Die juristische Presseschau vom 20. Februar 2018: Fahr­ver­bote vor BVerwG / Lebens­lang für rasenden Taxi-Dieb / DAV zu Refe­ren­dar­ver­gü­tung

20.02.2018

Die gerichtlich angeordneten Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge beschäftigen das Bundesverwaltungsgericht. Außerdem in der Presseschau: Taxi-Dieb wegen Mordes verurteilt und DAV fordert Vereinfachung der Referendarvergütung.

Thema des Tages

BVerwG – Fahrverbote: Am kommenden Donnerstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Stuttgart Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge anordnen durften, obwohl dafür eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt. Die Gerichte hatten geurteilt, dass nur ein Fahrverbot geeignet sei, die Stickoxidbelastung unter die unionsrechtlich vorgeschriebenen Grenzwerte zu drücken. Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind beim Bundesverwaltungsgericht in Sprungrevision gegangen. Über das Verfahren berichten die FAZ (Rüdiger Soldt), die taz (Christian Rath) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof).

Richard Rother (taz) sieht die Verantwortung bei der Politik, die jahrelang weggeschaut habe. Sollte Leipzig für ein Fahrverbot votieren, müsse die Politik dafür Sorge tragen, "dass sofort die Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge auf Kosten der Unternehmen in Angriff genommen wird". Martin Gropp (FAZ) fordert die Einführung einer blauen Plakette, um die Verbote durchsetzen zu können.

Die taz (Benno Stieber) berichtet vom Stutgarter Neckartor, wo sich eine Bürgerinitiative gegen die Feinstaubbelastung einsetzt. Die SZ (Max Hägler) porträtiert Jürgen Resch, den Chef der Deutschen Umwelthilfe, die die Klagen eingereicht hat.

Rechtspolitik

Werbung für Schwangerschaftsabbruch: Die FDP diskutiert über eine Änderung des § 219a Strafgesetzbuch (StGB), nach der das kommerzielle Anbieten von Schwangerschaftsabbrüchen nur noch dann strafbar sein soll, wenn dies in einer grob anstößigen Form geschieht. Rechtsprofessor Michael Kubiciel nennt auf lto.de zwei Widersprüche, die eine solche Regelung seiner Ansicht nach beinhalten würde. Zum einen sei die von staatlich zugelassenen Organisationen angebotene Beratung sehr dicht reguliert, während Ärztinnen und Ärzte keinen Vorgaben folgen sollen. Zum anderen mache es keinen Unterschied, ob die Werbung in grob anstößiger Weise erfolgt. Entweder man folge dem Bundesverfassungsgericht, nach dem auch der straflose Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig ist, und verbiete konsequenterweise jegliche Werbung dafür, oder man schaffe den Tatbestand ganz ab.

Europäischer Währungsfonds: Die ehemalige Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff fragt in einem Gastbeitrag für das Hbl, ob die im Koalitionsvertrag vorgesehene Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem im Unionsrecht verankerten Europäischen Währungsfonds (EWF) wirklich die Kompetenzen der nationalen Parlamente unberührt lassen würde. Fraglich sei, ob ein Bundestagsbeschluss auch bei Hilfsmaßnahmen von grundlegender haushaltspolitischer Bedeutung durch die Union erforderlich sei oder ob Art. 23 Grundgesetz die Beteiligung des Bundestags abschließend regele.

Koalitionsvertrag – Arbeitsrecht: Rechtsanwalt Matthes Schröder analysiert auf lto.de die im Koalitionsvertrag vereinbarten Änderungen im Arbeitsrecht, wie die Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse und die Einführung eines Rechts auf befristete Teilzeit. Insgesamt weise der Koalitionsvertrag "erst einmal den Weg in Richtung Bürokratisierung und Einschränkung der Flexibilität von Unternehmen".

Sicherheitsgesetze: Die FAZ (Marlene Grunert) nimmt eine Veranstaltung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in der vergangenen Woche zum Anlass, einen Überblick über die jüngsten Reformen im Kampf gegen den Terror sowie die Vereinbarungen der Großen Koalition zu geben. Umstritten sei insbesondere die Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Der Strafrechtler Hans-Jörg Albrecht habe bei der Veranstaltung die Forderungen nach mehr Überwachung grundsätzlich in Frage gestellt. Nötig sei vielmehr ein intelligenter Umgang mit Informationen.

Holger Pröbstel zu Justiz: Im Interview mit der Welt (Gisela Friedrichsen) äußert sich Holger Pröbstel, Vorsitzender Richter am Landgericht Erfurt und Chef des Thüringer Richterbundes, unter anderem zu Problemen der Justiz, dem Umgang mit Straftätern und den Vorteilen der richterlichen Selbstverwaltung. Die Politik würde die Zustände in der mangelhaft ausgestatteten Justiz zu oft negieren. Die Forderung, einen Menschen für immer wegzuschließen, sei wohlfeil, weil sie die zu Unrecht in Sicherungsverwahrung befindlichen Straftäter ignoriere.

Justiz

LG Hamburg zu Taxi-Dieb: Das Landgericht Hamburg hat einen Taxi-Dieb wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der 25-Jährige hatte ein Taxi gestohlen und es im betrunkenen Zustand mit über 160 Kilometern pro Stunden auf die Gegenfahrbahn gelenkt, wo es mit einem anderen Taxi kollidierte. Das Gericht ging davon aus, dass er dabei den Tod eines der Insassen billigend in Kauf genommen habe. Über den Fall und die Parallelen zum Berliner Raserfall, über den der Bundesgerichtshof am 1. März entscheidet, schreiben die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Matthias Wyssuwa).

