Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Aussetzung des Familiennachzugs befasst. Außerdem in der Presseschau: Österreich klagt gegen deutsche Pkw-Maut und Porsche-Anlegern droht Niederlage vor dem OLG Celle.
Thema des Tages
BVerfG zu Familiennachzug: Das Bundesverfassungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit der ein 17-jähriger Syrer den Nachzug seiner Familie ermöglichen wollte. Die Verfassungsbeschwerde sei weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Folgenabwägung falle jedoch zulasten des Antragstellers aus, da das Aufenthaltsrecht der Angehörigen ohnehin mit der Volljährigkeit des Antragstellers in wenigen Tagen enden würde. Auch ein Härtefall wird vom Bundesverfassungsgericht verneint. swr.de (Gigi Deppe) berichtet. Nach Informationen von taz.de (Christian Rath) liegen zwei weitere Verfassungsbeschwerden gegen die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte vor.
Rechtspolitik
Europäische Staatsanwaltschaft: In 20 EU-Staaten werden bestimmte Straftaten in Zukunft von einer Europäischen Staatsanwaltschaft verfolgt. Das haben die Finanzminister der teilnehmenden Staaten, darunter Deutschland, gestern beschlossen, wie SZ und zeit.de melden. Die Behörde soll gegen Korruption, Geldwäsche, Betrug im Zusammenhang mit EU-Finanzmitteln und gegen grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug vorgehen.
Gesundheitspolitik von "Jamaika": Die SZ (Kristiana Ludwig) untersucht die Schnittmengen und Differenzen von Unionsparteien, FDP und Grünen in der Gesundheitspolitik. Auf eine "Bürgerversicherung", wie sie von den Grünen gefordert werde, würden sich Union und FDP wohl nicht einlassen. Aber die Legalisierung von Cannabis, wie sie auch von der FDP befürwortet wird, könne als Kompromiss am Ende der Verhandlungen stehen. Insgesamt werde die Gesundheitspolitik wohl nicht der Koalition im Weg stehen.
Justiz
EuGH – Pkw-Maut: Österreich hat beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die deutsche Pkw-Maut für Ausländer eingereicht. Die Wiener Bundesregierung sieht in der Regelung, die erst ab 2019 angewendet werden soll, eine Diskriminierung von Autofahrern aus dem Ausland und damit eine Verletzung der europäischen Verträge. Die EU-Kommission hatte bereits ein Verfahren eingeleitet, dieses jedoch nach einem Kompromiss mit der Bundesregierung im Mai 2017 eingestellt. Dem jetzigen Verfahren wollen sich auch die Niederlande anschließen. Über den Streit berichten die SZ (Markus Balser/Christian Gschwendtner), die Welt (Hannelore Crolly) und das Hbl (Hans-Peter Siebenhaar).
Heike Göbel (FAZ) meint, dass Wien im Glashaus sitze. Weil die österreichischen Vignetten durch diverse Steuervergünstigungen ausgeglichen werden, seien ebenfalls nur ausländische Fahrer betroffen. Dies sei nur besser getarnt als bei der deutschen Pkw-Maut. Die Luxemburger Richter würden die Abgabe nicht stoppen, das könnte nur eine neue deutsche Bundesregierung.
EuGH zu Übersetzung von Strafbefehlen: Strafbefehle müssen übersetzt werden, wenn der Betroffene die Amtssprache nicht versteht. Anderenfalls beginnt die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden, wie lto.de und lawblog.de (Udo Vetter) melden.
BVerfG zu Missbrauchsgebühr für Anwältin von G-20-Gegner: Das Bundesverfassungsgericht hat einer Anwältin eine Missbrauchsgebühr auferlegt, weil sie in einer Verfassungsbeschwerde gegen die Inhaftierung eines G-20-Gegners Falschangaben machte. Sie hatte sich auf ein Video berufen, das gezeigt haben soll, dass "Bengalos und zwei Böller, aber keine Steine und Flaschen geworfen worden sind". Die Verfassungsrichter, denen das Video erst später bekannt wurde, erkannten jedoch, dass aus der Menge mehrere Steine geworfen worden seien. Die Missbrauchsgebühr sei angemessen, um die Anwältin "nachdrücklich zur sorgfältigen Prüfung der Richtigkeit ihres Beschwerdevortrags anzuhalten", zitiert taz.de (Christian Rath) den Beschluss.
BSG zu Künstlerkartei: Absolventen von privaten Schauspielschulen haben einen Anspruch darauf, auch ohne vorheriges "Vorsprechen" in die Kartei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit aufgenommen zu werden. Das hat das Bundessozialgericht laut taz (Barbara Dribbusch) entschieden. Geklagt hatte eine Absolventin der Filmschauspielschule Berlin, der die Aufnahme in die Kartei verweigert worden war.
