Der EuGH billigt ein vertragliches Vertriebsverbot von Luxusartikeln auf Internet-Plattformen. Außerdem in der Presseschau: Die Bundesanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen zu Ditib ein und ein Rückblick auf 25 Jahre "Asylkompromiss".
Thema des Tages
EuGH zu Amazon-Verbot: Zum Schutz ihres Prestiges dürfen Hersteller von Luxusgütern ihren Händlern verbieten, die Luxusartikel auf Internetplattformen wie Amazon oder Ebay zu vertreiben. Dies hat der EuGH an diesem Mittwoch entschieden, wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de berichten. Entsprechende strenge Vertriebsvorgaben in den Verträgen zwischen Herstellern und Händlern seien mit Unionsrecht vereinbar, denn die Qualität von Luxuswaren beruhe nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter. Die Richter schränkten jedoch ein, dass die Auswahl der Internet-Plattformen in den Vertriebsvorgaben "nach objektiven Gesichtspunkten qualitativer Art" erfolgen müsse. Die Auswahl sei also einheitlich festzulegen und dürfe nicht diskriminierend sein. Zudem müssten die Klauseln gerade den Zweck verfolgen, das Luxusimage zu schützen. Ursprünglich hatte der Kosmetikhersteller Coty Germany gegen die Parfümerie Akzente geklagt. Nun muss das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden, ob die Klausel des Kosmetikherstellers die vom EuGH aufgestellten Bedingungen erfüllt.
Rechtspolitik
Wahlrecht: Angesichts der aktuellen Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung spricht sich Ex-Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof in der FAZ für eine "kühne" Reform des Wahlrechts aus. So sollten die Parteien vor der Wahl erklären, welche Koalitionen sie nach der Wahl eingehen werden. "Wenn nun die Koalition mit den meisten Stimmen die Kanzlermehrheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten verfehlt, so ist sie dennoch für die Dauer der Wahlperiode Wahlsieger, erhält die Hälfte der Sitze im Bundestag plus zehn, um eine gestaltungsfähige Mehrheit zu garantieren."
Hoheitliche Ordnung privater Lebensbereiche: In einem weiteren Gastbeitrag für die FAZ kritisiert Rechtsprofessor Jürgen Basedow, dass aktuell zu viele Gesetze den Bürger in seiner Freiheit auf persönliche Entfaltung aus Art. 2 I Grundgesetz einschränken würden. Die Fülle an Gesetzen dränge menschliches Handeln in die Illegalität, überfordere die staatliche Bürokratie und lähme im Übrigen private Initiative. Durch eine noch umfassendere hoheitliche Ordnung würde außerdem die Rechtsdurchsetzung lückenhafter und damit auch diskriminierender. Neben der Gesetzgebung solle daher auch die Rechtsprechung, die ebenso Erzeuger von Rechtsnormen sei, mehr Freiheit wagen.
IMK: Die SZ (Constanze von Bullion) beschreibt, welche Themen auf der am Donnerstag beginnenden Innenministerkonferenz unter anderem diskutiert werden. Dazu gehören die Umsetzung von Lauschangriffen auf Wohnungen und Autos von Verdächtigen, Fan-Gewalt in Stadien, die elektronische Fußfessel sowie Abschiebungen nach Syrien. Die unionsregierten Länder hatten zuletzt gefordert, Abschiebungen nach Syrien wiederaufzunehmen, sobald die Sicherheitslage es erlaube.
Justiz
LG München I zur Mietpreisbremse: Die bayerische Mieterschutzverordnung zur Umsetzung der Mietpreisbremse verstößt gegen die bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage und ist daher unwirksam. Dies hat das Landgericht München I entschieden, wie die FAZ (Marcus Jung) und die SZ (Stephan Handel) berichten. Die Richter erklärten, in ihrer Begründung zur Verordnung habe die Landesregierung nicht dargelegt, aus welchen Gründen "das jeweilige Gebiet und auch die Landeshauptstadt München" in die Verordnung aufgenommen wurden, worin ein Formfehler bestehe.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess ging es an diesem Mittwoch um den Mord an dem 21-jährigen türkischstämmigen Kasseler Halit Y. Die Nebenklage-Anwältin Doris Dierbach kritisierte vor Gericht, der Verfassungsschutz habe bis heute seine Erkenntnisse nicht vollständig offengelegt, keinen Zugang zu seinen 'Quellen' ermöglicht und damit die Vernehmung wichtiger Zeugen vereitelt. Nebenklage-Anwalt Alexander Kienzle hielt der Bundesanwaltschaft vor, sie habe mit Blick auf staatliche Mitverantwortung nicht aufgeklärt, was aufgeklärt werden konnte, sondern nur, was sich nicht vermeiden ließ. spiegel.de (Julia Jüttner/Thomas Hauzenberger) berichtet.
OLG Koblenz – Aktionsbüro Mittelrhein: Der Prozess am Landgericht Koblenz gegen mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung "Aktionsbüro Mittelrhein" wird fortgesetzt. Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft entschieden. Das Strafverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung war im Mai 2017 nach 337 Verhandlungstagen mit der Begründung eingestellt worden, die Verfahrensdauer und die damit zusammenhängenden Belastungen für die Angeklagten stünden in einem "deutlichen" Missverhältnis zu den noch zu erwartenden Strafen. Das OLG erklärte zur Begründung, die lange Verfahrensdauer gehe auf das Verhalten der Verteidiger zurück. Die Angeklagten müssten etwaige Belastungen daher hinnehmen. Es berichten die FAZ (Timo Frasch) und lto.de.
