für Rechtsrock-Konzerte vor Gericht scheiterten. "Alle Versammlungen ab einer bestimmten Größenordnung und Relevanz müssten dann dort angemeldet werden", so Meier, laut lto.de. Die Zentralisierung soll die Qualität der Verwaltungsakte verbessern. Bisher sind die Landkreise als Versammlungsbehörde zuständig.

Steuerberatertag: Harald Elster, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes, kritisierte die EU-Kommission, die mehr Respekt vor den freien Berufen zeigen solle. Die Kommission hatte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das deutsche Steuerberatungsgesetz eingeleitet, in dem bestimmte Tätigkeiten nur Steuerberatern erlaubt werden. Zudem würde es die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern Steuerfachangestellten erlauben, straffrei Mandantengeheimnisse preiszugeben, wenn sie einen Rechtsverstoß wahrnehmen. Außerdem kritisierte Elster die auf EU-Ebene bereits beschlossene Anzeigepflicht für inländische Steuersparmodelle. Die Regeln seien unklar. Es berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt).

Justiz

BGH zu Kind aus US-Leihmutterschaft: Ein Ehepaar aus Deutschland, das durch eine US-Leihmutter Zwillinge austragen ließ und in den USA per Gerichtsentscheidung als Eltern anerkannt wurde, muss auch in Deutschland als Eltern ins Geburtenregister eingetragen werden. Das US-Urteil sei zum Wohle des Kindes auch in Deutschland anzuerkennen, so der Bundesgerichtshof in einem jetzt veröffentlichten Beschluss aus dem September, so lto.de. Der BGH bestätigte ein eigenes Grundsatzurteil von 2014 und wies die Gegenansicht des OLG Braunschweig zurück, ein Kind brauche keine rechtlichen Eltern, sondern nur ein stabiles soziales Umfeld.

BFH zu Sozialversicherung der Kinder als Sonderausgaben: Eltern, die ihren in Ausbildung befindlichen Kindern noch unterhaltspflichtig sind, können deren Sozialversicherungsbeiträge als Sonderausgaben geltend machen. Das gelte grundsätzlich auch für die vom Arbeitgeber einbehaltenen Beiträge, entschied der Bundesfinanzhof laut lto.de aber nur wenn die Eltern die Beiträge dem Kind erstatten. Naturalunterhalt durch Kost und Logis genüge nicht.

LG Wuppertal zu jugendlicher Gruppenvergewaltigung: Sechs Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren wurden wegen der Gruppenvergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens in Velbert vom Landgericht Wuppertal verurteilt. Vier Jugendliche erhielten Haftstrafen. Der nicht geständige 15jährige Haupttäter erhielt eine Jugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten, ein zweiter (geständiger) 14-jähriger Haupttäter erhielt eine Jugendstrafe von vier Jahren. Ein Anwalt erklärt auf focus.de das Strafmaß.

AG München zu "Rekordkiffer": Das Amtsgericht München hat einen 59-Jährigen nur zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt, obwohl bei ihm sechs Kilogramm Cannabis gefunden wurden. Nach Untersuchung durch einen Sachverständigen hielt es das Gericht für möglich, dass der Mann tatsächlich einen Eigenbedarf von 500 Gramm Cannabis pro Monat hatte, berichtet die FAZ (Constantin van Lijnden).

EGMR zu Kopftuch im Gericht: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Shino Ibold stellt auf verfassungsblog.de ein Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus dem September vor. Danach durfte einer Muslimin, die in Belgien als Nebenklägerin an einem Prozess teilnahm, das Tragen eines Kopftuchs nicht verboten werden.

OVG Münster zum Hambacher Forst: Reinhard Müller (FAZ) kommentiert den Beschluss des Oberverwaltungsgericht Münster, das vorige Woche einen vorläufigen Rodungsstopp für den Hambacher Forst angeordnet hatte. "Diese Eilentscheidung darf kritisiert, sie muss aber akzeptiert werden", so Müller. Der Beschluss sei aber "kein Freibrief für illegales Handeln", etwa den Bau neuer Baumhäuser.

