Die juristische Presseschau vom 22. Februar 2018: Poli­zei­kosten bei Hoch­ri­si­ko­spielen / "Laserman" ver­ur­teilt / Fahr­ver­bote vor BVerwG

22.02.2018

Die DFL muss sich an den Kosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen beteiligen. Außerdem in der Presseschau: BGH zu Strafmilderung, Laserman zu lebenslanger Haft verurteilt und das BVerwG entscheidet heute über Fahrverbote.

Tagesthema

Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen: Die Deutsche Fußball Liga (DFL) kann nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen an den Kosten für Polizeieinsätze bei sogenannten Hochrisikospielen beteiligt werden. Gegenstand des Verfahrens war ein auf die Vorschrift des § 4 Abs. 4 Bremisches Gebühren- und Beitragsgesetz gestützter Gebührenbescheid der Stadt Bremen von 2015 über 425.718 Euro für einen Polizeieinsatz im Rahmen des Nordderbys. Die DFL hatte die Zahlung verweigert und sich darauf berufen, dass der Fußball selbst keine Gewalt verursache und der Staat für die Sicherheit verantwortlich sei. Das Verwaltungsgericht Bremen hob den Gebührenbescheid im Mai 2017 auf. Nun entschied das Oberverwaltungsgericht zugunsten der Hansestadt. Zwar gehöre die Gewährleistung von Sicherheit zu den Kernaufgaben des Staates, allerdings profitiere die Bundesliga selbst von den Polizeieinsätzen und habe ein besonderes Interesse an der störungsfreien Durchführung ihrer Spiele. Die DFL hat Revision zum Bundesverwaltungsgericht angekündigt. Es berichten u.a. SZ (Thomas Hahn), FAZ (Reinhard Bingener), lto.de (Hasso Suliak) und spiegel.de (Jan Göbel/Christian Woop).

Reinhard Müller (FAZ) findet es nur folgerichtig, dass der Sport auch für seine negativen Begleiterscheinungen in Haftung genommen wird. Johannes Kopp (taz) bemängelt, die bloß auf lokaler Ebene getroffene Entscheidung sorge eher für Chaos denn für Ordnung. Ralf Wiegand (SZ) sieht das Urteil als einen "Fingerzeig, dass sich der Wind dreht". Der stark vom Kommerz geprägte Fußball könne sich nicht mehr alles erlauben.

Rechtspolitik

§ 219a StGB: Am heutigen Donnerstag diskutiert der Bundestag laut taz (Patricia Hecht/Dinah Riese) und Welt (Sabine Menkens) zum ersten Mal über die Abschaffung des § 219 a Strafgesetzbuch, der Werbung für und Information über Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Grüne und Linkspartei sind für eine Abschaffung, Union und AfD dagegen, während SPD und FDP als Kompromiss eine Änderung der Vorschrift favorisieren. Die taz (Dinah Riese/Hanna Voß) berichtet über zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen Mediziner, die sich mit der auf Basis des § 219a StGB zu einer Geldstrafe verurteilten Ärztin Christina H. solidarisiert hatten.

Facebook-AGB: Nachdem das Landgericht Berlin vergangene Woche einige Facebook-Nutzungsbedingungen sowie die Voreinstellungen zur Privatsphäre für unwirksam erklärt hat, setzt sich zeit.de (Eike Kühl) ausführlich mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzwerks auseinander und erläutert Entwürfe zur stärkeren Regulierung der Datenweitergabe. Die im Mai in Kraft tretende neue Europäische Datenschutzgrundverordnung (DGSVO) könnte u.a. durch Neuregelungen zur Einwilligung Änderungen herbeiführen, enthalte aber noch zu viele Grauzonen.

Justiz

BGH zu Strafmilderung: Der Bundesgerichtshof hat einen Polizeibeamten, der im Gimmlitztal einen Geschäftsmann zerstückelt hatte, wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Täter und Opfer hatten sich auf einer Kannibalismus-Seite im Internet kennengelernt. Aufgrund des dringenden Wunsches des Opfers, getötet zu werden, war das Landgericht Dresden im Rahmen der Rechtsfolgenlösung von außergewöhnlichen mildernden Umständen ausgegangen. Der BGH hob das Urteil nun auf und stellte laut taz (Christian Rath) und SZ (Wolfgang Janisch)  klar, dass bei Verwirklichung des Mordtatbestandes von lebenslanger Freiheitsstrafe nur im Falle von "unverhältnismäßig geringer Schuld" abgewichen werden kann.

EuGH zu Rufbereitschaft: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs handelt es sich bei der Ableistung von Bereitschaftsdienst um Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeit-Richtlinie, wenn der Arbeitgeber dabei freizeiteinschränkende Vorgaben in örtlicher und zeitlicher Hinsicht macht. Die Rechtsanwältin Eva Stark erläutert auf lto.de, dass in Deutschland die Rufbereitschaft nach §§ 2, 5 Arbeitszeitgesetz zwar als Ruhezeit gilt, aber insofern übereinstimmend mit der EuGH-Entscheidung nur dann angenommen wird, wenn der Arbeitnehmer grundsätzlich frei über seinen Aufenthaltsort bestimmen kann.

