Der Ex-Agent Werner Mauss wird wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Außerdem in der Presseschau: Die Bundesanwaltschaft stellt die Ermittlungen zur NSA ein und eine europäische Staatsanwaltschaft wird beschlossen.
Thema des Tages:
LG Bochum zu Werner Mauss: Das Landgericht Bochum hat den ehemaligen deutschen Agenten Werner Mauss wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und zur Zahlung von 200.000 Euro an karitative Organisationen verurteilt. Dies berichten u.a. SZ (Ralf Wiegand), FAZ (Reiner Burger), taz (Andreas Wyputta), Hbl (Lara-Marie Müller) und lto.de. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten beantragt. Das Gericht begründete sein mildes Urteil zum einen mit der "großen, beeindruckenden Lebensleistung" des Angeklagten, der in seiner Agententätigkeit immer versucht habe, "das Verbrechen zu bekämpfen und nicht Verbrechen zu begehen". Überdies nahm es eine Gegenrechnung vor: Hätte Mauss seine geheimen Einkünfte offen angegeben, hätte er die Ausgaben für seine Agenteneinsätze von seinen Einkünften abziehen können, wodurch sich seine Steuerschuld auf zwei Millionen Euro reduziert hätte.
Volker Votsmeier (handelsblatt.com) hält das Urteil für "kaum nachvollziehbar". Das Gericht habe extreme Nachsicht gezeigt, obwohl ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes klargestellt habe, dass bei einer Steuerschuld von über einer Million Euro eine Strafe in aller Regel nicht mehr zur Bewährung auszusetzen sei.
Rechtspolitik
Europäische Staatsanwaltschaft: Das EU-Parlament hat die Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft beschlossen, wie lto.de und spiegel.de berichten. Diese soll künftig den Missbrauch von EU-Geldern sowie schweren grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug verfolgen. Die neue Behörde soll ihre Tätigkeit ab 2020 in Luxemburg aufnehmen. Zunächst werden 20 Staaten an ihr beteiligt sein, darunter auch Deutschland.
"Schwarzfahren": Anlässlich vereinzelter Reformbemühungen in Nordrhein-Westfalen und Berlin fordert Jost Müller-Neuhof im Tsp die Entkriminalisierung des "Schwarzfahrens". Die Gerichte hätten den betreffenden Tatbestand des Erschleichens von Leistungen "so weit gebogen", dass er fast breche: Niemand erschleiche sich eine Leistung, wenn er diese offenkundig und ohne zu täuschen in Anspruch nehme. Überdies sei die Strafbarkeit des "Schwarzfahrens" kriminalpolitisch verfehlt, da hunderte von Schwarzfahrern wegen Zahlungsunfähigkeit Ersatzfreiheitsstrafen absäßen, was den Steuerzahler unnötig belaste.
Wahlrechtsreform I: Angesichts der durch Überhang- und Augleichsmandate verursachten historischen Vergrößerung des Deutschen Bundestages auf 709 Abgeordnete befassen sich Professor Hubertus Buchstein und Wissenschaftlicher Mitarbeiter Michael Hein auf verfassungsblog.de mit den Möglichkeiten einer Änderung des Wahlrechts. Eine solche Änderung dürfe nicht allein durch das Parlament entschieden werden, da die dort vertretenen Parteien zwangsläufig ihren eigenen Vorteil im Blick hätten und ihre Entscheidung an einem "Neutralitätsdefizit" litte. Vorzugswürdig sei es daher, ein neues Wahlrecht durch eine per Los besetzte unabhängige "Bürgerversammlung" ausarbeiten zu lassen, wie es etwa in der kanadischen Provinz British Columbia geschehen sei. Deren Ergebnis müsse dann vom Bundestag formell bestätigt werden.
Wahlrechtsreform II: Der Bund der Steuerzahler fordert eine Begrenzung der Anzahl der Bundestagsmandate. Dies meldet zeit.de. Die erhöhte Mitgliederzahl des Parlamentes habe eine "Kostenlawine" zur Folge, der Betrieb des Parlamentes mit 709 Sitzen gegenüber den eigentlich vorgesehenen 598 führe zu Mehrkosten von 75 Millionen Euro.
Justiz
BAW – NSA-Affäre: Die Bundesanwaltschaft hat die strafrechtlichen Ermittlungen wegen der Überwachung des deutschen Telekommunikationsverkehrs durch die US-amerikanische NSA und das britische GCHQ eingestellt. Dies berichten u.a. SZ (Ronen Steinke) und netzpolitik.org (Anna Biselli). Die geheimdienstliche Tätigkeit richte sich nicht "gegen die Bundesrepublik Deutschland", wie es § 99 Strafgesetzbuch (StGB) voraussetze. Hierfür verweist die Bundesanwaltschaft auf die Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dessen Präsident Hans-Georg Maaßen erklärt, es liege durchaus im deutschen Interesse, sich am "Geben und Nehmen" der geheimdienstlichen Partner zu beteiligen, da Deutschland in der Terrorabwehr abhängig von Erkenntnissen der britischen und amerikanischen Geheimdienste sei.
Heribert Prantl (SZ) kritisiert die Verfahrenseinstellung, da die Bundesanwaltschaft mit ihr zum Ausdruck bringe, dass die Wahrung der Bürgerrechte für sie kein schützenswerter Belang sei.