LG Duisburg – Loveparade: Jochen Zenthöfer (FAZ) erörtert im Feuilleton die Bedeutung des Kausalitätsbegriffs für den Ausgang des Verfahrens um die Massenpanik bei der Duisburger Loveparade 2010. Der Autor gibt den Standpunkt des Bonner Rechtswissenschaftlers Thomas Grosse-Wilde wieder, der die Eröffnung der Hauptverhandlung für richtig hält. Das Verfahren sei bisher allerdings weniger von Beweisproblemen gekennzeichnet gewesen als vielmehr von der rechtlichen Unsicherheit der Juristen bezüglich eines konsistenten Ursachen- und Zurechnungsbegriffs.
LG Essen – Apothekenskandal: In dem Prozess gegen einen Bottroper Apotheker, der Krebsmedikamente absichtlich falsch dosiert haben soll, hat nun eine ehemalige Mitarbeiterin ihre schweren Anschuldigungen wiederholt. Wie spiegel.de meldet, berichtete die Zeugin bei ihrer Aussage von eklatanten Hygienemängeln im Labor der Bottroper Apotheke.
BAW – Ditib: Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen Spitzel-Vorwürfen gegen Imame des Moscheeverbandes Ditib eingestellt. Die Männer standen unter Verdacht, Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und an das türkische Generalkonsulat in Köln weitergegeben zu haben. Wie die SZ (Ronen Steinke) und die taz (Tobias Schulze) berichten, fehle es in sieben Fällen an hinreichenden Beweisen, in fünf weiteren wurde von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit abgesehen. Gegen die übrigen sieben Männer, bei denen ein hinreichender Tatverdacht bestehe, könne keine Anklage erhoben werden, weil sie Deutschland mit unbekanntem Ziel verlassen hätten.
StA Chemnitz – Pegida-Galgen: Über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen einen Verkäufer aus Sachsen, der Miniatur-Galgen mit den Namen von Angela Merkel und Sigmar Gabriel vertreibt, berichten nun auch die FAZ (Stefan Locke) und lto.de. Renate Künast (Grüne) kritisierte die Einstellung und forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden auf, den Fall zu prüfen.
Ronen Steinke (SZ) befürchtet, dass die sächsische Justiz so "einen Freifahrtschein für Gewaltdrohungen ausstelle" und sieht in der Verfahrenseinstellung "einen Mangel an Haltung gegenüber gewaltbereiten Hetzern".
Recht in der Welt
USA – Einreisebann: Auf lto.de beleuchtet die Doktorandin Desirée C. Schmitt die genauen Inhalte und Auswirkungen der Entscheidung des US-Supreme Courts, den dritten Travel Ban von US-Präsident Trump in Kraft zu setzen. Demnach gelte der Einreisebann unabhängig davon, ob eine Person schützenswerte Beziehungen (bona fide-Beziehungen) in die USA unterhält, wenn auch die Regelungen diesbezüglich je nach betroffenem Land unterschiedlich seien.
USA – VW-Abgasskandal: Wie spiegel.de meldet, ist in den USA mit Oliver Schmidt der zweite deutsche VW-Manager infolge des Abgasskandals verurteilt worden. Der Richter verhängte wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltgesetze eine siebenjährige Haftstrafe sowie Geldstrafen gegen den Deutschen.
Malta – Daphne Caruana Galizia: Wie u. a. die taz (Belinda Grasnick) berichtet, sind vor einem Gericht auf Malta zwei männliche Verdächtige wegen des Mordes an der Journalistin Daphne Caruana Galizia angeklagt. Die Journalistin war am 16. Oktober 2017 in ihrem Auto durch einen Bombenanschlag umgekommen. Caruana Galizia recherchierte zu den Verwicklungen Maltas in die Affaire um die Panama Papers.
Sonstiges
Geheimnisverrat: In einem Gastbeitrag für die FAZ betont Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, dass die Geheimhaltung geheimhaltungsbedürftiger Informationen dem öffentlichen Interesse diene. Geheimnisverrat sei kein Kavaliersdelikt. Eine ausreichende Kontrolle der Nachrichtendienste vollziehe sich bereits durch die Aufsicht der Exekutive, durch parlamentarische Kontrolle, durch die Überprüfbarkeit allen exekutiven wie legislativen Handelns durch die Judikative sowie die Medien als vierte Gewalt.
Grundrecht auf Asyl: Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des sogenannten Asylkompromisses vom 6. Dezember 1992 gibt deutschlandradio.de (Gudula Geuther) einen Überblick darüber, wie es zu dieser Einigung zwischen CDU und SPD kam, die zur Einführung von Art. 16a GG führte. Seitdem gilt das Grundrecht auf Asyl nicht, wenn ein Flüchtling über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland einreiste. Im Mai 1996 billigte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts diese weitgehende Einschränkung des Grundrechts auf Asyl.
Gutachter: Im RadioReport Recht befasst sich swr.de (Gigi Deppe) mit der Rolle von Gutachtern während eines Gerichtsprozesses. Es werden unter anderem die Fragen gestellt, wie falsche Gutachten vermieden werden können und was Richter bei der Auswertung von Gutachten beachten müssen.
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lto/man
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Die juristische Presseschau vom 7. Dezember 2017: EuGH zum Vertrieb von Luxusgütern / Ermittlungen zu Ditib eingestellt / 25 Jahre "Asylkompromiss" . In: Legal Tribune Online, 07.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25885/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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