BAG zu Hinterbliebenenrente: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitgeber die Zahlung einer Hinterbliebenenrente verweigern können, sofern der hinterbliebene Ehepartner mehr als 15 Jahre jünger ist als der frühere Arbeitnehmer. Die Richter erkannten nach Meldung von spiegel.de keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Der Ehepartner müsse in derartigen Fällen damit rechnen, einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten zu verbringen.

OLG Hamm zu ärztlichen Informationspflichten: Wenn Ärzte neuartige Behandlungsmethoden einsetzen, sind sie laut einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm verpflichtet, Patienten ausdrücklich über mögliche unbekannte Risiken aufzuklären. Die Klägerin hatte nach einer Behandlung ihrer Inkontinenz mit einem noch nicht hinreichend klinisch erprobten Verfahren erhebliche Schmerzen erlitten, so lto.de.

OLG Frankfurt/M. zu Maschmeyer: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Berufung des Unternehmers Carsten Maschmeyer, der die Rechtsanwaltskanzlei Clifford Chance wegen vermeintlicher Beratungsfehler verklagt hatte, in der vergangenen Woche wegen Fristversäumnis zurückgewiesen. Hiergegen kann Maschmeyer laut FAZ (Marcus Jung) innerhalb eines Monats Beschwerde einlegen.

LG Frankfurt/M. zu "Lasermann": Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Schweden John Ausonius zu lebenslanger Haft verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet.  Ausonius soll 1992 die Garderobenfrau eines Frankfurter Kasinos aus Habgier erschossen haben. Zuvor war er in Schweden als "Laserman" bekannt geworden, nachdem er aus rassistischer Gesinnung gezielt auf Migranten geschossen hatte, was laut taz (Christoph Schmidt-Lunau) als mögliches Vorbild für die Taten des NSU gilt. Die SZ (Susanne Höll) berichtet ausführlich über das Urteil und meint, es lägen keine handfesten Beweise vor. Ausonius Anwalt kündigte Revision an.

LG Leipzig zu Bots: Das Landgericht Leipzig hat laut FAZ (Hendrick Wieduwilt) in einem Beschluss die Klage des Computerspieleherstellers Blizzard Entertainment gegen einen deutschen Software-Hersteller abgewiesen. Unter anderem für "World of Warcraft" hatte das Unternehmen Bossland Hilfsprogramme, sogenannte Bots, hergestellt, mit denen sich Spieler unlautere Vorteile verschaffen können. Ein amerikanisches Gericht hatte Blizzard wegen Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Urheberrecht Schadensersatz in Höhe von acht Millionen Dollar zugesprochen. Das Landgericht Leipzig lehnte eine Vollstreckung der extrem hohen Forderung nun ab, da das deutsche Schadensersatzrecht nur ausgleichen, nicht sanktionieren wolle.

BVerwG – Fahrverbote: Heute steht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu möglichen Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in Düsseldorf und Stuttgart bevor. Über Bestrebungen der Landesregierungen, die Einführung der Fahrverbote zu verhindern, berichtet die SZ (Josef Kelnberger/Christian Wernicke). Die taz (Moritz Elliesen) befasst sich mit möglichen Verboten in weiteren Kommunen. Der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) porträtiert den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht, Andreas Korbmacher

BVerfG – Asyl-Eilfälle: Parallel zum Jahrespresseempfang des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe musste über einen dringenden Abschiebefall entschieden werden. Verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) befasst sich mit dem Fall und der Veranstaltung. Christian Rath erläutert auf lto.de anlässlich des Falles das Verfahren bei asylrechtlichen Eilfällen vor dem BVerfG. Über diese müsse oft unter großer Zeitnot zwischen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und einem noch am selben Tag angesetzten Flug entschieden werden, wobei das Gericht eine Abschiebung noch bis zur Landung am Zielflughafen stoppen könne. Für einstweilige Anordnungen sei eine einstimmige Kammerentscheidung erforderlich. Der Prüfungsmaßstab beschränke sich dabei auf die hinreichende Untersuchung des Falles durch die Verwaltungsgerichte.

Verfahren vor dem BSG: Die SZ (Ulrike Heidenreich) gibt einen Überblick über wichtige Verfahren vor dem Bundessozialgericht in den nächsten Monaten, beispielsweise zur Speicherdauer von Fotos für die elektronische Gesundheitskarte durch Krankenkassen oder der Rente für Adoptiveltern. Ab dem 18. April könne man die lebensnahen Verfahren vor dem Gericht noch besser verfolgen, denn dann seien in Bundesgerichtssälen Kameras erlaubt.

