Die juristische Presseschau vom 14. November 2017: Pro­zess um mani­pu­lierte Medi­ka­mente / Scha­dens­er­satz wegen CO2-Aus­stoßes / Carles Puig­de­mont im Inter­view

14.11.2017

Vor dem LG Essen beginnt der Prozess im Skandal um gepanschte Krebsmedikamente. Außerdem in der Presseschau: Das OLG Hamm hält zivilrechtliche Ansprüche wegen CO2-Ausstoßes für möglich, Carles Puigdemont im Interview mit der Welt.

Thema des Tages

LG Essen – Medizinskandal: Vor dem Landgericht Essen hat der Prozess gegen den Apotheker Peter S. aus Botropp begonnen, dem vorgeworfen wird, zwischen 2012 und 2016 in ca. 62.000 Fällen 35 verschiedene Sorten von Krebsmedikamenten, sogenannte Zytostatika, mit denen das Wuchern von Krebszellen eingedämmt werden soll, gepanscht zu haben. Teils soll er die Arznei weitaus niedriger als angegeben dosiert haben, teils verkaufte er lediglich Kochsalzlösung. Angeklagt ist er wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, Betruges und versuchter Körperverletzung, wofür ihm bis zu zehn Jahre Haft und ein Berufsverbot drohen. Dabei bezieht sich der Körperverletzungsvorwurf auf 27 Fälle beschlagnahmter, vom Angeklagten hergestellter Präparate. Allein durch die Abrechnung der fehlerhaften Arzneimittel gegenüber 128 Krankenkassen und Berufsgenossenschaften ist ein Schaden in Höhe von 56 Millionen Euro entstanden. Der Angeklagte, der bisher zu den Vorwürfen schweigt, erzielte dabei einen Gewinn in Höhe von ca. 2,5 Millionen Euro. Es handelt sich um einen der größten Medizinskandale deutscher Geschichte. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann plädiert nun für eine Verschärfung des Arzneimittelgesetzes. Aus Sicht der ca. 20 Kunden des Apothekers, die als Nebenkläger zugelassen sind, müsste die Anklage auch auf fahrlässige Tötung, Totschlag oder sogar Mord aus Habgier lauten. Zu Verhandlungsbeginn beantragten drei Nebenklägeranwälte deshalb, den Prozess an das Schwurgericht zu überweisen. Hierfür fehlt es allerdings laut Staatsanwalt Rudolf Jakubowski an Beweisen. Trotz zahlreicher Indizien könne nicht eindeutig geklärt werden, ob die verdünnten Medikamente bei bestimmten Patienten zum Tod geführt hätten. Die Präparate wurden aus der seit Generationen im Familienbesitz befindlichen Apotheke an 38 verschiedene Praxen und Kliniken geliefert. Es berichten: FAZ (Reiner Burger), spiegel.de (Christian Parth) und lto.de. In einem ausführlichen Beitrag stellt die SZ (Christian Wernicke) einzelne geschädigte Patienten vor und berichtet, dass einige Kunden des Apothekers bereits verstorben seien.

Rechtspolitik

Richtwerte für Flüchtlingsaufnahme: Heribert Prantl (SZ) kritisiert die Bestrebungen der CSU, im Rahmen der Jamaika-Verhandlungen künftig Richtwerte für die Flüchtlingsaufnahme festzulegen. Damit werde eine Durchsetzung der verfassungswidrigen Obergrenze unter neuem Namen angestrebt. Dem Asylgrundrecht als "Freiheitsstatue im Hafen der Verfassung", solle nun auch noch "die Fackel abmontiert werden".

Kommunikation im Strafprozess: Das Strafverteidiger-Kolloquium des Deutschen Anwaltsvereins hat sich am Wochenende mit dem Themenkomplex der Kommunikation befasst. Die FAZ (Marlene Grunert) erörtert die Geschichte und Bedeutung des Mündlichkeitsgrundsatzes als bedeutender Prozessmaxime und fasst die Anregungen und Standpunkte des Kolloquiums zusammen. So kritisierte der Kölner Strafverteidiger Ulrich Sommer eine "Abstinenz der Strafrechtler" in psychologischen und linguistischen Kommunikationsfragen. Einige Strafverteidiger fordern in diesem Kontext zur Willkürvermeidung eine Videoaufzeichnung polizeilicher Vernehmungen.

EU-Verteidigungspolitik: Die Außen- und Verteidigungsminister von 23 Staaten der EU haben am Montag in Brüssel eine gemeinsame EU-Verteidigungsgemeinschaft im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Pesco) beschlossen, welche die Nato ergänzen soll, wie unter anderem die SZ (Daniel Brössler) berichtet. Tobias Schulze (taz) kommentiert, dass sich dadurch die deutsche Verfassungswirklichkeit ändern werde. Zwar müssten auch zukünftige Bundesregierungen für Auslandseinsätze der Bundeswehr ein Mandat des Parlaments einholen, allerdings steige durch Pesco der Druck, etwaigen Forderungen nach militärischen Auslandseinsätzen sowie höheren Militärausgaben nachzugeben.

Dänemark – Reform der Menschenrechtskonvention: Die taz (Reinhard Wolff) erläutert Reformbestrebungen Dänemarks im Hinblick auf die europäische Menschenrechtskonvention. Das Land, das Mitte November den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats übernehmen wird, sieht sich durch die Konvention in der Ausländerpolitik insbesondere im Hinblick auf Ausweisungen in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt. Nach einer Kampagne der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei hat Ministerpräsident Rasmussen nun angekündigt, sich für Reformen, insbesondere im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 8 der Konvention, einzusetzen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. November 2017: Prozess um manipulierte Medikamente / Schadensersatz wegen CO2-Ausstoßes / Carles Puigdemont im Interview . In: Legal Tribune Online, 14.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25509/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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