OLG Celle – VW-Übernahme durch Porsche: Das Oberlandesgericht Celle hat eine Musterklage zur gescheiterten Übernahme von Volkswagen durch Porsche im Jahr 2009 verhandelt. Die klagende Anlegergemeinschaft wirft Porsche vor, die Übernahmepläne verheimlicht zu haben. Die Richter machten jedoch am ersten Verhandlungstag deutlich, dass die Klage wenig Aussicht auf Erfolg habe. Die Hinzuziehung von Ermittlungsakten aus dem Strafverfahren gegen den Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking und Finanzchef Holger Härter lehnte das Gericht ab. Die Klägeranwälte, darunter der Kapitalmarktrechtler Andreas Tilp, kritisierten die Ausführungen scharf und stellten einen Befangenheitsantrag, der bis kommender Woche entschieden werden muss. Die FAZ (Marcus Jung) und die Welt (Nikolaus Doll) berichten.
Auf Marcus Jung (FAZ) wirkt der Befangenheitsantrag der Kläger wie eine Verzweiflungstat. Man habe "den Fehlstart in Hannover einfach nur noch hinter sich lassen" wollen.
LG Magdeburg zu Hausfriedensbruch und Tierschutz: Ronen Steinke (SZ) kommentiert das Urteil des Landgerichts Magdeburg, das drei Tierrechts-Aktivisten vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen hat, weil sie sich im rechtfertigenden Notstand befunden haben. Das Urteil sei verheerend für die Behörden in Sachsen-Anhalt, die nach dem Urteil zu wenig für die Einhaltung des Tierschutzrechts tun würden. Gleichzeitig enthalte das Urteil "ermutigende Worte auch an andere, die schmutzige Geheimnisse ans Licht bringen wollen".
StA Halle – Oury Jalloh: Die Staatsanwaltschaft Halle hat die Ermittlungen wegen des Todes von Oury Jalloh eingestellt, so spiegel.de. Der Asylbewerber war 2005 bei einem Feuer in einer Dessauer Polizeizelle gestorben. Bis heute ist unklar, ob er sich selbst in Brand gesetzt hat. Der damalige Dienstleiter ist 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Recht in der Welt
Indien – Sex mit minderjährigen Ehefrauen: Das indische Verfassungsgericht hat entschieden, dass Sex mit Minderjährigen auch dann als Vergewaltigung zu gelten hat, wenn er in der Ehe erfolgt. Das bisherige Strafrecht sah eine Ausnahme für Kinderehen vor, die zwar rechtlich untersagt, aber weit verbreitet sind. Über das Urteil und die Situation von Mädchen in Indien schreiben die SZ (Arne Perras) und die taz (Natalie Mayroth).
Niederlande – Klimaschutz-Urteil: Vor zwei Jahren hat die Stiftung Urgenda ein Urteil erwirkt, mit dem die niederländische Regierung verpflichtet wurde, mehr für den Klimaschutz zu tun. Im Interview mit der taz (Bernhard Plötter) erläutert der Rechtsberater Dennis van Berkel, welche Auswirkungen das Urteil auf die niederländische Politik hatte und warum er ähnliche Verfahren auch in Deutschland für erfolgversprechend hält.
Libyen – Such- und Rettungszone im Mittelmeer: Die Vertretungsprofessorin Suzette Suarez äußert auf lto.de Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens Libyens in der ausgerufenen Such- und Rettungszone vor der eigenen Küste. Auch in der Zone gelte das Seerechtsübereinkommen, das unterschiedliche Befugnisse des Küstenstaats im Küstenmeer, in der Anschlusszone und in der ausschließlichen Wirtschaftszone vorsehe. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags habe eindeutig festgestellt, dass Libyen keine "exklusive Rettungskompetenz" habe. Manche Probleme habe es jedoch nicht aufgeführt.
Sonstiges
Anis Amri: Der Sonderermittler Bruno Jost hat in seinem Abschlussbericht zum Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz die Behörden scharf kritisiert. Laut dem Bericht hätte der Attentäter frühzeitig wegen Rauschgifthandels inhaftiert werden können. Bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft sei es jedoch wegen mangelhafter Absprachen zu einer "regelrechten Zuständigkeitslücke" gekommen, so der ehemalige Bundesanwalt. Die Ergebnisse des Berichts fassen die SZ (Jens Schneider), die taz (Konrad Litschko) und spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt) zusammen.
Laut Jens Schneider (SZ) geht es jetzt um die "Verbesserung der Strukturen, um eine bessere Ausstattung der Behörden, vielleicht auch um das Bewusstsein, die Gefahren wirklich ernst zu nehmen". Jasper von Altenbockum (FAZ) sieht die Hauptverantwortung bei der Politik: "Versäumnisse sind zwangsläufig, wenn katastrophale Arbeitsbedingungen herrschen."
zeit.de (Frida Thurm) sprach mit dem Berliner Abgeodneten Benedikt Lux (Grüne) über den Bericht und die politischen Konsequenzen.
Das Letzte zum Schluss
Bezahlter Urlaub für kranken Hund: Dass Arbeitnehmer trotz Krankheit ihren Lohn bekommen, dürfte europaweit zum Standard gehören. Außergewöhnlich ist hingegen ein Urteil aus Italien. Danach hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Urlaub, wenn sein Hund krank ist und er sich um ihn kümmern muss. Die Klägerin hatte sich laut spiegel.de auf das Tierwohl berufen, das durch das italienische Gesetz geschützt wird.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Oktober 2017: BVerfG zu Familiennachzug / Klage gegen Pkw-Maut / Schlechte Karten für Porsche-Anleger . In: Legal Tribune Online, 13.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25005/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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