Interview mit Udo Steiner: Im Anschluss an seinen im Rahmen der Assistententagung Öffentliches Recht zum Thema "Richterliche Abhängigkeit – Rechtsfindung im Öffentlichen Recht" gehaltenen Festvortrag, hat der emeritierte Rechtsprofessor und ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Steiner mit juwiss.de (Nico Schröter) über das Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung und deutscher Staatsrechtslehre gesprochen. Er selbst habe sich als Richter zu keinem Zeitpunkt abhängig gefühlt, empfinde das Thema aber als diskussionswürdig.

Recht in der Welt

USA – Waffengesetz: US-Präsident Donald Trump hat das Justizministerium angewiesen, ein Gesetz zur Verschärfung des Waffenrechts zu entwerfen. Dieses soll sogenannte "Bump Stocks", die der Abgabe vieler aufeinanderfolgender Schüsse dienen, verbieten. Darüber hinaus wird auch über eine Heraufsetzung des Mindestalters beim Waffenkauf auf 21 Jahre und die schärfere Überprüfung von Waffenkäufern diskutiert, so die SZ (Hubert Wetzel).

USA – AT&T/Time Warner: Im Verfahren um die Kartellklage des amerikanischen Justizministeriums zur Verhinderung einer Fusion der Konzerne AT&T und Time Warner vermutet AT&T eine unangemessene Einflussnahme durch das Weiße Haus. Ein Antrag auf die Herausgabe von Kommunikationsprotokollen wurde nun jedoch laut FAZ (Roland Lindner) vom Gericht abgelehnt.

Frankreich – Asylrecht: Die französische Regierung plant nach Meldung u.a. der SZ (Stefan Ulrich) eine vielkritisierte Asylrechtsreform. Vorgesehen sind konsequentere und schnellere Abschiebungen sowie die Verbesserung der Aufenthaltsrechte subsidiär Schutzberechtigter. Rudolf Balmer (taz) bemängelt, dass die Reform den Zugang zum Flüchtlingsstatus erschwere.

Vietnam – Völkerrechtsverletzung: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Fin Jasper Langmack und Benjamin Nußberger befassen sich auf verfassungsblog.de mit dem Fall des 2017 in Deutschland mutmaßlich vom vietnamesischen Geheimdienst entführten Asylsuchenden Trịnh Xuân Thanh. Sie kommen zu dem Schluss, dass ein solcher Eingriff in Deutschlands Souveränität völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen ist und problematisieren den angemessenen Umgang und geeignete Entschädigungsformen als Reaktion auf derartige Völkerrechtsverletzungen.

EGMR – Spanien/Kollektivabschiebungen: In einem ausführlichen Beitrag in der Zeit erläutern der Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck und die Referentin für Flucht und Migration Vera Wriedt ein Präzedenzurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von Oktober 2017 zur Menschenrechtswidrigkeit sogenannter "Push-backs", bei denen Betroffene ohne rechtliche Schutzmöglichkeiten an der Grenze kollektiv abgeschoben werden.

Sonstiges

beA: Wie lto.de (Pia Lorenz) berichtet, hat der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Ekkehart Schäfer, in einer Sitzung des Bundestagsrechtsausschusses erklärt, dass man Ende März mit einer ersten Einschätzung der Secunet Security Networks AG zum Zustand des besonderen elektronischen Anwaltpostfachs (beA) rechne. Er gab weiterhin an, dass die BRAK Schadensersatzansprüche gegen Vertragspartner Atos geltend mache, aber keine grundlegenden Änderungen an der Technik für erforderlich halte. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) plant bislang weder gesetzliche Änderungen noch aufsichtsrechtliche Maßnahmen. Nach Informationen von FAZ-Einspruch (Hendrick Wieduwilt) werden Anwälten wohl auch keine Gebühren erstattet.

Gedenken an "Weiße Rose": Am heutigen Donnerstag vor 75 Jahren wurden die Widerstandskämpfer der "Weißen Rose" Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst im Münchener Justizpalast durch den Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler zum Tode verurteilt und anschließend ermordet. Vor diesem Hintergrund erinnert Heribert Prantl (SZ) an das im Grundgesetz in Artikel 1 und Art. 20 Abs. 4 festgeschriebene Vermächtnis des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Die wehrhafte Demokratie beinhalte den Aufruf, auch heutzutage, in Zeiten des wiederauflebenden Rassismus und populistischem Extremismus, frühzeitig "kleinen Widerstand" zu leisten, damit es des "großen Widerstands" nie wieder bedürfe.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

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lto/lmr

(Hinweis für Journalisten)

 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Februar 2018: Polizeikosten bei Hochrisikospielen / "Laserman" verurteilt / Fahrverbote vor BVerwG . In: Legal Tribune Online, 22.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27153/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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