Das LG Berlin legt dem Bundesverfassungsgericht die Mietpreisbremse vor. Außerdem in der Presseschau: Künstlerisch gestaltete Panzer wurden rechtswidrig importiert und das Verbrennen von Israelflaggen ist grundsätzlich nicht strafbar.
Thema des Tages
LG Berlin zu Mietpreisbremse: Die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin hat die Mietpreisbremse dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. In dem Vorlagebeschluss bekräftigte die Kammer ihre bereits in einem vorherigen obiter dictum geäußerte Ansicht, nach der das Gesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, weil es sich in den Bundesländern unterschiedlich auswirke und Vermieter benachteilige, die bisher geringe Mieten verlangt haben. Neu ist laut FAZ (Hendrik Wieduwilt) das Argument, die Regelung sei zu unbestimmt, weil sie es den Landesregierungen freistelle, von ihr Gebrauch zu machen. Mit ihrer Auffassung ist die Kammer bisher weitgehend alleine. Zuletzt hatten die Zivilkammer 65 am selben Gericht sowie das Landgericht München die Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse bestätigt. Auch die SZ (Wolfgang Janisch), die Welt (Michael Fabricius), das Hbl (Robert Landgraf) und die BadZ (Christian Rath) berichten.
Rechtspolitik
Verteidigungsunion: Wie unter anderem die FAZ (Michael Stabenow) und spiegel.de melden, haben 25 EU-Staaten eine engere sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit beschlossen. Durch die sogenannte Pesco (Permanent Structured Cooperation) verpflichten sich die beteiligten Staaten unter anderem, ihre Verteidigungshaushalte regelmäßig zu erhöhen und militärische Fähigkeiten gemeinsam zu entwickeln. Die Juniorprofessorin Jelena von Achenbach analysiert auf verfassungsblog.de das Vorhaben. Sie kritisiert die fehlende demokratische Politisierung. Es sei "das technokratisch-funktionalistische Europa, das hier voranschreitet, und nicht das demokratische Europa, das aus der offenen Diskussion der europäischen Bürgerschaft entsteht".
Massenentlassungen: Der Bundestag diskutiert am heutigen Dienstag über einen Gesetzentwurf der Linksfraktion, der sich gegen Massenentlassungen bei profitablen Unternehmen richtet. Danach soll das Kündigungsschutzgesetz dahingehend konkretisiert werden, dass kein dringendes betriebliches Erfordernis einer Kündigung vorliegt, "wenn die Kündigung dem Zweck dient, die Anzahl der Arbeitnehmer im Unternehmen zu reduzieren, ohne dass dies aufgrund der Auftragslage erforderlich ist." Anlass für die Initiative sind die Pläne von Siemens, 6.900 Stellen abzubauen, davon die Hälfte in Deutschland. Die taz (Christian Rath) berichtet.
Werbung für Schwangerschaftsabbruch: Die SPD-Bundestagsfraktion hat nach einer Meldung von spiegel.de beschlossen, nach Mehrheiten für eine Entkriminalisierung der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu suchen. Reinhard Müller (FAZ) hält nichts von den Plänen. Durch die Änderung würde das "Anpreisen von etwas erlaubt, das die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen bisher unter Strafe stellt", womöglich ein erster Schritt zur "gänzlichen Freigabe der Abtreibung". Die jetzige Regelung sei Teil einer umfassenden Regelung, auf die sich der Bundestag 1995 nach hartem Ringen verständigt habe.
Verpflichtung Dritter bei verdeckten Ermittlungen: Die Innenministerkonferenz will prüfen lassen, wie Dritte verpflichtet werden können, verdeckte Ermittlungen zu ermöglichen, etwa beim Öffnen von Autos. Dabei solle es jedoch nicht um den Einbau von Hintertüren in informationstechnische Systeme gehen. netzpolitik.org (Markus Reuter) sieht in diesem Beschluss einen Widerspruch, da eine Abgrenzung von Fahrzeug- und Schließtechnik zu informationstechnischen Systemen kaum möglich sei.
