Die juristische Presseschau vom 25. Mai 2018: Stichtag DSGVO / Kein Haft­be­fehl für IS-Rück­keh­rerin / BVerwG zu mobilen Hal­te­ver­boten

25.05.2018

Ab heute ist die DSGVO europaweit anwendbar. Außerdem in der Presseschau: Der BGH lehnt Haftbefehl für IS-Rückkehrerin ab, das BVerwG urteilt zu mobilen Halteverboten und Irland stimmt über Abtreibungsverbot ab.

Thema des Tages

DSGVO: Die ab dem heutigen Freitag europaweit anwendbare Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sorgt bis zuletzt für Kontroversen. Die Mittelstandsvereinigung der Union (MIT) befürchtet nach Meldung von spiegel.de (Florian Gathmann) Abmahnungswellen und hat die Bundesregierung nachdrücklich zum Handeln aufgefordert. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) begrüßt demgegenüber die DSGVO im Interview mit spiegel.de (Patrick Beuth/Christian Teevs) als einen "gewaltigen Fortschritt für die Selbstbestimmung und Privatsphäre von Millionen Europäern" und verspricht, gegen etwaige Abmahnungswellen vorzugehen.

Internet-law.de (Thomas Stadler) untersucht die Auswirkungen der DSGVO für Blogger und Webseitenbetreiber und hält sowohl Begeisterung als auch Panik für unangebracht. Es handele sich schlicht um ein "wenig innovatives Update des bekannten Datenschutzkonzepts, gekoppelt an etwas mehr Bürokratie". Nach Ansicht von Simon Strauss (FAZ) läutet die DSGVO hingegen eine Befreiung ein. Die Zeit des "ungezügelten Raubbaus an intimen Personalien" sei vorbei. Jetzt seien wieder "die Kunden König".

Die SZ (Christina Hertel) berichtet anhand von Beispielen über die Unsicherheit von Vereinen, kleineren Betrieben und Verbänden angesichts der neuen Rechtslage. Die taz (Tanja Tricarico) lässt besorgte Blogger und Online-Unternehmer sowie Politiker zu Wort kommen. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) porträtiert anlässlich des DSGVO-Stichtages die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU).

Rechtspolitik

BKA-Gesetz: Die SZ (Ronen Steinke) stellt ausführlich das neue Bundeskriminalamtsgesetz (BKA-Gesetz) vor, das heute in Kraft tritt. Das BKA kann sich fortan stärker an Aufgaben beteiligen, die bislang Ländersache waren. Bereits im vergangenen Sommer wurden zudem frühzeitigere und schärfere Eingriffsmöglichkeiten gegen sogenannte Gefährder in Kraft gesetzt. Datenschützer kritisieren darüber hinaus die vorgesehene wesentlich umfassendere Verknüpfung von Datenmaterial.

Bayerisches PAG: Am heutigen Freitag tritt auch die umstrittene Novelle des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in Kraft. Die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen üben weiterhin scharfe Kritik an der Ausweitung der Eingriffsbefugnisse und wollen vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz vorgehen, so lto.de.

Whistleblower: Im Interview mit zeit.de (Götz Hamann) erläutert die EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Věra Jourová, ihre Pläne zum besseren Schutz von Whistleblowern auf europäischer Ebene. Sie plädiert für eine Richtlinie zur Vereinheitlichung der Schutzvorschriften, will das Risiko von Schadensersatzklagen abmildern und eine Beweislastumkehr bei Kündigungen erreichen.

EU – Rechtsstaatlichkeit: Bei einem Treffen der Europäischen Richtervereinigung am Donnerstag in Berlin hat Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) laut Tagesspiegel (Jost-Müller-Neuhof) eine "Kampagne für den Rechtsstaat" gefordert. Dabei zog sie eine Verknüpfung der Vergabe von EU-Fördermitteln mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards in Betracht. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Jens Gnisa, sprach sich für die klare Definition der richterlichen Unabhängigkeit in Artikel 2 des EU-Vertrags aus.

