Die juristische Presseschau vom 21. August 2018: FDPler klagen gegen Staats­tro­janer / BVerwG erlaubt ED-Behand­lung / Kon­f­likt um Düs­sel­dorfer Luft­r­ein­hal­te­plan

21.08.2018

Neue Verfassungsbeschwerden gegen den Trojaner-Einsatz zur Strafverfolgung. Außerdem in der Presseschau: BVerwG ist großzügig bei erkennungsdienstlicher Behandlung, VG Düsseldorf muss über Zwangsgeld gegen NRW entscheiden.

Thema des Tages

BVerfG  Straatstrojaner: Nun haben auch FDP-Politiker eine Verfassungsbeschwerde gegen die Nutzung von Spähsoftware (Trojaner) für die Strafverfolgung erhoben. Konkret geht es um die Einführung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung in § 100a Strafprozessordnung (StPO) und der Online-Durchsuchung in § 100b StPO im Sommer 2017. Die FDP-Politiker halten die neuen Befugnisse nicht generell für verfassungswidrig, wollen sie aber auf die Aufklärung schwerster Straftaten beschränken. Im Interview mit lto.de (Markus Sehl) stellt der Prozessvertreter der Kläger, der Anwalt Nikolaos Gazeas, die juristische Argumentation vor. Über die Pressekonferenz der FDP-Politiker berichtet auch die SZ (Constanze von Bullion). Die FAZ (Johannes Leithäusser) kontrastiert die Verfassungsklage mit der von FDP-Politikern verantworteten und gebilligten rechtswidrigen Abschiebung des Tunesiers Sami A.

Jost Müller-Neuhoff (Tsp) wünscht den Klägern einen Teilerfolg. "Nicht, weil die in Smartphones eingeschleuste Spähsoftware jene Fundamentalbedrohung der Bürgerfreiheit darstellt, als die sie oft geschildert wird. Sondern weil das richtige Maß bei der Kriminalitätsbekämpfung im Digitalzeitalter erst noch gefunden werden muss." Vor Gericht müsse jetzt die Feinarbeit gemacht werden, für die sich der Bundestag im vergangenen Jahr keine Zeit nehmen wollte.

Rechtspolitik

Online-Gerichtsverfahren: Der zpo-blog (Benedikt Windau) erläutert den Hintergrund von Meldungen, wonach Hamburg plane, dass Bürger über eine Eingabemaske eine Klage bei einem Streitwert von unter 1.000 Euro in einem vereinfachten Zivilverfahren online einbringen können. Dies sei bisher nur eine Initiative, die von Hamburg bei der Justizministerkonferenz eingebracht wurde. Einem Pilotprojekt stehe noch die Zivilprozessordnung (ZPO) entgegen. Der Autor hält es auch nicht für sinnvoll, Bürger zu ermutigen, Zivilprozesse ohne Anwälte zu führen.

Algorithmen: Das Hbl (Dietmar Neuerer) beschreibt, wie Justizministerin Katarina Barley (SPD) eine gesetzliche Regelung von Algorithmen im Geschäftsleben vorbereitet. Ziel sei, dass diese nicht diskriminieren und transparenter als bisher sein sollen. Es kommen vor allem kritische Stimmen zu Wort, die ein Gesetz für nicht praktikabel halten und eine Hemmung der Digitalisierung befürchten.

Unternehmensstrafrecht: In einem Gastbeitrag für das Hbl lehnt Brun-Hagen Hennerkes von der Stiftung Familienunterehmen die im Koalitionsvertrag vorgesehene Einführung von neuen Sanktionen gegen Unternehmen ab. Es genügten die Bestrafung von Einzelpersonen sowie Bußgelder von 10 Mio. Euro (plus Gewinnabschöpfung) gegen Unternehmen. Die geplante Pflicht, Sanktionen zu veröffentlichen, stelle Unternehmen an den Pranger und treffe bei Familienunternehmen auch Namensinhaber, die gar nicht an der Geschäftsführung beteiligt seien.

Justiz

BVerwG zu ED-Behandlung: Auch nach Wegfall der eigentlichen Beschuldigteneigenschaft kann die Polizei erkennungsdienstliche (ED) Maßnahmen nach der Strafprozessordnung durchführen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einem jetzt veröffentlichten Urteil aus dem Juni entschieden, über das lto.de (Maximilian Amos) berichtet. Danach ist eine ED-Behandlung wie die Abnahme von Fingerabdrücken gesetzlich zwar nur bei Beschuldigten möglich, der Begriff des "Beschuldigten" sei aber weit auszulegen und gelte auch nach der Anklage-Erhebung, ja sogar nach der Verurteilung.

OLG Hamburg verurteilt IS-Mitglied: Ein Tschetschene wurde vom Oberlandesgericht Hamburg wegen Mitgliedschaft im sogenannten Islamischen Staat (IS) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren zwei Monaten verurteilt. Er war auf Fotos eines IS-Konvois in Syrien identifiziert worden, meldet die SZ.

OLG Celle verurteilt IS-Anwerber: Das Oberlandesgericht Celle verurteilte einen zur Tatzeit Heranwachsenden wegen Anwerbung von IS-Kämpfern zu einer Jugendstrafe auf Bewährung. Der Angeklagte hatte eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet und Interessenten zu ihr hinzugefügt. An der Gruppe nahmen auch IS-Kämpfer teil. Es berichtet lto.de (Markus Sehl).