FDP für Bürgerrechte: Die FDP will nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen aus der Opposition heraus die Bürgerrechte stärken. Ein erster Gesetzentwurf sieht die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung vor. Ob die SPD, die intern in der Frage zerstritten ist und gerade mit der Union über eine mögliche Koalition spricht, zustimmt, ist jedoch zweifelhaft. Die FDP will zudem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wieder abschaffen, so die SZ (Mike Szymanski). In einem Gastbeitrag für das Hbl plädiert die FDP-Politikerin und ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für eine Allianz von FDP und Grünen in der inneren Sicherheit: "Weg von der anlasslosen, hin zur anlassbezogenen Sicherheitspolitik." Das Aus der Vorratsdatenspeicherung könne den Beginn eines Abschieds von einem Sicherheitsdenken markieren, das einzig auf mehr Daten setze.
Justiz
AG Bensheim zu importierten Panzern: Das Amtsgericht Bensheim hat den Importeur von zwei britischen Panzern zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Panzer hätten zwar keine Kanonen gehabt, seien jedoch noch voll gepanzert gewesen. Daher seien sie nicht demilitarisiert und würden unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Der Verstoß flog auf, nachdem die Panzer verkauft und dem Künstler Harald Glööckler für ein Kunstprojekt zu Verfügung gestellt wurden. Dieser hatte die Panzer mit bunten Anti-Kriegs-Parolen versehen. Die FAZ (Sarah Kempf) und lto.de schildern den Fall.
BVerfG – Haftung für Atomausstieg: Nach Informationen der FAZ (Susanne Preuß) wollen Landkreise, die indirekt am Energiekonzern EnBW beteiligt sind, das Nachhaftungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht angreifen. Konkret geht es um einen Passus, nach dem auch Mutterkonzerne für die Kosten des Atomausstiegs haften können, wenn sie allein oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf einen Betreiber eines Atomkraftwerks ausüben können. Davon sieht sich der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke betroffen, der 46,75 Prozent an EnBW hält und in dem sich neun Landkreise aus Baden-Württemberg zusammengeschlossen haben. Sie sehen in dem Gesetz eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und wollen Verfassungsbeschwerde einlegen.
BVerfG – Grundsteuer: Das Bundesverfassungsgericht wird am 16. Januar zur Grundsteuer verhandeln. Weil sich diese nach völlig veralteten Einheitswerten berechnet, wird laut Hbl (Martin Greive) einhellig damit gerechnet, dass Karlsruhe das Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Um ein daran anschließendes Chaos zu vermeiden, will Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, schon vorher aktiv werden und ein Gesetz auf den Weg bringen, nach dem die Steuer zukünftig anhand der durchschnittlichen Verkaufspreise bemessen wird.
OLG Hamm – Vermittlung von Ehrendoktortitel: Ein Vertrag über die Vermittlung eines zweifelhaften Ehrendoktortitels ist nicht zwingend sittenwidrig. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Die Parteien seien sich einig gewesen, dass jedenfalls auch eine gewisse wissenschaftliche Leistung erforderlich gewesen sei. Der Kunde, der seinen Ehrendoktor von einer rumänischen Universität bekommen hat, habe zwar den Vertrag wirksam widerrufen, müsse jedoch den Wert der Vermittlung herausgeben. Die FAZ (Constantin van Lijnden) erläutert den Fall.
OLG München – NSU-Prozess: Die FAZ (Karin Truscheit) fasst die Vorwürfe zusammen, die die Nebenkläger und ihre Vertreter in den Plädoyers im NSU-Prozess gegen Ermittlungsbehörden und Gericht erheben. Statt "Struktur-Ermittlungen" in der Neonazi-Szene durchzuführen, seien zunächst die betroffenen Familien und ihr Umfeld aufgrund von institutionellem Rassismus unter Generalverdacht gestellt worden, später sei auf die Ziehung eines "Schlussstrichs" hingearbeitet worden.
LG Berlin – Unterlassene Obduktion: spiegel.de (Uta Eisenhardt) berichtet über einen Prozess am Landgericht Berlin, bei dem die Frage im Raum steht, ob die Obduktion einer Leiche einen weiteren Mord verhindert hätte. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, zwei Frauen ermordet zu haben. Beim ersten Todesfall fand jedoch keine Obduktion statt, weil die äußeren Umstände für einen Suizid sprachen.
