Die juristische Presseschau vom 10. November 2017: Kein Recht auf Isla­m­un­ter­richt / Höhere Haf­t­ent­schä­d­i­gung / EGMR zu Poli­zei­ein­satz

10.11.2017

Justiz

EGMR zu Polizeigewalt: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesrepublik verurteilt, weil ein Polizeieinsatz nicht hinreichend untersucht worden ist. Die Beschwerde wurde von zwei Fußballfans erhoben, die angaben, 2007 in München Opfer von grundloser Polizeigewalt geworden zu sein. Ermittlungen wurden mehrmals eingestellt. Der EGMR kritisiert in dem Urteil die Lückenhaftigkeit des Videomaterials und legt eine Kennzeichnungspflicht für Beamte nahe. Weil es an einer individuellen Kennzeichnung gefehlt habe, hätten andere Maßnahmen zur Identitätsfeststellung und Sachverhaltsaufklärung ergriffen werden müssen. Den Fall erläutern die SZ (Susi Wimmer) und lto.de (Maximilian Amos).

EuGH zu Ruhetag: Es ist europarechtlich zulässig, dass Arbeitnehmer bis zu zwölf Tage am Stück arbeiten. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Nach der Arbeitszeitrichtlinie muss jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden gewährt werden. Geregelt sei jedoch nicht, wann innerhalb dieses Zeitraums der Ruhetag zu gewähren sei, so der EuGH. Der Rechtsanwalt Christian Oberwetter stellt auf lto.de die Entscheidung vor und kritisiert, dass sich der Gerichtshof nicht näher mit arbeitsmedizinischen Erkenntnissen und der Europäischen Grundrechtecharta auseinandergesetzt hat.

OLG Frankfurt zu Schweizer Spion: Der Schweizer Spion Daniel M. ist vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Er hatte im Prozess gestanden, im Auftrag des Schweizer Geheimdienstes persönliche Daten von deutschen Finanzbeamten besorgt zu haben, die am Ankauf von Steuer-CDs beteiligt waren. Den Vorwurf, eine Quelle in der deutschen Finanzverwaltung platziert zu haben, habe das Gericht nicht bestätigt, so die FAZ (Helene Bubrowski) und zeit.de.

LG Bielefeld zu Thomas Middelhoff: Der ehemalige Arcandor-Manager Thomas Middelhoff wird am 26. November nach der Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe aus der Haft entlassen. Das hat das Landgericht Bielefeld entschieden, wie die FAZ (Marcus Jung) und spiegel.de melden. Middelhoff war 2014 wegen Veruntreuung und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.

EuGH – Kirchenmitgliedschaft als Einstellungskriterium: Kirchliche Arbeitgeber dürfen nicht frei entscheiden, ob sie die Konfession zur Einstellungsvoraussetzung machen. Vielmehr sei eine Abwägung erforderlich, bei der es maßgeblich auf die Nähe der Tätigkeit zum "Verkündigungsauftrag" der Kirche ankomme. Das vertritt der Generalanwalt Evgeni Tanchev in seinem Schlussantrag in einem Vorabentscheidungsverfahren, das vom Bundesarbeitsgericht eingeleitet wurde. Geklagt hat eine Sozialpädagogin, die sich auf eine Referentenstelle des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche beworben hatte, wie die taz (Christian Rath) schreibt.

BGH zu Grundstückskaufverträgen: Der Rechtsanwalt Jérôme S. Friedrich verdeutlicht in der FAZ anhand von zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs die besondere Bedeutung der notariellen Urkunde beim Grundstückskauf. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 habe der BGH entschieden, dass eine Beschreibung von Eigenschaften, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in der Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führt. Laut einer Entscheidung von 2016 beziehe sich ein notariell beurkundeter Haftungsausschluss auch auf Eigenschaften, deren Vorhandensein der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten könne.

"Kreative Prozessführung": Die taz (Antonia Groß) befasst sich in einer zweiseitigen Reportage mit dem Konzept der "kreativen Prozessführung". Dabei versuchen Aktivisten mit Hilfe von Laienverteidigern und der Strafprozessordnung Gerichtssäle als Bühnen für die Verbreitung ihrer Kritik am Staat, der Gesellschaft und der Justiz zu nutzen. Die Autorin schildert ein Prozesstraining, die Verhandlung im Strafverfahren gegen eine Atomkraftgegnerin und den Prozess gegen einen notorischen Schwarzfahrer.

Roman "Justizpalast": Heribert Prantl (SZ) würdigt in einer gekürzt abgedruckten Laudatio den Roman "Justizpalast" von Petra Morsbach, in dem es um eine Richterin im Münchner Justizpalast geht. Der Roman sei ein "Epos der Wirrungen, Irrungen und Wahrheiten des Justizbetriebs" und biete einen "profunden Blick in den deutschen Justizapparat".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. November 2017: Kein Recht auf Islamunterricht / Höhere Haftentschädigung / EGMR zu Polizeieinsatz . In: Legal Tribune Online, 10.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25469/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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