Die juristische Presseschau vom 25. Januar 2018: Mehr Gefähr­der­ab­schie­bungen / Marke "Fack Ju Göhte" / Urteil im Lula-Pro­zess

25.01.2018

Die Anzahl von Gefährderabschiebungen ist gestiegen. Außerdem in der Presseschau: Das EuG lehnt die Markenanmeldung von "Fack Ju Göhte" ab und Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva ist erneut für schuldig befunden worden.

Thema des Tages

Gefährderabschiebungen: Wie die taz (Konrad Litschko) nach eigener Recherche berichtet, steigt die Tendenz zur Abschiebung von Gefährdern seit dem Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016. So machten die Innenbehörden der Länder seit dem Fall Anis Amri auch von der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG Gebrauch. Laut der Umfrage wurden seit Anfang 2017 insgesamt 36 Gefährder abgeschoben.

Im Interview mit der taz (Hanna Voß) erklärt die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic (Grüne), dass verstärkte Abschiebungen nicht zu mehr Sicherheit beitrügen. Zwei Drittel der Gefährder könnten gar nicht abgeschoben werden, da sie die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen.

Christian Rath (taz) hält angesichts der oft atemberaubend schnellen Radikalisierung von gefährlichen Islamisten beschleunigte Abschiebungen für gerechtfertigt. Er spricht sich jedoch gegen die Möglichkeit einer Abschiebung von Ausländern aus, die ihr gesamtes Leben in der Bundesrepublik verbracht haben.

Rechtspolitik

Wissenschaftsfreiheit und Open Access: In der FAZ kommentiert Rechtsprofessor Bernhard Kempen die vor dem Hintergrund der Preisgestaltung wissenschaftlicher Fachverlage laut werdenden Forderungen von Hochschulpolitikern nach Open Access für wissenschaftliche Publikationen, also nach deren kostenloser und allgemeiner Verfügbarkeit im Internet. Das Argument der Befürworter laute, dass der Staat sonst zweifach zahle, einmal für die Professuren und ein zweites Mal für den Zugang der Universitäten zu deren Erkenntnissen. Der Autor hält dem entgegen, dass die Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) auch die Entscheidung über die Umstände der Publikation umfasse. Er sieht die Gefahr, dass Open Access zum Zwang werden könne und damit Fächer wie die Rechtswissenschaft benachteilige, die auf die Sichtbarmachung ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse durch die Verlage angewiesen seien. Als positiv hebt er hervor, dass der Verwaltungsgerichtshof Mannheim eine durch den Deutschen Hochschulverband unterstützte Klage der Juristischen Fakultät der Universität Konstanz gegen die Verpflichtung zur Zweitveröffentlichung auf einem frei zugänglichen Hochschulserver dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt habe.

Kunst aus Kolonialzeit: In der FAZ fordert der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger internationale Regeln für den Umgang mit Kunst aus der Kolonialzeit. Nachdem der französische Staatspräsident Emmanuel Macron am 28. November 2017 bei einer Rede an der Universität Ouagadougou in Burkina Faso Verantwortung für die französische Kolonialvergangenheit übernahm und die Leihgabe oder Rückgabe afrikanischer Kunst aus französischen Museen ankündigte, forderten Aktivisten Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich ebenfalls für solche Rückgaben einzusetzen. Der Autor meint, dass zunächst einmal geklärt werden müsse, wie und warum die Objekte nach Europa gelangt sind.

Justiz

EuG zu "Fack Ju Göhte": Der Rechtsanwalt David Ziegelmayer erläutert auf lto.dewarum das Gericht der Europäischen Union die Markenanmeldung von "Fack Ju Göhte" ablehnt. Die Constantin Film Produktion GmbH wollte ihren Filmtitel "Fack Ju Göhte" für Merchandisingzwecke nutzen und hatte deshalb dessen Eintragung als Unionsmarke begehrt. Diese wurde jedoch vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) abgelehnt, auch von dessen Beschwerdekammer. Nach Art. 7 Buchstabe f) der Unionsmarkenverordnung (UMV) sind Marken, "die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen", von der Eintragung in das Unionsmarkenregister ausgeschlossen. Der Beschwerdekammer zufolge sollten Kinder und Jugendliche davon verschont werden, sich im allgemeinen Geschäftsverkehr Wörtern ausgesetzt zu sehen, die "anstößig, obszön oder verstörend wirken". Constantin brachte vor, dass "Fack Ju Göhte" mit der der GmbH gehörenden deutschen Marke "LECK MICH SCHILLER" vergleichbar sei, dies lehnte das Amt jedoch ab. Das EuG schloss sich nun der Beurteilung der Beschwerdekammer an. Der Unterschied in der Schreibweise von "Fack Ju Göhte" und "Fuck you" genüge nicht, um das Ganze wie Satire wirken zu lassen.