BAG zur Kündigung wegen Kurzerkrankungen: Wenn ein Beschäftigter nach § 34 Abs. 2 Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst ordentlich unkündbar ist, weil er über 40 Jahre alt ist und mehr als 15 Jahre im Betrieb beschäftigt ist, kann er gleichwohl wegen einer Vielzahl von Kurzzeiterkrankungen gekündigt werden, entschied das Bundesarbeitsgericht im April. Voraussetzung ist eine Prognose, dass der Arbeitgeber für mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird leisten müssen. Das Urteil wird von community.beck.de (Christian Rolfs) vorgestellt.

LAG Nürnberg zu Turboprämien: Der Anwalt Hans-Peter Löw stellt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom Januar vor. Danach sind Turboprämien auch dann nicht zu beanstanden, wenn ihre Höhe der Abfindung aus dem Sozialplan entspricht. Eine sogenannte Turboprämie wird vom Arbeitgeber an Beschäftigte bezahlt, die den Sozialplan akzeptieren und nicht gegen ihre Kündigung klagen.

VG Düsseldorf  Luftreinhalteplan: Am heutigen Dienstag verhandelt das Verwaltungsgericht Düsseldorf über einen Antrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH), gegen das Land NRW ein Zwangsgeld zu verhängen, weil bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Düsseldorf keine Diesel-Fahrverbote vorgesehen sind. Die Düsseldorfer Bezirksregierung hält Fahrverbote, von denen 120.000 Diesel-Fahrer betroffen wären, für unverhältnismäßig, wenn dadurch der gesetzliche Grenzwert nur zwei bis drei Jahre früher als nach dem beschlossenen Plan eingehalten werden, nämlich schon 2022 statt 2024 und 2025, so die SZ (Christian Wernicke).

LG Berlin  EC-Karten: Am 18. September wird das Landgericht Berlin über eine Klage der Tankstellenkette Jet gegen die deutsche Kreditwirtschaft verhandeln. Die Banken sollen durch ihr kartellartiges Vorgehen über viele Jahre überhöhte Gebühren beim Zahlen mit Electronic-Cash-Karten kassiert haben. Das Kartellamt hat zwar keinen Kartellverstoß festgestellt, in einem Verwaltungsverfahren aber eine Änderung der Praxis erreicht. Vertreten wird Jet von der prominenten US-amerikanischen Kanzlei Hausfeld. Das Hbl (Frank M. Drost) stellt den Rechtsstreit ausführlich dar. Es sei das erste Mal, dass eine Schadensersatzklage auf ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren gestützt werde.

Recht in der Welt

Großbritannien  verstaatlichtes Gefängnis: In Großbritannien wurde erstmals ein privatisiertes Gefängnis wieder unter staatliche Verwaltung gestellt, berichtet zeit.de. Grund waren Berichte über Gewalt, Drogen und Kontrollverlust des Personals in einer Strafvollzugsanstalt in Birmingham. Binnen sechs Monaten soll entschieden werden, wie es mit dem Gefängnis weitergeht. Derzeit werden 17 von 123 britischen Gefängnissen von privaten Unternehmen geführt.

Sonstiges

beA: Das besondere elektronische Anwaltspostfach wird am 3. September 2018 wieder freigeschaltet, berichtet lto.de (Pia Lorenz). Ein Gutachten bestätigte, dass die "betriebsverhindernden" Schwachstellen beseitigt wurden. Die lediglich "betriebsbehindernden" Schwachstellen sollen betriebsbegleitend beseitigt werden. Ab dem 3. September gelte für Anwälte dann die gesetzliche Nutzungspflicht. Das Justizministerium habe es abgelehnt, eine Testphase zu ermöglichen.

Abschiebung Sami A.: In einem Portrait von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) regt die FAZ (Reiner Burger) an, dass sich Laschet für die rechtswidrige Abschiebung entschuldigen solle, statt weiter seine Meinung über die Auffassung der Gerichte zu stellen.

Kirchenasyl: Nun stellt auch die Welt (Matthias Kamann) die neuen Regeln fürs Kirchenasyl dar, die Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) per Erlass zum 1. August eingeführt hat. Danach verlängert sich in Dublin-Fällen die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate u.a. dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keinen Härtefall erkennen kann. Der Schutzsuchende muss dann 18 Monate im Kirchenasyl bleiben, bevor Deutschland nach den Dublin-Regeln für den Fall zuständig wird.

Asylverfahren und Technik: Anna Biselli (netzpolitik.org) kritisiert, dass Sprachsoftware zur Dialekt- und Herkunftserkennung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in 20 Prozent der Fälle falsche Ergebnisse liefere. Schlecht geschulte Mitarbeiter vertrauten der Software zu sehr und lehnten Asylanträge als unglaubwürdig ab, auch wenn nur eine fehlerhafte Software-Analyse zugrunde liege.

Korruption und Datenschutz: Die Beratungsgesellschaft Alixpartners warnt laut FAZ (Hendrik Wieduwilt), dass die EU-Datenschutzgrundverordnung die präventive Bekämpfung von Korruption in Unternehmen erschwere. Eigentlich sollten Unternehmen ihre Geschäftspartner überprüfen, doch das Datenschutzrecht erschwere die Verknüpfung personenbezogener Daten aus unterschiedlichen Quellen.

Drittes Geschlecht: In einem Gastbeitrag für die FAZ lehnt der emeritierte Linguistik-Professor Peter Eisenberg verbindliche Grammatikregeln für Personen eines dritten Geschlechts ab. So sei etwa der neutrale Artikel "das" in diesem Zusammenhang ungeeignet. Eisenberg kritisiert dabei nicht näher beschriebene Pläne der Berliner Verwaltung.

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lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. August 2018: FDPler klagen gegen Staatstrojaner / BVerwG erlaubt ED-Behandlung / Konflikt um Düsseldorfer Luftreinhalteplan . In: Legal Tribune Online, 21.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30445/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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