LG Essen – Gepanschte Krebs-Medikamente: In dem Prozess gegen einen Apotheker, dem vorgeworfen wird, gepanschte Krebs-Medikamente an Kunden verkauft zu haben, hat eine ehemalige Angestellte ausgesagt. Durch den Vergleich von Einkaufs- und Verkaufsmengen war ihr der Verdacht gekommen, dass der Apotheker Zytostatika streckte oder sogar gänzlich wirkungslose Lösungen verkaufte. Zusammen mit einem Kollegen hatte sie daher die Ermittlungsbehörden eingeschaltet. Der Verteidigung gelang es laut SZ (Christian Wernicke) nicht, die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu erschüttern.
Recht in der Welt
Österreich – Korruptionsprozess: In Österreich beginnt heute ein Korruptionsprozess, in dem unter anderem der frühere FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser angeklagt ist. Ihm wird vorgeworfen, bei der Privatisierung von staatlichen Wohnungen gegen Geld Insiderinformationen herausgegeben zu haben. Grasser sieht sich als Opfer von voreingenommenen Medien und Ermittlungsbehörden, wie spiegel.de (Hasnain Kazim) schreibt.
Sonstiges
Proteste gegen Israel: Das Verbrennen von jüdischen Symbolen und antisemitische Parolen bei Protesten gegen Israel haben für Empörung und scharfe Kritik aus der Politik gesorgt. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof u.a.) geht der Frage nach, ob die Demonstranten sich strafbar gemacht haben. § 104 StGB schütze nur die Flaggen von Botschaften und Konsulaten. Volksverhetzung komme möglicherweise in Betracht, wenn Fahnen mit David-Stern, aber ohne die für Israel typischen waagerechten blauen Streifen verbrannt werden oder "Tod Israel" gerufen werde. Die Polizei sieht zudem eine Ordnungswidrigkeit, weil es eine versammlungsrechtliche Auflage gegeben habe, das Verbrennen von Gegenständen zu unterlassen. lawblog.de (Udo Vetter) sieht ebenfalls keine Strafbarkeit nach § 104 StGB. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fordert laut Welt (Sabine Menkens u.a.) eine Verschärfung des Versammlungsrechts.
Anis Amri: Die SZ (Ronen Steinke) stellt zwei Hypothesen vor, die rund um den Anschlag von Anis Amri auf dem Berliner Breitscheidplatz kursieren, und mit denen sich der angekündigte Untersuchungsausschuss im Bundestag beschäftigen wird. So mutmaße der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, dass eine "ordnende Hand" die Inhaftierung Amris verhindert habe, um ihn nicht als Quelle für die US-Geheimdienste zu verlieren. Andere vermuten, dass Amri von einem V-Mann des Düsseldorfer Landeskriminalamts angestachelt wurde.
In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Ronen Steinke (SZ) den Untersuchungsaustausch als wichtig, "um düstere Verdachtsmomente auszuräumen, wie sie Ströbele verbreitet". Es müsse jedoch auch über die föderale Sicherheitsarchitektur und die unklaren Zuständigkeiten gesprochen werden.
Legal Tech: Der Rechtsanwalt Konstantin Filbinger erklärt auf lto.de, warum Software nicht einen Großteil der Anwaltschaft verdrängen wird. Zwar könne Legal Tech teilweise bei der Erfassung des Sachverhalts helfen und in einfach gelagerten Fällen auch die rechtliche Bewertung übernehmen, für die allermeisten anwaltlichen Aufgaben seien Menschen jedoch unabdingbar. Die Entwicklung von Legal Tech betreffe daher vor allem Großkanzleien und vereinzelte, kleinere Rechtsbereiche.
Sexualstrafrecht am Weihnachtsfest: Der Strafverteidiger Alexander Stevens gibt auf lto.de fünf nicht ganz ernst gemeinte Tipps dafür, wie man nach der Reform des Sexualstrafrechts straflos durch die Weihnachtsfeier kommt. Weil Trunkenheit, überraschende Annäherungen, oder die Mitnahme im Taxi strafbegründend wirken könnten, sei Vorsicht geboten. Am besten sei es, ohne lange zu fackeln die sexuellen Wünsche klar zu kommunizieren.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
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Die juristische Presseschau vom 12. Dezember 2017: Mietpreisbremse kommt nach Karlsruhe / Rechtswidrig importierte Panzer / Verbrennung von Israelflaggen . In: Legal Tribune Online, 12.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25973/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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