EuGH – Facebook/Sammelklagen: SZ.de (Simon Hurtz) führt ein ausführliches Interview mit dem Juristen Max Schrems, der seit sieben Jahren Prozesse gegen Facebook führt. An diesem Donnerstag wird der Europäische Gerichtshof urteilen, ob Schrems im Namen von Verbrauchern aus ganz Europa gegen Facebook eine Sammelklage in Österreich einreichen kann.

BGH  Sal. Oppenheim: Wie die FAZ berichtet, verhandelte am gestrigen Mittwoch der Bundesgerichtshof im Fall Sal. Oppenheim. Eine Entscheidung wird für den 14. März erwartet. Das Landgericht Köln hatte Mitte 2015 drei ehemals persönlich haftende Gesellschafter der Kölner Privatbank wegen besonders schwerer Untreue zu Bewährungsstrafen und einen vierten Bankier zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Ihnen ging es darum, den später insolventen Arcandor-Konzern zu retten. Dem Urteil des Landgerichts zufolge fügte die Führungsriege der Bank einen Schaden von 83,7 Millionen Euro zu. Gegen das Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Laut der Bundesanwaltschaft berücksichtigte das LG Köln als strafmildernden Umstand fehlerhaft zugunsten der früheren Führungsriege der Privatbank, dass es bei Sal. Oppenheim keine wirksame interne Kontrolle gegeben habe.

BFH – Steuervorteile für Banken: Der FAZ zufolge hat der Bundesfinanzhof in einem Verfahren Zweifel an der Umsatzsteuerfreiheit für Banken verlauten lassen und ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof angestrengt. Inhaltlich geht es um Steuervorteile beim Betrieb von Geldautomaten. Der Bundesfinanzhof misst der Sache eine hohe Bedeutung bei. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken mache sich dennoch keine Sorgen.

OLG Dresden – Gruppe Freital: Die FAZ (Stefan Locke) analysiert das Vorbringen der Verteidigung der sogenannten Gruppe Freital. Für die Plädoyers der Verteidiger allein hat das Oberlandesgericht Dresden vier Tage vorgesehen.

OLG Oldenburg zu Sportwettenbetrug: Der Rechtsprofessor Ulrich Noack hebt im Handelsblatt-Rechtsboard die rechtsmethodische Bedeutung eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Oldenburg vom Januar 2017 zum Sportwettenbetrug  hervor. Es geht um die Frage, ob das GmbH-Gesetz auch auf die §§ 265c bis 265e Strafgesetzbuch (StGB) verweist, obwohl diese noch nicht galten, als die Verweisung eingefügt wurde. Eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen.

VG Düsseldorf zu Diesel-Fahrverbot: Wie u.a. die taz (Malte Kreutzfeldt) berichtet, hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit ihrer auf Stilllegung aller in Düsseldorf vom VW-Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeuge gerichteten Klage gegen die Stadt Düsseldorf vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf keinen Erfolg. Die Klage sei unzulässig, denn der DUH fehle die Klageberechtigung. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet, weil die betroffenen Fahrzeuge infolge eines Software-Updates bei Prüfungen auf dem Rollstand die gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte einhielten. Nach den Worten einer Gerichtssprecherin sei es unerheblich, ob dies im Straßenverkehr genauso sei. DUH-Anwalt Remo Klinger hofft, dass die Stadt Düsseldorf der Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zustimmt.

Recht in der Welt

USA  Herero und Nama: Mit der Klage von Vertretern der namibischen Volksgruppen Herero und Nama gegen Deutschland vor einem Bezirksgericht in New York beschäftigt sich in einem Gastbeitrag in der SZ Geschichtsprofessor Jürgen Zimmerer anlässlich einer heute stattfindenden Anhörung zu der Klage.

