Die juristische Presseschau vom 19. April 2018: Razzia bei Por­sche / Oppo­si­ti­ons­rechte in Nie­der­sachsen / Kritik an Puig­de­mont-Beschluss

19.04.2018

Die Justiz ermittelt wegen der Verwicklung von Porsche-Mitarbeitern in den Abgasskandal. Außerdem in der Presseschau: Niedersachsen diskutiert die Ausweitung von Oppositionsrechten und spanisches Gericht kritisiert OLG Schleswig.

Thema des Tages

StA Stuttgart – Abgasmanipulation bei Porsche: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat zusammen mit zahlreichen Polizeibeamten zehn Objekte der VW-Tochter Porsche durchsucht. Ermittelt wird wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung im Zusammenhang mit Abgasmanipulationen. Zu den drei Beschuldigten gehört laut SZ (Max Hägler/Klaus Ott) das Vorstandsmitglied Michael Steiner. Auch das Hbl (Martin-Werner Buchenau u.a.) und die Welt (Philipp Vetter) berichten.

Sven Astheimer (FAZ) weist in einem Kommentar darauf hin, dass die bisherigen Razzien bislang ohne strafrechtliche Konsequenzen geblieben sind. "Auch den Ermittlungsbehörden muss klar sein, dass jede medienwirksame Durchsuchung die Erwartungen an eine substantielle Aufklärung in die Höhe treibt."

LG Heilbronn – Abgasmanipulation bei Porsche: Das Bundesverkehrsministerium verweigert nach Informationen von spiegel.de (Kristina Gnirke) die Genehmigung für eine Zeugenaussage des Präsidenten des Kraftfahrt-Bundesamts in einem Verfahren um Abschalteinrichtungen des Porsche Macan vor dem Landgericht Heilbronn. Es rechtfertigt sich mit seiner Neutralitätspflicht. Der Anwalt des Klägers kritisiert, dass das Ministerium seinem Mandanten, einem Porsche-Kunde, der seinen Kaufpreis zurück verlangt, bewusst Schaden zufüge. Bevor die Genehmigung verweigert wurde, hatte das Kraftfahrtbundesamt bereits versucht, die Abladung des Präsidenten zu erwirken.

Rechtspolitik

Barley zu sozialen Netzwerken: Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) kann sich eine Pluralitätspflicht für soziale Netzwerke vorstellen. "Eine Verpflichtung, dass Algorithmen pluralistischer ausgestaltet werden, halte ich für machbar und nicht schwierig", sagte Barley laut Tsp (Jost Müller-Neuhof) bei einer Diskussionsveranstaltung. Zudem sprach sie sich für mehr Transparenz der Algorithmen aus.

Digitale Fingerabdrücke in Ausweispapieren: Heribert Prantl (SZ) kritisiert die Pläne der Europäischen Kommission, digitale Fingerabdrücke in allen Ausweispapieren der EU-Staaten zur Pflicht zu machen: "Eine Pflicht zur Totalerfassung gibt es nicht. Im Gegenteil: Sie ist ein Kennzeichen von Zwangssystemen." In Deutschland gebe es den digitalen Fingerabdruck bisher nur in Reisepässen, den man nur für Reisen brauche.

Niedersachsen – Oppositionsrechte: Wegen der geänderten Mehrheitsverhältnisse durch die Große Koalition wird in Niedersachsen über die Rechte der Opposition diskutiert. Die Oppositionsfraktionen fordern die Absenkung des Quorums für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und Normenkontrollklagen. Sie stellen zwar zusammen über ein Fünftel der Abgeordneten, Grüne und FDP wollen jedoch nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen sein. Die Regierungsfraktionen wollen zwar die Verfassung nicht ändern, bieten jedoch eine schriftliche Vereinbarung an, in der sie zusichern, die erforderlichen Mehrheiten für Untersuchungsausschüsse, Akteneinsicht und Klagen zu gewährleisten, so die FAZ (Reinhard Bingener).

Datenschutzgrundverordnung: Im Interview mit dem Hbl (Steffen Ermisch) äußert sich der Rechtsanwalt Paul Voigt zur Datenschutzgrundverordnung, die am 25. Mai in Kraft treten wird. Der Fachanwalt für IT-Recht geht davon aus, dass Behörden härter durchgreifen werden und Verbaucherverbände sowie Aktivisten von den ausgeweiteten Betroffenenrechten Gebrauch machen werden. Für international tätige Unternehmen sei die Datenschutzgrundverordnung ein Gewinn, weil die Einzelgesetzgebungen der EU-Mitgliedstaaten harmonisiert würden.

Der Grünen-Politiker Jan Philipp Albrecht sieht in der Verordnung einen Fortschritt für die Verbraucher. Sie würden einen Anspruch erhalten, ihre Daten mitzunehmen, wenn sie zu einem Alternativanbieter wechseln wollen, erklärt er im Interview mit der taz (Tanja Tricarico). Damit die Nutzer tatsächlich mehrere Alternativen haben, müsste die verschiedenen Anbieter in Wettbewerb treten können, etwa durch eine vereinfachte Durchlässigkeit zwischen Messengerdiensten.

Überwachung durch smarte Geräte: In einem Gastbeitrag für die SZ befasst sich die Rechtsanwältin Lisa Blechschmitt mit staatlichen Ambitionen, auf smarte Geräte, wie die digitale Assistentin "Alexa", zuzugreifen. Mit Hilfe des gesetzlich vorgesehenen Staatstrojaners könnten Behörden etwa das Mikrofon von Geräten zur Überwachung benutzen. Problematisch daran sei auch, dass für den Einsatz Lücken im sicherheitstechnischen System erforderlich seien.

Innere Sicherheit: In einem Gastbeitrag für das Hbl kritisiert Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister und FDP-Politiker, dass konservative Politiker die Angst vor dem Terrorismus schürten und für eine Politik der "sicherheitspolitischen Aufrüstung" instrumentalisierten. Abzulehnen seien unter anderem die Absenkung von Eingriffsschwellen im Polizeirecht und Verschärfungen des Strafrechts.

EU-Justizkommissarin Věra Jourová: Die Zeit (Ulrich Ladurner) stellt Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung der Geschlechter, vor. Die Tschechin versteht sich als Verteidigerin der Freiheit und geht mitunter auf Konfrontationskurs zu Internetriesen wie Facebook.

Justiz

LG Berlin zu Mord an Rentner: Das Landgericht Berlin hat den 56-jährigen Josef S. wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Mann den Rentner Heinz N. in den letzten Tagen des Jahres 2006 erschossen und die Leiche in einer Gefriertruhe gelagert hat, um in den folgenden Jahren die Rente des Opfers zu kassieren. Die SZ (Verena Mayer) und spiegel.de (Uta Eisenhardt) berichten.

BGH – Adblocker: Der Bundesgerichtshof verhandelt am heutigen Donnerstag zur Zulässigkeit von Adblockern. In dem Fall klagt der Springer-Verlag gegen das Unternehmen Eyeo, das eine Software anbietet, die bestimmte Werbung identifiziert und blockiert. Gegen Umsatzbeteiligung können Webseiten aber auch auf eine sogenannte "Whitelist" aufgenommen werden, sodass die Werbung angezeigt wird. Die Rechtsprechung hält Adblocker bisher für zulässig, das Oberlandesgericht Köln sah die bezahlte Whitelist jedoch als unzulässige aggressive Praktik im Sinne des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb an. Der Springer-Verlag möchte den Einsatz des Adblockers insgesamt untersagt haben und argumentiert unter anderem damit, dass die Nutzer eine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung vornehmen. lto.de (Pia Lorenz) erläutert die rechtlichen Streitpunkte.

OLG Schleswig – Puigdemont: Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat in einem anderen Fall beiläufig das Oberlandesgericht Schleswig für seine Entscheidung kritisiert, den ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont nicht wegen Rebellion auszuliefern. Das berichtet jetzt auch die FAZ (Hans-Christian Rößler).

Der Rechtsprofessor Kai Ambos geht auf lto.de der Frage nach, ob Puigdemont auf Grundlage einer anderen Vorschrift wegen seiner Abspaltungsbestrebungen ausgeliefert werden könnte. Das Oberlandesgericht habe zwar eine Subsumtion unter den deutschen Hochverrat, der der spanischen Rebellion entspreche, abgelehnt. Eine Auslieferung könne jedoch auch auf den spanischen "Aufstand" gestützt werden, der dem deutschen Landfriedensbruch näher komme. Bei einem weiten Verständnis stehe der Spezialitätsgrundsatz sodann auch nicht der Verurteilung wegen Rebellion entgegen.

EuGH zu kirchlicher Bewerberauswahl: Die Akademische Oberrätin Andrea Edenharter analysiert auf verfassungsblog.de die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Bewerberauswahl durch kirchliche Arbeitgeber. Der EuGH stelle zwar das vom Bundesverfassungsgericht bislang stets hoch gehaltene Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Hinblick auf ihr Selbstverständnis in Frage, das Ende für das kirchliche Arbeitsrecht in seiner bisherigen Form stehe jedoch nicht bevor. Rechtliche Relevanz werde die Entscheidung vor allem in Grenzbereichen zwischen "verkündigungsnaher" und "verkündigungsferner" Tätigkeit entfalten.

OLG München zu lebensverlängernden Maßnahmen: Oliver Tolmein (FAZ) setzt sich mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts München zu lebensverlängernden Maßnahmen von Ende letzten Jahres auseinander, deren Begründung jetzt vorliegt. Das Gericht hatte dem Erben eines schwer kranken, inzwischen verstorbenen Mannes einen Anspruch auf Zahlung von 40.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen, weil der Arzt nicht den Abbruch der künstlichen Ernährung zur Diskussion gestellt hatte. Tolmein sieht die Gefahr, dass ein haftungsrechtlicher Druck ensteht, der dazu führen könnte, dass lebenserhaltende Maßnahmen bei einwilligungsunfähigen Patienten nur noch ausnahmsweise durchgeführt werden.

Klagen wegen VW-Abgasskandal: Die Zeit (Claas Tatje) porträtiert Anath Sieff, die vor dem Landgericht Berlin erstritten hat, dass ihr Volkswagen-Händler das Fahrzeug gegen Zahlung von 14.460,52 Euro zurücknehmen muss. Zudem wird ein Überblick über ähnliche Entscheidungen gegeben. Während Volkswagen behauptet, dass sieben von zehn Klagen abgewiesen werden, kommt der ADAC bei der Auswertung von 519 ihm vorliegenden Urteilen auf 400 erfolgreiche Klagen.

Recht in der Welt

EGMR – Transitzonen in Ungarn: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat verhandelt, ob das Festhalten von Asylbewerbern in ungarischen Transitzonen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Geklagt hatten zwei Flüchtlinge aus Bangladesch, die 2015 aus Serbien nach Ungarn eingereist waren. Ungarn argumentierte, dass es sich bei der Internierung nicht um eine Freiheitsentziehung handele, weil es den Flüchtlingen freistehe, ohne Prüfung des Asylantrags in das damals als sicherer Drittstaat eingestufte Serbien auszureisen. Die Menschenrechtsorganisation Helsinki-Komitee, die die Flüchtlinge unterstützt, wies auf die Gefahr von Kettenabschiebungen hin. Ungarn müsse sicherstellen, dass der Asylantrag zumindest geprüft werde. Die taz (Christian Rath) berichtet.

Spanien – Puigdemont: In Spanien ist ein Streit über den Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder gegen Carles Puigdemont entfacht. Der spanische Finanzminister hatte behauptet, dass Puigdemont für das Referendum am 1. Oktober 2017 keine öffentlichen Gelder verwendet habe. Daraufhin forderte der Madrider Ermittlungsrichter Pablo Llarena den Finanzminister gestern in einer Verfügung auf, seine Behauptung näher zu begründen. Auch das Oberlandesgericht Schleswig, das über die Auslieferung zu entscheiden hat, hat Zweifel am Vorwurf der Untreue geäußert, schreibt spiegel.de (Claus Hecking).

Sonstiges

BRAK-Konferenz: Auf lto.de berichtet Martin W. Huff, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln, von der Anwaltskonferenz der Bundesrechtsanwaltskammer, die in diesem Jahr unter dem Motto "Böse Themen zur Zukunft der Anwaltschaft" stand. Diskutiert wurde unter anderem über die Auswirkungen von Legal Tech auf den Berufsstand, die Möglichkeit der Beteiligung von Dritten an Kanzleien, Nachwuchssorgen auf dem Land sowie unterrepräsentierte Frauen.

Filmen im Gerichtssaal: Seit heute dürfen bestimmte Urteilsverkündungen gefilmt und im Fernsehen übertragen werden. Frank Bräutigam (blog.tagesschau.de) ordnet die Änderung ein und gibt Hinweise, wie die ARD-Rechtsredaktion damit umgehen wird. Unverständnis äußert er über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, bei der heutigen Verkündung der Entscheidung im Fall Safia S. Kameras nicht zuzulassen.

Horst Dreiers "Staat ohne Gott": Der Rechtsprofessor Christoph Möllers rezensiert in der Zeit das Buch "Staat ohne Gott" des Würzburger Staatsrechtlers Horst Dreier. Das Buch sei "lehrreich für ein breites Publikum und interessant für Kenner". Moniert wird jedoch, dass bei der historischen Darstellung eine sehr protestantische Perspektive eingenommen wird.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/dw

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. April 2018: Razzia bei Porsche / Oppositionsrechte in Niedersachsen / Kritik an Puigdemont-Beschluss . In: Legal Tribune Online, 19.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28145/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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