Die juristische Presseschau vom 15. Dezember 2017: BND-Meta­da­ten­spei­che­rung rechts­widrig / Rechts­staat­lich­keits­ver­fahren Polen / Niki-Insol­venz

15.12.2017

BVerwG erteilt Metadatenspeicherung durch den BND eine Absage. Außerdem in der Presseschau: Bundesanwaltschaft fordert härtere Strafen für IS-Rückkehrerinnen, EU plant Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen, Folgen der Niki-Insolvenz.

Thema des Tages

BVerwG zu BND-Metadatenspeicherung: Die Speicherpraxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bezug auf leitungsgebundene Telefongespräche mit dem Ausland entbehrt laut Bundesverwaltungsgericht einer gesetzlichen Grundlage und verstößt gegen das Fernmeldegeheimnis in Art. 10 I GG. Millionen von Verbindungsdaten zwischen Deutschland und dem Ausland sowie im Ausland hatte der BND im sogenannten Verkehrsdatenanalysesystem (VerAS) 90 Tage lang gespeichert, in bis zu fünf Ebenen miteinander verknüpft und ausgewertet. Er berief sich auf die anonymisierte Speicherung der Daten und vertrat trotz anderslautender Rechtsprechung des BVerfG die These, dass es sich bei Metadaten nicht um personenbezogene Daten handele. Das Urteil gilt zwar vorerst nur für die Kläger, Reporter ohne Grenzen und Anwalt Niko Härting, stellt aber generell klar, dass für diese Art der Datenspeicherung durch den BND keine Ermächtigungsgrundlage besteht. § 5 I des sogenannten G-10 Gesetzes erlaubt bislang nur die Speicherung zur Auswertung nach konkreten Suchbegriffen. Es berichten SZ (Reiko Pinkert/Ronen Steinke), taz (Christian Rath), FAZ (Constantin van Lijnden) und lto.de (Maximilian Amos)

Christian Rath (taz)
stuft das Urteil als "vielleicht schärfste juristische Folge des NSA-Skandals in Deutschland" ein und rechnet mit einer baldigen gesetzlichen Regelung zur Legalisierung von VerAS. Eine solche zwinge den BND dann allerdings zu mehr Transparenz darüber, warum er als Auslandsgeheimdienst auch inländische Daten erfasse, und könne zudem vom BVerfG überprüft werden.

Rechtspolitik

Verbrennen von Flaggen: Als Reaktion auf die Verbrennung von Israelflaggen bei Protesten gegen die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem fordern Politiker von CDU, SPD und Grünen die Prüfung einer Strafrechtsverschärfung. Der Doktorand George Andoor erläutert auf lto.de die gegenwärtige Rechtslage, nach der zum Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung in § 90a I Nr. 2 StGB  grundsätzlich nur die Verbrennung deutscher Fahnen strafbewehrt ist, und prüft Änderungsmöglichkeiten. Unter Betonung des Grundrechts der Meinungsfreiheit in Art. 5 I GG rät er vor einer übereilten Strafrechtsänderung ab.

Regierungsbildung: Zum Vorschlag einer "Kooperationskoalition" durch SPD-Chef Martin Schulz meint Heribert Prantl (SZ), dass in einem Koalitionsvertrag sehr wohl Streitpunkte ungeklärt bleiben könnten, sich das "Regel-Ausnahme-Verhältnis" aber nicht umkehren dürfe. Nach acht Jahren gemeinsamer Regierung bedürfe es zwischen Union und SPD nun auch keiner wochenlangen Sondierungsverhandlungen mehr, die "Zeit für Spielchen" sei vorbei.

Migrationsrecht: In einem Beitrag zur Schwerpunktwoche "Herbsttagung Netzwerk Migrationsrecht" kritisiert die wissenschaftliche Mitarbeiterin Helene Häuser auf juwiss.de die bis März 2018 geltende Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte nach § 104 Abs. 13 AufenthG, die hohen rechtlichen Hürden beim Geschwisternachzug sowie die Anforderungen beim Visumserteilungsverfahren als "menschenrechtlich fragwürdig". Die derzeitige Gesetzeslage sei vor dem Hintergrund des Art. 6 GG, den Art. 9 ff. EU-Familienzusammenführungs-Richtlinie sowie insbesondere der UN-Kinderrechtskonvention unbefriedigend.

In einem weiteren Beitrag vergleicht Assistant Professor Natasja Reslow auf juwiss.de (in englischer Sprache) den 2016 neu eingeführten EU-Rahmen für Migrationspartnerschaften mit den EU-Mobilitätspartnerschaften und kommt zu dem Schluss, dass sich beide Instrumente in Bezug auf Ziele und Umsetzung einer kooperativen Migrationspolitik ähneln. Sie bemängelt, dass durch das rechtlich nicht bindende Format die Rechte von Einwanderern abermals nicht hinreichend garantiert würden und die EU es versäumt habe, aus alten Fehlern zu lernen.

Unternehmensstrafrecht: Die Anwälte Dr. Simone Kämpfer und Prof. Dr. Christoph Knauer erörtern auf lto.de den aktuellen "Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes" (VerbSG-E), den sie grundsätzlich als "ernstzunehmenden Vorschlag" und "sehr praxisnah" begrüßen. Sie gehen ausführlich auf die darin geplante umsatzbezogene Sanktionierung bei Verbandsverfehlungen, die Möglichkeit der Bestellung eines "Unternehmensmonitors" zur Überwachung von Auflagen durch Gerichte oder Staatsanwaltschaft sowie die Regelung interner Untersuchungen ein. Aufgrund gegenwärtig unzureichender Sanktionen, bspw. über § 30 OWiG, sei mit der baldigen Einführung eines Unternehmensstrafrechts zu rechnen, die einige Stimmen bislang unter Hinweis auf das strafrechtliche Schuldprinzip abgelehnt hatten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. Dezember 2017: BND-Metadatenspeicherung rechtswidrig / Rechtsstaatlichkeitsverfahren Polen / Niki-Insolvenz . In: Legal Tribune Online, 15.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26041/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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