OLG Düsseldorf  deutscher Taliban: Am Oberlandesgericht Düsseldorf beginnt am 19. Oktober der Prozess gegen Thomas K., der in Afghanistan als Mitglied der Taliban gekämpft haben soll. Ihm wird Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und versuchter gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen. Die Anklage beruht vor allem auf Geständnissen des Angeklagten, berichtet focus.de (Axel Spilcker) und zeichnet dessen Leben nach.

StA München II  Audi: Die Staatsanwaltschaft München II hat ein neues Ermittlungsverfahren wegen Betrugs gegen drei Audi-Mitarbeiter (darunter keine Vorstandsmitglieder) eingeleitet, berichtet nun auch die FAZ (Henning Peitsmeier). Audi soll in Südkorea Fahrgestellnummern und Testberichte gefälscht haben, weil gesetzliche Vorgaben nicht eingehalten werden konnten.

Recht in der Welt

Spanien  Urteil zu Kindsraub: Das Provinzgericht Madrid hat einen Arzt freigesprochen, der während der Franco-Diktatur daran beteiligt war, republikanischen Eltern und ledigen Müttern die neugeborenen Kinder wegzunehmen und sie regimetreuen Eltern zu geben. Die Taten seien erwiesen, aber verjährt. Das Urteil gelte wegen der tatsächlichen Feststellungen dennoch als Meilenstein, berichten FAZ (Hans-Christian Rößler) und taz (Reiner Wandler).

Frankreich  Prozess gegen UBS: Im Pariser Justizpalast hat der Prozess gegen die Schweizer Bank UBS und sechs ehemalige UBS-Bank-Manager begonnen. Ihnen wird vor allem Geldwäsche im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung französischer Kunden vorgeworfen. Der Schaden soll bis zu zehn Milliarden Euro betragen haben. Es berichten FAZ (Christian Schubert) und spiegel.de.

Griechenland  Asylanwalt: spiegel.de (Giorgos Christides/Maximilian Popp) portraitiert den ehemaligen griechischen Wirtschaftsanwalt Emmanuel Chatzihalkias, der sich heute fast nur noch um die Verfahren von Flüchtlingen kümmert, die auf der Insel Lesbos festsitzen.

EuGH  Brexit: Der britische Rechtsprofessor Kenneth Armstrong stellt auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) das Vorabentscheidungsersuchen eines schottischen Gerichts an den Europäischen Gerichtshof vor. Das Gericht will wissen, ob Großbritannien den Austritt aus der EU rückgängig machen könnte. Mit einer Antwort des EuGH wird um Weihnachten gerechnet.

Großbritannien  Lady Chatterly: Die FAZ (Gina Thomas) erinnert an den Obszönitätsprozess um den Roman "Lady Chatterley’s Lover" am Londoner Strafgericht im Oktober 1960. Das Urteil zugunsten des Penguin-Verlags gilt als Sieg der Literatur über die Zensur und als Erfolg bei der Enttabuisierung von Sexualität. Anlass der Darstellung ist die Versteigerung des Leseexemplars des Richters für 15.000 Euro.

Sonstiges

Herdegen gegen Merkel: Der Bonner Staats- und Völkerrechtler Matthias Herdegen will auf dem CDU-Parteitag im Dezember gegen Angela Merkel um den Parteivorsitz kandidieren. Er gilt als Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik und wird von lto.de (Hasso Suliak) vorgestellt.

Das Letzte zum Schluss

SG Berlin fällt auf "urban legend" herein: Vor dem Sozialgericht Berlin klagte ein Schüler auf Aufstockung seines Schüler-BAföGs, da dies wegen der hohen Miete nicht zum Lebensunterhalt reiche. Das Sozialgericht schlägt ihm vor, er könne ja Teile seiner Wohnung untervermieten, heutzutage würden ja bereits "Schlafplätze in einem Zelt auf einem Küchenbalkon in einer Studenten-WG für 260 Euro im Monat inseriert". Die SZ (Franz Himpsl/Anja Zeltner) weist allerdings nach, dass die Geschichte vom untervermieteten Zeltbalkon ursprünglich eine wohl nicht ernst gemeinte Schnapsidee eines Kunststudenten war und dann immer weiter ausgeschmückt wurde.


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lto/chr

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. Oktober 2018: Buch von "Knallhart-Richter" / Frauenquote in Bundesregierung / Herdegen gegen Merkel . In: Legal Tribune Online, 09.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31377/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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