BGH – Generisches Maskulinum: Über die Klage einer 90-jährigen gegen die Sparkasse Saarbrücken berichten jetzt auch die SZ (Wolfgang Janisch) und die Welt (Christine Kensche). Die Feministin wehrt sich gegen die Verwendung des generischen Maskulinums in Formularen der Bank. Am heutigen Dienstag entscheidet der Bundesgerichtshof.

OLG Hamburg – Messerattentat: Die Bundesanwaltschaft hat für das Messerattentat von Hamburg eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Angeklagten gefordert und beantragt, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Der mutmaßlich islamistisch motivierte Attentäter hatte im Juli letzten Jahres in einem Hamburger Supermarkt ein Messer aus der Verpackung gezogen und damit einen Menschen getötet sowie mehrere verletzt. Vor dem Oberlandesgericht zeigte er am Montag Reue, so die FAZ (Matthias Wyssuwa) und spiegel.de (Peter Maxwill).

LG Tübingen – Negativzinsen: Der Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und der Kreissparkasse Tübingen wegen Negativzinsen zieht sich hin. Das meldet die FAZ (Christian Siedenbiedel). Die Kreissparkasse habe Widerklage erhoben, weil sie mit der Darstellung des Sachverhalts in einer Pressemitteilung der Verbraucherzentrale nicht einverstanden sei. Sie argumentiert, dass die Negativzinsen durch einen Bonus ausgeglichen würden und daher nicht beim Verbraucher ankämen. Am 26. Januar hatte das Landgericht bereits in einem anders gelagerten Fall gegen die Volksbank Reutlingen entschieden.

BVerfG – KPD-Verbot: In einem 500 Seiten starken Buch begründet der Freiburger Historiker Josef Foschepoth, warum das Verbot der KPD seiner Ansicht nach verfassungswidrig war und die Bundesrepublik der Nachkriegszeit von einem "totalitären Antikommunismus" geprägt gewesen sei. In der FAZ kritisiert der Historiker Dominik Gebbert die Studie. Foschepoth verharmlose die KPD und bleibe einen handfesten Beleg für die behauptete Verzögerungstaktik des damaligen Gerichtspräsidenten Hermann Höpker-Aschoff schuldig. Das KPD-Verbotsverfahren habe nicht "höchsten rechtsstaatlichen Ansprüchen" genügt, jedoch geholfen, "eine gute Institutionenordnung zu konsolidieren".

Recht in der Welt

Türkei – Deniz Yücel: Das Verfahren gegen den deutschen Journalisten Deniz Yücel soll im Juni beginnen. Das teilte das Istanbuler Gericht laut zeit.de mit. Die Staatsanwaltschaft fordert wegen Terrorpropaganda und Volksverhetzung 18 Jahre Haft. Yücel war vorige Woche überraschend aus der Untersuchungshaft entlassen worden und nach Deutschland ausgereist.

Juristische Ausbildung

Zusatzvergütung für Referendare: Der Deutsche Anwaltverein appelliert an die Bundesregierung, das Sozialrecht anzupassen, um die Zusatzvergütung von Rechtsreferendaren durch Kanzleien und Unternehmen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, so das Hbl (Heike Anger). Vor etwa drei Jahren habe das Bundessozialgericht entschieden, dass die Länder als Dienstherren für ausbleibende Sozialbeiträge haften. Daraufhin hätten die Länder unterschiedliche Regelungen getroffen, die von den Kanzleien und Referendaren teilweise durch den Abschluss von separaten Arbeitsverträgen umgangen werden. Der Deutsche Anwaltverein fordert daher, klarzustellen, dass die zusätzliche Vergütung nicht der Ausbildungsbeihilfe zuzuordnen sei.

Sonstiges

Meinungen im Netz: Jost Müller-Neuhof (Tsp) befasst sich mit dem Verhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten im Internet. Dabei geht er unter anderem auf das Ärztebewertungsportal Jameda, über das der Bundesgerichtshof am heutigen Dienstag entscheidet, sowie auf die Diskussion um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein. Plattformen wie Facebook und Twitter seien nicht mit öffentlichen Straßen und Plätzen vergleichbar, weshalb ein Veröffentlichungsanspruch auch abzulehnen sei.

Carsten Hörich: Heribert Prantl (SZ) erinnert an den Migrationsrechtler Carsten Hörich, der im Alter von 36 Jahren überraschend gestorben ist. Als Wissenschaftler und zugleich Praktiker der Flüchtlingshilfe habe Hörich sich für eine "praktisch vernünftige, rechtlich durchdachte und eine völker-, menschen- und europarechtskonforme Umsetzung des Rechts auf Einreise und Aufenthalt" eingesetzt.

Das Letzte zum Schluss

Teure Kalbsleber: Das Amtsgericht München hat einen 58-Jährigen zu einer rekordverdächtigen Geldstrafe von 260 Tagessätzen zu je 800 Euro, also insgesamt 208.000 Euro, verurteilt. Das melden spiegel.de und lto.de. Der Mann hatte Kalbsleber in eine Obsttüte umgepackt und so als billigeres Produkt abgerechnet. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe legte das Gericht monatliche Einkünfte von mindestens 24.000 Euro zugrunde.

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lto/dw

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Februar 2018: Fahrverbote vor BVerwG / Lebenslang für rasenden Taxi-Dieb / DAV zu Referendarvertung . In: Legal Tribune Online, 20.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27105/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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