Justiz

BGH zu Haftbefehl gegen IS-Rückkehrerin: Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat einen Haftbefehl gegen die deutsche Islamistin Sibel H., die sich dem sogenannten Islamischen Staat (IS) angeschlossen hatte, endgültig abgelehnt. Die Beteiligung am "Alltagsleben im Herrschaftsgebiet" reiche zur Annahme einer IS-Mitgliedschaft nicht aus. Hierfür bedürfe es vielmehr konkreter Unterstützungs- und Kampfhandlungen. Die Bundesanwaltschaft hatte hingegen unlängst ein härteres Vorgehen in derartigen Fällen angekündigt und auf einen Präzedenzfall gehofft. So argumentierte Generalbundesanwalt Peter Frank, dass Frauen die Terrorvereinigung durch das Gebären von Kindern sowie deren Erziehung von "innen heraus stärkten". Es berichten SZ (Georg Mascolo) und spiegel.de (Fidelius Schmid).

BVerwG zu mobilen Halteverboten: Halter eines Pkw müssen laut Bundesverwaltungsgericht die Kosten für das Abschleppen aus einer kurzfristig eingerichteten Halteverbotszone nur dann tragen, wenn das entsprechende Verbotsschild drei volle Tage zuvor aufgestellt worden ist. Über den genauen Zeitraum herrschte bislang Uneinigkeit zwischen den Verwaltungsgerichten. Auf lto.de erläutert der Anwalt Robert Hotstegs die Hintergründe der Entscheidung.

BVerfG zu Atomausstieg: Das Bundesverfassungsgericht hat laut lto.de die beiden letzten noch anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen den Atomausstieg als unzulässig zurückgewiesen. Nachdem das Gericht bereits 2016 einen Anspruch der Kraftwerkbetreiber Eon, RWE und Vattenfall auf angemessene Entschädigung für den Eingriff in ihre grundrechtliche Eigentumsgarantie anerkannt hatte, fehle es nunmehr am Rechtsschutzbedürfnis für eine erneute Klärung.

BVerfG zu Stadionverboten: Der Forschungsreferent Quirin Weinzierl zeigt auf juwiss.de, wie sich die Ende April durch das Bundesverfassungsgericht zu den Stadionverboten aufgestellten Grundsätze auf den Ausschluss von sozialen Plattformen wie Facebook sowie das Löschen von Kommentaren übertragen lassen. Auch im Verhältnis zwischen den Betreibern sozialer Plattformen als öffentlichen Foren von teils überragender gesellschaftlicher Bedeutung und ihren Nutzern entfalte das allgemeine Gleichbehandlungsgebot mittelbare Drittwirkung. Eine Löschung dürfe damit auch hier nur mit "sachlichem Grund" und prinzipiell nach vorheriger Anhörung, einer Counter Notice, erfolgen.

BAG zu Konzernbetriebsrat bei Holding: Der Rechtsanwalt Robert von Steinau-Steinrück und der wissenschaftliche Mitarbeiter Anton Kuntzsch erläutern auf lto.de ein am Mittwoch ergangenes Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Bildung eines Konzernbetriebsrats. Die Betriebsräte von vier deutschen Tochtergesellschaften wollten bei ihrer Holdinggesellschaft einen Konzernbetriebsrat bilden. Diese übte allerdings keine eigene Geschäftstätigkeit aus und wurde ihrerseits vollständig von einer ausländischen Holding-AG gehalten. Aufgrund mangelnder Leitungsmacht der inländischen Holding-AG, lehnte das BAG die Bildung eines Konzernbetriebsrates gemäß §§ 54 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), 18 Aktiengesetz (AktG) ab.

Die Anwältin Martina Hidalgo zeigt sich auf dem Handelsblatt-Rechtsboard mit der Entscheidung zufrieden. Eine reine Finanzholding ohne wesentliche eigene Befugnisse könne nicht Ansprechpartnerin für die Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte sein.

AG Frankfurt a.M. zu Haftung bei Zugverspätung: Zugverspätungen auf dem Weg zum Flughafen müssen Rail & Fly-Kunden nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main stets einkalkulieren, meldet lto.de. Die gewählte Verbindung müsse den Flughafen planmäßig drei Stunden vor Abflug erreichen. Die Kläger hatten lediglich zweieinhalb Stunden eingeplant, wodurch ihr Mitverschulden nach Auffassung des Gerichts einer Haftung des Reiseveranstalters entgegensteht.