BVerfG zu Einsatz von Fraktionsgeldern: Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber dazu aufgefordert, Vorkehrungen zu treffen, damit Gelder für die Ausübung eines Abgeordnetenmandats nicht für parteiliche Wahlkampfaktivitäten eingesetzt werden. Dies berichten u.a. SZ (Wolfgang Janisch), lto.de und tagesschau.de (Klaus Hempel). Insbesondere der Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern sei "missbrauchsanfällig" und "öffentlich weitgehend nicht" nachzuvollziehen. Die zugrunde liegende Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Bundestagswahl 2013 verwarf das Gericht dennoch, da ihm der Nachweis eines nicht nur punktuellen Missbrauchs fehlte. Im Rahmen der Beschwerde hielt das Verfassungsgericht überdies an der 5-Prozent-Klausel fest und sprach sich gegen die Einführung einer Eventualstimme aus. Eine solche sei angesichts der erhöhten Komplexität und Fehleranfälligkeit des Wahlvorgangs nicht unbedingt ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Parlamentes.
BGH zu Informationspflichten von Maklern: Immobilienmakler müssen in ihren Inseraten Angaben aus dem Energieausweis wie Baujahr oder Effizienzklasse des jeweiligen Objekts veröffentlichen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de berichten. Fehlten die betreffenden Angaben, liege hierin ein Vorenthalten "wesentlicher Informationen", wodurch der betreffende Makler gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoße. Eine EU-Richtlinie habe entsprechende Belehrungspflichten vorgesehen, jedoch sei diese durch den deutschen Gesetzgeber unzureichend umgesetzt und die Belehrungspflicht auf Verkäufer und Vermieter beschränkt worden. Das Verfahren war durch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in Gang gebracht worden, die aus diesem Anlass von der taz (Malte Kreutzfeldt) porträtiert wird.
BGH zu Tabakwerbung im Internet: Tabakhersteller dürfen auf der Startseite ihres Unternehmens nicht für Zigarettenkonsum werben, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat. Rechtsanwältin Evelyn Schulz und Studentische Hilfskraft Jonas Weimert erläutern die Entscheidung auf lto.de. Es handele sich dabei um eine "Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft", die nach dem früheren § 21 Abs. 4 des Vorläufigen Tabakgesetzes (inzwischen § 19 Abs. 3 Tabakerzeugnisgesetz) verboten sei. Unter derartigen "Diensten der Informationsgesellschaft" seien nicht nur entgeltliche Angebote zu verstehen, sondern jegliche Form der "kommerziellen Kommunikation". Auch könne sich das Unternehmen bei seiner Website nicht auf die Privilegierung für Tabak-Fachpresse berufen, da sich diese nicht nur an ein Fachpublikum, sondern an die breite Öffentlichkeit richte.
AG Stuttgart zu Angriff auf Großkreutz: Das Amtsgericht Stuttgart hat Freiheitsstrafen gegen zwei Jugendliche wegen eines Angriffes auf den Fußballer Kevin Großkreutz verhängt. Dies berichten u.a. spiegel.de (Frieder Pfeiffer) und FAZ. Großkreutz selbst war dem Verfahren ferngeblieben, obwohl er als Zeuge geladen war. Das Gericht verzichtete indes auf die Verhängung eines Ordnungsgeldes, weil die Ladung formlos und ohne Empfangbeleg erfolgt sei.
OLG Hamm zu Nichtraucherschutz im Gefängnis: Die Justizvollzugsanstalten müssen den Nichtraucherschutz auch im Gefängnis gewährleisten. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, wie lto.de meldet. Anlass war eine einstündige Unterbringung eines nichtrauchenden Strafgefangenen in einem Warteraum eines Justizvollzugskrankenhauses zusammen mit 14 anderen Gefangenen, von denen acht rauchten. Die effektive Durchsetzung des Nichtraucherschutzes gebiete es, dessen Einhaltung auch tatsächlich zu kontrollieren, etwa durch Verwendung von Rauchmeldern, so das Gericht.
Recht in der Welt
Polen – Reparationszahlungen: In der FAZ kritisiert die Direktorin des Instituts Zachodni, Justyna Schulz, das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu der Frage polnischer Reparationsansprüche aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieses sehe den 1953 gegenüber der DRR erklärten Verzicht Polens auf Reparationsforderungen als für Gesamtdeutschland bindend an, obwohl damals gar keine diplomatischen Beziehungen zwischen Polen und Westdeutschland bestanden hätten. Auch folgere das Gutachten aus Gegenseitigkeitsgründen, dass bei Bestehen individueller polnischer Schadensersatzansprüche auch Polen seinerseits Ansprüche deutscher Vertriebener hätte anerkennen müssen. Dies sei eine "unzulässige Revision" der Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges.
Spanien – Katalanische Unabhängigkeit: Das spanische Verfassungsgericht hat eine geplante Sitzung des katalanischen Regionalparlaments untersagt, auf der dieses nach dem Referendum wohl endgültig die Unabhängigkeit Kataloniens verkünden wollte. Dies melden u.a. FAZ und spiegel.de. Mit der Eilentscheidung folgte das Gericht einem Antrag der Sozialistischen Partei Kataloniens (PSC), die einen eigenen Staat ablehnt und durch die Sitzung die Verfassung verletzt sah.
Botswana – Transgender-Rechte: Das Oberste Gericht Botswanas hat entschieden, dass Transgender-Personen gesetzlich anzuerkennen sind, wie taz (Dominic Johnson) meldet. Nach den gesetzlichen Bestimmungen habe ein Staatsbürger im Falle veränderter Umstände das Recht auf Neuregistrierung der persönlichen Daten. Zu einem derartigen veränderten Umstand könne auch das Geschlecht gehören.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. Oktober 2017: Mauss zu Bewährungsstrafe verurteilt / BAW beendet NSA-Ermittlungen / Beschluss zur EU-Staatsanwaltschaft . In: Legal Tribune Online, 06.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24867/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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