Anton Schlecker ist wegen Bankrotts zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Außerdem in der Presseschau: Bayern will Neuschwanstein als Marke schützen lassen und das OLG Karsruhe erklärt, was eine Pizza ist.
Thema des Tages
LG Stuttgart zu Schlecker: Das Landgericht Stuttgart hat den ehemaligen Drogerie-Unternehmer Anton Schlecker wegen Bankrotts zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das Gericht sah als erwiesen an, dass Schlecker trotz Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit Vermögen beiseite geschafft hat, unter anderem indem er dem Logistikunternehmen seiner Kinder zu hohe Entgelte zahlte. Eine Bewährungsstrafe war möglich, weil das Gericht davon ausging, dass Schlecker erst später von der drohenden Zahlungsunfähigkeit wusste als in der Anklage behauptet. Zudem habe er nicht aus Gewinnsucht gehandelt und später Zahlungen zur Wiedergutmachung geleistet. Seine Kinder wurden hingegen wegen Untreue zu Freiheitsstrafen von über zwei Jahren verurteilt. Die FAZ (Marcus Jung/Oliver Schmale), die taz (Christian Rath) und die Welt (Gisela Friedrichsen) berichten über das Urteil. Die FAZ (Marcus Jung) erklärt in einem gesonderten Kasten, warum ein besonders schwerer Fall des Bankrotts abgelehnt wurde und wie die Strafzumessungsregeln zur Anwendung kamen. tagesschau.de (Kolja Schwartz) beantwortet unter anderem die Frage, warum die Urteile so unterschiedlich ausfielen.
Stefan Mayr (SZ) hält das Urteil für überraschend und ungerecht. Es sei der Eindruck entstanden, dass sich Schlecker habe freikaufen können. Reinhard Müller (FAZ) sieht demgegenüber keinen "Freikauf". Die Wiedergutmachung sei im Strafverfahren zu berücksichtigen. Schlecker hafte außerdem ohnehin als Kaufmann mit seinem gesamten privaten Vermögen. Für Ulrike Hermann (taz) ist Anton Schlecker ein "rücksichtsloser Arbeitgeber, der seine Angestellten bluten ließ". Aber ein solches "Arschlochmanagement" sei nicht justiziabel.
bild.de hat Reaktionen von ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen zusammengetragen. Die SZ (Stefan Mayr) weist auf Schadensersatzklagen hin, die der Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubiger von Schlecker führt. Zudem sei die Schlecker-Familie mit zwei Schadensersatzklagen vor Zivilgerichten in Zwickau und Linz konfrontiert.
Rechtspolitik
Legal Tech: Ab Januar berät eine Arbeitsgruppe der Länderjustizminister die Regelung von Legal-Tech-Angeboten. Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der die Arbeitsgruppe leiten wird, hält eine Aufsicht durch das Bundesamt für Justiz sowie eine Beteiligung der Vebraucherzentralen für möglich. In dem Bericht des Hbl (Heike Anger/Dietmar Neuerer) kommt auch Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, zu Wort, der von der Politik mehr Anstrengungen für die Anpassung der Justiz an das digitale Zeitalter fordert.
Werben für Schwangerschaftsabbruch: Dinah Rise (taz) schlägt vor, die Zeit bis zu einer möglichen Regierungsbildung zu nutzen, um den umstrittenen § 219a Strafgesetzbuch abzuschaffen. Nach dieser Norm wurde Ende letzter Woche eine Ärztin verurteilt, weil sie auf ihrem Internetauftritt über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. Wenn SPD, Grüne, Linke und FDP sich auf einen Gesetzentwurf einigen würden, hätten sie eine Mehrheit, so die Autorin.
Anti-Terror-Gesetze: In einem Literatur-Spezial rezensiert die SZ (Robert Probst) das Buch "Trügerische Sicherheit. Wie die Terrorangst uns in den Ausnahmezustand treibt." des ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, der darin die Überwachungsgesetzgebung der letzten Jahre kritisiert. Als Fazit bleibe: "Mehr Überwachung führt nicht immer zu mehr Sicherheit. Aber meistens zu weniger Freiheit."
Justiz
BAG zu Betriebsratswahl: Das bei Betriebsratswahlen zur Anwendung kommende d'Hondtsche Höchstzahlverfahren ist nicht verfassungswidrig. Das hat das Bundesarbeitsgericht letzte Woche entschieden. Zwar benachteilige das Verfahren schwache Listen, anders als etwa das Sainte-Laguë Verfahren, das bei der Bundestagswahl angewendet wird. Dem Gesetzgeber stehe bei der Regelung des Wahlverfahrens jedoch ein Gestaltungsspielraum zu. Zudem fördere das Verfahren die Mehrheitssicherung. Daher verstoße das Gesetz nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Rechtsanwalt Stephan Vielmeier stellt auf lto.de die Entscheidung vor.
EuGH – Neuschwanstein: Der Europäische Gerichtshof befasst sich am Mittwoch mit der Frage, ob das Schloss Neuschwanstein als Marke geschützt werden kann. Darüber streiten sich ein Verband namens "Souvenir Geschenke Ehrenpreise e.V." und der Freistaat Bayern, der das Schloss im Jahr 2011 beim Europäischen Markenamt hat eintragen lassen. Das Europäische Gericht hatte in erster Instanz den Markenschutz bejaht, anders als der Bundesgerichtshof fünf Jahre zuvor. Die SZ (Wolfgang Janisch) schildert den Streit und nennt weitere markenrechtliche Auseinandersetzungen um Kulturgüter.