ArbG Berlin zu Entschädigungszahlungen: Zwei Lehrerinnen mit Wunsch, Kopftuch zu tragen, die von Berliner Schulen abgewiesen wurden, haben vor dem Arbeitsgericht Berlin erfolglos auf Entschädigung geklagt. Das Gericht bestätigte laut SZ und spiegel.de das Berliner Neutralitätsgesetz als verfassungskonform.

ArbG Karlsruhe zu Ryanair: Das Arbeitsgericht Karlsruhe hat im Rahmen eines Zwischenurteils in einem Kündigungsschutzprozess entschieden, dass innerhalb Deutschlands eingesetzte Ryanair-Beschäftigte die Fluggesellschaft auch vor den deutschen Arbeitsgerichten verklagen können. Bislang hatte Ryanair die Mitarbeiter stets auf Dublin als Gerichtsstand verwiesen, so die FAZ (Timo Kotowski).

StA Frankfurt a.M.  DFB-Steuerhinterziehung: Nun berichtet auch lto.de über die Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen die ehemaligen DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006.

Kopftuch–Urteile: Der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) erläutert am Beispiel von Lehrerinnen, warum gerichtliche Entscheidungen zum Tragen eines Kopftuches im Dienst oft so unterschiedlich ausfallen. Dabei zeichnet er die bisherigen Entwicklungen im Kopftuchstreit nach, geht auf die Schulgesetze der Länder ein und befasst sich mit den gerichtlichen Zuständigkeiten.

Recht in der Welt

Irland – Abtreibungsreferendum: In der Republik Irland findet heute ein Referendum über die Aufhebung des seit 1983 in der Verfassung verankerten Abtreibungsverbotes statt. Politiker und irische Medien stehen mehrheitlich auf der Seite der Befürworter der Verfassungsänderung. Sofern die Bevölkerung für eine Aufhebung des Verbotes stimmt, könnten die Abgeordneten Abtreibungen künftig legalisieren. Über die Hintergründe des Referendums berichten ausführlich FAZ (Jochen Buchsteiner), taz (Ralf Sotschek) und spiegel.de (Sascha Zastiral).

Spanien – "Gürtel-Prozess": Im größten Korruptionsverfahren Spaniens, dem sogenannten Gürtel-Prozess, hat der Oberste Strafgerichtshof in Madrid Haftstrafen in Höhe von insgesamt 351 Jahren gegen 29 Politiker und Geschäftsleute verhängt. Es ging um Bestechungspraktiken in Millionenhöhe zwischen Unternehmen und Politikern der konservativen Volkspartei (PP), die den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy stellt. Die FAZ (Hans-Christian Rößler) berichtet ausführlich über den Prozess und seine Hintergründe.

Spanien – verurteilter Rapper: Der spanische Rapper Josep Miquel Arenas, alias Valtònyc, hat sich u.a. laut FAZ (Hans-Christian Rössler) nach Belgien abgesetzt. Weil er in seinen Liedtexten u.a. Terrorismus verherrlicht, die Königsfamilie beleidigt und Politiker bedroht haben soll, hatte ihn der Oberste Strafgerichtshof Spaniens zu dreieinhalb Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil war bei Bürgerrechtlern und Oppositionspolitikern auf Kritik gestoßen.

Kambodscha – Interview mit deutschem Untersuchungsrichter: Der deutsche Untersuchungsrichter am Rote-Khmer-Tribunal in Kambodscha, Michael Bohlander, spricht im Interview lto.de (Markus Sehl) über die Arbeitsabläufe am Tribunal, das Zusammenwirken von ausländischen und einheimischen Richtern sowie einige Schwierigkeiten, die es bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen und Massenmord durch die Rothen Khmer, 40 Jahre nach dem Ende ihrer Herrschaft, zu überwinden gilt.

Sonstiges

Klimakläger-Porträt: Die SZ (Michael Bauchmüller) stellt den 53-jährigen Inselwirt Michael Recktenwald vor, der gemeinsam mit seiner Familie und neun weiteren Parteien am Donnerstag beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage für eine schärfere EU-Klimapolitik eingereicht hat.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lmr

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Mai 2018: Stichtag DSGVO / Kein Haftbefehl für IS-Rückkehrerin / BVerwG zu mobilen Halteverboten . In: Legal Tribune Online, 25.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28799/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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