Die juristische Presseschau vom 6. Dezember 2017: Pegida-Galgen straflos / Kappe im Gericht zulässig / "Elek­tro­ni­sche Per­sön­lich­keit" kri­ti­siert

06.12.2017

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz stellte Ermittlungen wegen Galgen für Merkel und Gabriel ein. Außerdem in der Presseschau: Der EGMR kritisiert Strafe für religiöse Kopfbedeckung im Gericht und Neues zur Diskussion um Rechte für Roboter.

Thema des Tages

StA Chemnitz  Pegida-Galgen: Die Staatsanwaltschaft Sachsen hat das Ermittlungsverfahren gegen einen Mann aus Sachsen eingestellt, der kleine Pegida-Galgen herstellt. Eine Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 Strafgesetzbuch liege nicht vor. Das berichtet die SZ (Ronen Steinke) exklusiv. Die Galgen, die für 15 Euro in einem "heimattreuen" Laden verkauft wurden, waren einem Großgalgen nachempfunden, der im Oktober 2015 bei einer Pegida-Kundgebung in Dresden gezeigt wurde. Die damalige Beschriftung "Reserviert für Angela 'Mutti' Merkel" und "Reserviert für Sigmar 'Das Pack' Gabriel" wurde bei der Miniatur-Nachahmung übernommen. In der vierseitigen Einstellungsverfügung heißt es, die Galgen seien Kunst, nicht ganz ernst zu nehmen. Es sei nicht nachweisbar, dass der Beschuldigte "ernstlich" Leute dazu animieren wolle, Merkel oder Gabriel anzugreifen. Man könne den Galgen auch so interpretieren, dass man Regierungspolitikern lediglich, "quasi symbolisch, den politischen Tod" wünsche. Auch der große Galgen im Jahr 2015 hatte keine Verurteilung zur Folge.

Rechtspolitik

Bürgerversicherung: Corinna Budras (FAZ-Einspruch) lässt Verständnis für die als "Bürgerversicherung" bezeichnete Abschaffung der Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung erkennen, warnt jedoch vor dem großen verfassungsrechtlichen Aufwand. Möglicherweise müsse erst eine Rechtsetzungskompetenz für den Bund geschaffen werden. Auch die Grundrechte von Privatversicherern und angeschlossenen Ärzten müssten beachtet werden. Eine deutsche Regierung sei dem "derzeit kaum gewachsen".

Information über Abtreibungsangebote: Die Rechtsprofessorin Ulrike Lembke begründet im Interview mit der taz (Dinah Riese) erneut, warum sie § 219a Strafgesetzbuch für verfassungswidrig hält. Eine Korrektur durch den Gesetzgeber sei einer Vorlage beim Bundesverfassungsgericht vorzuziehen. Dessen ältere Urteile zum Abtreibungsrecht würden den Interessen von Frauen nicht gerecht.

AGB-Kontrolle: Der Anwalt Werner Müller fordert in der FAZ, dass der Gesetzgeber die immer strenger werdende gerichtliche Kontrolle von AGB bei Verträgen zwischen Unternehmen stoppe. Die Unternehmen müssten frei sein, "Verträge zu schaffen, die nicht vom BGH für unwirksam erklärt werden, weil sie Verpflichtungen enthalten, die im BGB von 1896 nicht verankert waren."

Zukunft der EU: Rechtsprofessor Frank Schorkopf macht im FAZ-Einspruch Vorschläge zur institutionellen Ausgestaltung der EU. Erstens gehe es um "Differenzierung": Der Zugang zu vertiefter Zusammenarbeit müsse auch rückgängig gemacht werden können. EU-Richtlinien sollten den Mitgliedstaaten wieder mehr Gestaltungsspielraum geben. Der EU-Grundrechtsschutz soll sich auf die unmittelbare Anwendung von EU-Recht beschränken. Zweitens gehe es um "Effektuierung": Die geteilte Zuständigkeit von EU und Mitgliedstaaten soll abgeschafft werden. Vollzugsdefizite in den Mitgliedstaaten führten zu administrativer Zentralisierung. Drittens gehe es um "Demokratisierung": Rat und Parlament sollen Entscheidungen des EuGH für unanwendbar erklären können. Nationale Parlamente sollen ein Initiativrecht erhalten. Das Metaziel einer immer engeren Union soll aufgegeben werden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. Dezember 2017: Pegida-Galgen straflos / Kappe im Gericht zulässig / "Elektronische Persönlichkeit" kritisiert . In: Legal Tribune Online, 06.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25867/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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