Indien – Sex zwischen Homosexuellen: Auf verfassungsblog.de setzt sich der Rechtsanwalt Govind Manoharan mit der Rechtsprechung zur Entkriminalisierung von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zwischen Homosexuellen in Indien auseinander.

Irland – Abtreibungsverbot: Die taz (Ralf Sotscheck) beschäftigt sich mit dem für Mai oder Anfang Juni geplanten Referendum zur Streichung des Abtreibungsverbots aus der irischen Verfassung. Das Verbot steht schon lange in der Kritik. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für eine Streichung des Zusatzartikels der Verfassung, wonach dem Fötus dasselbe Lebensrecht wie der Schwangeren zusteht. Die dann aber erforderliche Neuregelung der Voraussetzungen für einen Schwangerschaftsabbruch ist hoch umstritten.

Brasilien – Lula da Silva: Nach einem Bericht der Welt hat das Berufungsgericht in Porto Alegre die erstinstanzliche Verurteilung des früheren Präsidenten Brasiliens, Luiz Inacio da Silva ("Lula"), wegen Korruption und Geldwäsche bestätigt. Die Möglichkeit der Aufrechterhaltung seiner Präsidentschaftskandidatur wird nun immer unwahrscheinlicher.

USA – Turnarzt Nassar: Der ehemalige US-Arzt Larry Nassar ist von einem US-Gericht im Bundesstaat Michigan wegen massenhaften sexuellen Missbrauchs junger Turnerinnen zu 175 Jahren Haft verurteilt worden, so u.a. spiegel.de. Nassar bekannte sich in zehn Fällen schuldig. Dieser hatte als deren Arzt jahrzehntelang junge Turnerinnen missbraucht. Die Richterin Rosemarie Aquilina fand bei der Strafmaßverkündung deutliche Worte: "Ich habe gerade Ihr Todesurteil unterschrieben."

Sonstiges

EU-Kommission – Apple-Zulieferer Qualcomm: Die Europäische Kommission hat gegen den Apple-Zulieferer Qualcomm ein Bußgeld in Höhe von 997 Millionen Euro verhängt, so die SZ. Qualcomm habe unter der Bedingung, dass Apple in dessen Geräten ausschließlich Qualcomm-Chips verwende, Milliarden US-Dollar an Apple gezahlt und so gegen Wettbewerbsregeln verstoßen. Qualcomm ist der Kommission zufolge der mit Abstand weltgrößte Anbieter für sogenannte LTE-Basisband-Chipsätze.

Kartellrecht und Heizungsableser: Die FAZ erläutert, wie die dominanten Anbieter bei der Ablesung von Heizungen ihre Preise mit Vermietern oder Verwaltungen aushandeln, die ihre Kosten dann wiederum auf die Mieter umlegen. Laut einem Untersuchungsbericht des Bundeskartellamts gebe es "Wettbewerbsprobleme". Dies hätte jedoch bislang kaum Konsequenzen nach sich gezogen.

Paradise Papers: Die SZ (Mauritius Much) beschreibt neue Anschuldigungen gegen die in die Paradise-Papers-Affäre verwickelte Anwaltskanzlei Appleby. So soll sie Dienstleistungen für die FBME Bank erbracht haben, der von den USA vorgeworfen wird, Geldwäsche, die Umgehung von Sanktionen, die Finanzierung von Terrorismus und grenzüberschreitendes organisiertes Verbrechen zumindest gefördert zu haben.

Das Letzte zum Schluss

OVG Lüneburg – Affe Robby: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die Berufung des Circus Belly gegen ein Urteil zugelassen, wonach der Schimpanse Robby aus dem Zirkus in eine Auffangstation gebracht werden muss, wo er mit anderen Affen alt werden könne, so lto.deDie Auffassungen der Tierärzte zu Robbys Gesundheitszustand gehen auseinander. Die einen meinen, er leide an einer Verhaltensstörung und solle daher in die Auffangstation umziehen. Die anderen sind der Auffassung, dass es ihm nicht guttun würde, sein gewohntes Umfeld im Zirkus zu verlassen, da er der Schimpansensprache nicht mächtig sei.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/hd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage

Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Januar 2018: Mehr Gefährderabschiebungen / Marke "Fack Ju Göhte" / Urteil im Lula-Prozess . In: Legal Tribune Online, 25.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26669/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen