Die juristische Presseschau vom 15. März 2018: Urteile gegen Oppen­heim-Füh­rung bestä­tigt / Rechts­po­li­ti­sche Vor­haben der SPD / Duterte kün­digt Römi­sches Statut

15.03.2018

Der BGH hat die Urteile gegen die Ex-Oppenheim-Führung bestätigt. Außerdem in der Presseschau: Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Fechner im Interview. Philippinischer Präsident Duterte zieht sich aus IStGH zurück.

Thema des Tages

BGH zu Sal. Oppenheim: Die Urteile des Landgerichts Köln gegen die ehemalige Führungsriege der Privatbank Sal. Oppenheim sind rechtskräftig. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Christine Scharrenbroch) berichten, hat der Bundesgerichtshof die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen und die Entscheidungen aus dem Jahr 2015 bestätigt. Die vier Angeklagten hatten dem Bankhaus* durch verlustreiche Immobiliengeschäfte, die Bewilligung eines ungesicherten Kredits und überteuerte Aktienkäufe einen Schaden in Höhe von 83, 7 Millionen Euro zugefügt. Das Landgericht Köln verurteilte lediglich einen der Angeklagten aufgrund von Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten, während gegen die anderen drei Bewährungsstrafen verhängt wurden. Dass Untreue wie im Falle der BGH-Rechtsprechung zur Steuerhinterziehung bei Überschreiten der Millionengrenze grundsätzlich mit Freiheitsstrafe geahndet werde, wiesen die Richter zurück. Anders als bei der Steuerhinterziehung sei bei der Untreue nicht nur das Ausmaß des finanziellen Schadens maßgeblich für die Höhe der Strafe. 

Michael Maisch (Hbl) kommentiert, der BGH habe das Kölner Urteil zu Recht bestätigt, denn "die Kölner Richter trafen mit ihrem Spruch die richtige Mischung aus Härte und Milde".

Rechtspolitik

§ 219a StGB: Über den Verzicht der SPD, einen Gesetzentwurf zur Reform des § 219a StGB in den Bundestag einzubringen, berichtet nun auch lto.de. Kritik wird nun von Seiten der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) und der Opposition laut, die der SPD vorwerfen, vor der Union als Koalitionspartner "einzuknicken". Kristiana Ludwig (SZ) kommentiert in der Debatte um die Gesetzesreform, dass medizinische Normalität bei einer Abtreibung nötig sei. Frauen müssten das Recht haben, eine geeignete Praxis für einen Schwangerschaftsabbruch zu recherchieren, und Ärzte die Möglichkeit, ihre Erfahrungen öffentlich zu benennen. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass die große Koalition in dieser Debatte zu einem Stillstand führe. 

Rechtspolitik der SPD: Im Interview mit lto.de (Hasso Suliak) benennt Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, die rechtspolitischen Themen, für die sich die SPD während der bevorstehenden Legislaturperiode einsetzen möchte. Während schärfere Unternehmenssanktionen, Internal Investigations bei Anwaltskanzleien und eine Reform des § 219a StGB auf den Weg gebracht werden sollen, solle das NetzDG, ggf. unter Einführung eines Wiederherstellungsanspruchs, in seiner aktuellen Fassung aufrechterhalten werden. Ferner spricht sich Fechner im Namen seiner Fraktion für eine Videoüberwachung an polizeilich nachgewiesenen Kriminalitätsschwerpunkten und für Änderungen des StGB aus, unter anderem zur Einführung eines Tatbestandes, der das öffentliche Verbrennen israelischer Flaggen unter Strafe stellt. 

Legal Tech: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) beschreibt die Tätigkeit einer Arbeitsgruppe von Fachleuten aus Bund und Ländern, die den Begriff Legal Tech definieren und dem Gesetzgeber diesbezüglich Handlungsvorschläge unterbreiten soll. Die Experten werden sich unter anderem mit den Fragen auseinandersetzen, inwieweit die Justiz Legal Tech-Diensten vertrauen kann und wie diese in die Gerichtsverfahren einbezogen werden können. 