LG Braunschweig – Sammelklage: Die SZ (Klaus Ott) erläutert die Strategie der US-Kanzlei Hausfeld*, über § 260 ZPO eine Art Sammelklage durchzuführen. Dazu hätten über 15.000 VW-Kunden ihre Ansprüche gegen den Autohersteller an die Firma My Right abgetreten, die sich den Prozess vor dem Landgericht Braunschweig von der in den USA und Großbritannien ansässigen Prozessfirma Burford finanzieren lasse. Kritiker befürchten eine "Kommerzialisierung des Rechtssystems" und fordern stattdessen eine Stärkung der Verbraucherverbände.
In einem gesonderten Artikel stellt die SZ (Klaus Ott) verschiedene Modelle vor, mit denen Verbraucher gemeinsam gegen Unternehmen vorgehen können, darunter die Musterklage, das Stiftungsmodell und die Sammelklage.
LG München I – Waffenhändler: Die SZ (Martin Bernstein) beschreibt in einer ganzseitigen Reportage den Verlauf der ersten 15 Tage im Prozess gegen Philipp K.**, dem vorgeworfen wird, Waffen an den Attentäter David S. geliefert zu haben, der im Juli 2016 in München neun Menschen erschossen und fünf weitere verletzt hat.
Umbrüche im Rechtsmarkt: Der Chefredakteur beim Juve Verlag Aled Wyn Griffiths macht im Hbl auf Umbrüche im internationalen Rechtsmarkt aufmerksam. "Mid-Market-Kanzleien" wie DLA und Dentons würden zunehmend Spitzenjuristen abwerben, um auch internationale Großkonzerne zu beraten. Gleichzeitig würden führende Sozietäten wie Allen & Overy und Freshfields ihre Geschäftstätigkeiten auf britische Städte außerhalb Londons ausbauen, um wettbewerbsfähiger zu werden.
* Name der Kanzlei wurde am Erscheinungstag um 13.12 h korrigiert.
** Name des Waffenlieferanten wurde am Erscheinungstag um 13.04 h korrigiert.
Recht in der Welt
EU-Staaten – Vorratsdatenspeicherung: netzpolitik.org (Tomas Rudl) stellt die Ergebnisse einer Befragung vor, die die EU-Justizbehörde Eurojust unter den Mitgliedstaaten zur Vorratsdatenspeicherung durchgeführt hat. Danach sind in vielen Ländern weiterhin Provider zur anlasslosen Speicherung von Daten verpflichtet, obwohl der Europäische Gerichtshof die entsprechenden Unionsvorschriften 2014 für grundrechtswidrig erklärt hat. Bei der konkreten Umsetzung würden sich verschiedene rechtliche Ansätze herauskristallisieren.
EuGH – Strafandrohung gegen Polen: Die Professoren Robert Grzeszczak und Ireneusz Pawel Karolewski stellen auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) den Streit um das Abholzen des polnischen Białowieża-Nationalparks dar und diskutieren die Frage, ob der Europäische Gerichtshof eine Strafzahlung für den Zeitraum zwischen der ersten einstweiligen Anordnung im Juli und der Strafandrohung im November verhängen kann. Die Autoren meinen, dass der Gerichtshof damit seine Kompetenz überschreiten würde, und sehen die Gefahr, dass die Rechtsstaatlichkeit der Union selbst ausgehöhlt wird.
Sonstiges
Juristen in Dax-Vorständen: Der Anteil von Juristen in Vorständen von Dax-Unternehmen geht weiter zurück. Das geht aus einer Untersuchung der Personalberatung Odgers Berndtson hervor, über die die FAZ (Tillmann Neuscheler) berichtet. Anfang der 90er Jahre war noch fast jeder dritte Vorsitzende ein Jurist. Heute beträgt der Anteil von Juristen in den Vorständen nur noch knapp elf Prozent. Der Anteil der Wirtschaftswissenschaftler nimmt hingegen weiter zu.
Das Letzte zum Schluss
Was ist eine Pizza? Bei einer Pizza "handelt es sich um eine – meist heiß servierte – aus dünn ausgerolltem und mit Tomatenscheiben, Käse u.a. belegtem Hefeteig gebackene pikante italienische Spezialität", schreibt das Oberlandesgericht Karlsruhe, um zu begründen, warum es sich nicht um eine "kalte Speise" handelt, die nach dem baden-württembergischen Gaststättenrecht in Raucherlokalen verabreicht werden darf. Wenn die Kunden die Pizza hingegen selbst mitbringen, könne nicht von einem "Verabreichen" gesprochen werden, so das Gericht in der Entscheidung von Anfang des Monats, die lawblog.de (Udo Vetter) vorstellt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. November 2017: Schlecker entgeht Haft / Neuschwanstein vor EuGH / OLG Karlsruhe zu Pizza . In: Legal Tribune Online, 28.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25719/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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