EU-Datenschutzgrundverordnung: Sich auf einen Bericht der Datenschutz Nord Gruppe stützend kritisiert Hendrik Wieduwilt (FAZ) auf humoristische Art und Weise, wie die neuen Regelungen in der EU-Datenschutzgrundverordnung in vielen Lebensbereichen die Bürokratisierung fördern. So müssten Arztpraxen in jedem Telefonat mit einem Patienten detailliert und ausführlich ihren Informationspflichten nachkommen. Fotografen müssten, sofern sie digital arbeiten, die Einwilligung der von ihnen fotografierten Personen einholen und sie belehren. 

SPD-Mitgliederentscheid: In einem Gastbeitrag für die FAZ kritisiert Bundesverfassungsrichter a. D. Paul Kirchhof, dass durch den SPD-Mitgliederentscheid die Entscheidung über die Bildung einer Regierung an eine "Parteibasis" übertragen wurde. Das Parlament entziehe sich so seiner Verantwortung, obwohl jeder Abgeordnete nicht nur seiner Partei dienen, sondern die Interessen des gesamten Volkes vertreten solle. In Zukunft solle das Parlament seine Entscheidungen unabhängig von parteilichen Gruppen treffen und auch dem bloßen Anschein einer solchen Parteilichkeit entgegentreten.

Justiz

EuG zu Crocs: Schuhe mit dem Design der Kunststoffschuhe Crocs dürfen auch von anderen Herstellern produziert werden. Laut einem Urteil des EU-Gerichts verliert das gleichnamige US-Unternehmen die Rechte am Design der Schuhe. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass nur ein "neues" Design durch das EU-Markenrecht geschützt sei, also alles, was nicht länger als 12 Monate am Markt bekannt sei. Die Schuhe seien seit 2003 im Internet und auf Fachmessen präsentiert worden, weshalb das Design auch in Europa schon zu lange bekannt sei. Spiegel.de berichtet. 

BVerfG zu Günther Jauch: In Nachrichtenmedien aufgeworfene Fragen, die offen für verschiedene Antworten sind, begründen noch keinen Gegendarstellungsanspruch. So hat das BVerfG entschieden. Ursprünglich hatte Günther Jauch von dem Boulevardblatt Woche der Frau eine Gegendarstellung augrund einer auf der Titelseite abgedruckten Frage verlangt. Die Verfassungsrichter sahen in den vorinstanzlichen bestätigenden Entscheidungen eine Verletzung der Pressefreiheit, denn der Gesetzgeber habe den Gegendarstellungsanspruch bewusst als "begrenztes Instrument" ausgestaltet. Lto.de fasst die Entscheidung zusammen. 

BGH zu Raserunfällen: In einem Beitrag für lto.de begrüßt Rechtsprofessor Tonio Walter die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01.03.2018, das Mord-Urteil des Landgerichts Berlin im Raserfall aufzuheben, und fasst dessen wesentliche Punkte zusammen. Der Autor betont, dass das Geschlecht, die Herkunft oder die moralische Integrität des Angeklagten die Entscheidung über die Frage nach dem Vorsatz nicht beeinflussen dürfe. Er warnt, dass das "Vorsatzexperiment" des Landgerichts Berlin den neuen § 315d StGB entwerte und Raser bei einem glimpflichen Unfallverlauf häufig versuchten Mord anhänge. 

LG Frankfurt zu Hells Angel: Das Landgericht Frankfurt hat ein 57-jähriges Mitglied der Hells Angels wegen versuchten Mordes, versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und drei Monaten verurteilt. 2016 hatte der Angeklagte zusammen mit einem immer noch flüchtigen weiteren Täter einen Aussteiger aus der Rockerszene mitten in der Frankfurter Szene angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Wie spiegel.de meldet, kann gegen das Urteil noch Revision eingelegt werden.

Recht in der Welt

EuGH zu Rechtsstaatlichkeit: Die SZ (Wolfgang Janisch) fasst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Richtergehältern in Portugal zusammen, dessen eigentlicher Adressat jedoch offensichtlich Polen aufgrund seiner umstrittenen Justizreform ist. Das Urteil treffe grundsätzliche Aussagen zur Rechtsstaatlichkeit in Europa und zur Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit. Die aufgestellten Grundsätze könnten helfen, im Rahmen des laufenden Rechtsstaatsverfahrens nach Art. 7 EUV und des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens den politischen Druck auf Polen zu erhöhen. 

EuGH  Auslieferung an Polen: Der Dubliner High Court hat die Auslieferung eines Polen an seinen Herkunftsstaat aufgrund eines europäischen Haftbefehls gestoppt und den Europäischen Gerichtshof angerufen. Dies meldet die taz (Ralf Sotschek). Die Richter begründeten die Entscheidung mit ihrer Besorgnis über die "Demontage der unabhängigen Justiz in Polen". Sollte der EuGH der Einschätzung des irischen Gerichts zustimmen, stünde ein Verstoß Polens gegen EU-Recht offensichtlich fest und es würden Sanktionen fällig. 

Philippinen  Rückzug aus IStGH: Wie unter anderem die SZ (Tobias Matern) meldet, hat der philippinische Präsident Rodrigo Duterte angekündigt, sich aus dem Internationalen Strafgerichtshof zurückzuziehen. Die Staatsanwaltschaft des IStGH hatte Anfang Februar Ermittlungen aufgrund tausendfacher Tötungen im Rahmen des "Kriegs gegen Drogen" gegen ihn aufgenommen. Das Römische Statut sieht als Grundlage des IStGH vor, dass mindestens ein Jahr vergehen muss, bevor der Rückzug vollzogen ist. 

Recht auf Selbstverteidigung/Beistandspflicht: Aus Anlass der tödlichen Giftattacke auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal, für die die britische Regierung Russland verantwortlich macht, befasst sich die FAZ (Reinhard Müller) mit der Frage nach dem im Völkerrecht verankerten Recht auf Selbstverteidigung Großbritanniens und der Beistandspflicht der Nato-Partner und EU-Mitgliedstaaten. Eine Beistandsverpflichtung ergebe sich aus dem Nato-Vertrag und dem EU-Vertrag. Fraglich sei jedoch, ob als Voraussetzung für die Beistandspflicht ein Russland zurechenbarer bewaffneter Angriff auf Großbritannien vorliege und die Abwehr dieses Angriffs verhältnismäßig wäre. 

Sonstiges

Geschlechtergerechte Gesetzesformulierungen: Die taz (Christian Rath) beleuchtet, wie auf Bundesebene eine geschlechtergerechte Sprache in Gesetzestexten sichergestellt werden soll. So würden alle Gesetzentwürfe der Bundesregierung vom Justizministerium anhand eines "Handbuchs der Rechtsförmlichkeit" überprüft. Demzufolge seien Frauen grundsätzlich vom generischen Maskulinum in Gesetzestexten erfasst, Ziel sei es jedoch sie "direkt anzusprechen und als gleichermaßen Betroffene sichtbar zu machen". Die Verwendung des generischen Maskulinums reiche hingegen aus, wenn sich der Text neben Männern und Frauen zum Beispiel auch auf juristische Personen beziehe. 

Essener Gespräche: Die FAZ (Martin Otto) berichtet von den Essener Gesprächen zu Staat und Kirche, die dieses Jahr den "Rechtsstatus religiöser Verbände" zum Thema hatten. Diskutiert wurde, ob islamischen Vereinigungen der Status einer Religionsgemeinschaft zugesprochen werden müsse, nachdem das OVG Münster dies 2017 in Bezug auf den Islamrat und den Zentralrat der Muslime verneint hatte. Der Autor stellt fest, dass auf der Tagung über den Islam bzw. islamische Vereinigungen wie über Abwesende gesprochen wurde.

*Sachverhaltskorrektur am Tag der Veröffentlichung, 13.52 Uhr

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/man

(Hinweis für Journalisten)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. März 2018: Urteile gegen Oppenheim-Führung bestätigt / Rechtspolitische Vorhaben der SPD / Duterte kündigt Römisches Statut . In: Legal Tribune Online, 15.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27535/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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