Die juristische Presseschau vom 7. September 2017: Flücht­ling­s­um­ver­tei­lung recht­mäßig / EuGH kippt Buß­geld gegen Intel / Belei­di­gung durch Fla­tu­lenz?

07.09.2017

Justiz

EuGH zu Intel: Der Europäische Gerichtshof hat einer Klage des Chipherstellers Intel stattgegeben und an das Europäische Gericht zurückverwiesen. Die Kommission hatte 2009 ein Rekordbußgeld gegen den Elektronikkonzern angeordnet, weil dieser den Konkurrenten AMD durch Rabatte für Computerhersteller vom Markt gedrängt haben soll. Der EuGH stellte zwar nicht die Rabatte in Frage, bemängelte jedoch, dass das erstinstanzlich zuständige EuG die Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht hinreichend geprüft habe. Das Urteil wird von der SZ (Alexander Hagelüken u.a.) und der FAZ (Werner Mussler) zusammengefasst.

Till Hoppe (Hbl) begrüßt das Urteil. Starke Wettbewerbshüter seien wichtig, aber eine gerichtliche Kontrolle müsse gewährleistet sein. Werner Mussler (FAZ) meint, das Urteil richte sich in erster Linie gegen die oberflächliche Prüfung durch das Europäische Gericht. Daher müssten die Wettbewerbshüter ihre Praxis nicht grundlegend ändern.

EGMR zu Überwachung am Arbeitsplatz: Im Interview mit spiegel.de (Armin Himmelrath) erläutert Rechtsanwalt Tobias Neufeld die Konsequenzen aus dem gestrigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Überwachung von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz. In Zukunft müsse es immer eine Einzelfallprüfung geben, bevor Arbeitnehmer überwacht werden. Zudem müssten Anlass und Umfang der Überwachung im Vorhinein deutlich gemacht werden.

BGH zu Compliance-Systemen bei der Bußgeldbemessung: Der Rechtsanwalt Sebastian Hack befasst sich auf dem Handelsblatt-Rechtsboard mit möglichen Folgen eines Urteils des Bundesgerichtshofs zur Bedeutung von Compliance-Systemen bei der Bußgeldbemessung von Mai dieses Jahres. Darin habe der Bundesgerichtshof ein Compliance-Programm strafmildernd berücksichtigt. Dies sei auch auf das Kartellrecht übertragbar.

BGH – Richterliches Arbeitstempo: Auch die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Christian Rath) stellen jetzt den Fall Thomas Schulte-Kellinghaus, Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe, vor, der vor dem Bundesgerichtshof gegen seine damalige Gerichtspräsidentin Christine Hügel klagt. Diese hatte den Richter wegen seiner wenigen Verfahrenserledigungen ermahnt, worin dieser eine Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit sieht.

Die Professoren Michael Berlemann und Robin Christmann nehmen den Fall auf lto.de zum Anlass, um eine Studie zu Einflüssen auf die Verfahrensdauer vorzustellen. Danach würden anwaltlich vertretene Parteien sowie umfangreiche Schriftsätze das Verfahren tendenziell verlängern. Kürzere Verfahren seien jedoch bei einer größeren Berufserfahrung der Richter sowie bei der Existenz von Leitentscheidungen zu beobachten. Die Auswirkung von Vergleichen auf die Verfahrensdauer sei ambivalent.

OLG München – Türkische Medien über NSU-Prozess: blog.zeit.de (Zia Weise) schildert, wie türkische Medien über den NSU-Prozess berichten. Anfangs hätte ein reges Interesse bestanden. Dabei hätten regierungsnahe Medien oft auf eine tief gehende Verschwörung angespielt. Inzwischen sei das Interesse verflogen, weil die Menschen in der Türkei andere Probleme hätten.

AG Augsburg – Eizellspende: Die Zeit (Martin Spiewak) schildert einen Prozess vor dem Amtsgericht Augsburg, in dem die sogenannte Kinderwunschberaterin Christine B. wegen Verstoßes gegen das Embryonenschutzgesetz angeklagt ist. Sie hat Paare bei der Inanspruchnahme von Eizellspenden in ausländischen Kliniken beraten. Das Verbot der Eizellspende ist inzwischen heftig umstritten.

Böhmermann vs. Merkel: spiegel.de (Tobias Hausdorf) sprach mit dem Medienrechtler Jonas Kahl über die von Jan Böhmermanns Anwalt angedrohte Klage gegen Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin wird aufgefordert, ihre Bewertung von Böhmermanns "Schmähgedicht" als "bewusst verletzend" zurückzunehmen. Die Klage könne sich im Wesentlichen auf den Gewaltenteilungsgrundsatz und das Sachlichkeitsgebot stützen, habe jedoch kaum Aussicht auf Erfolg, da sich die Bundeskanzlerin auf die außenpolitische Dimension des Falls berufen könne.

Middelhoff kritisiert Justiz: Die FAZ (Marcus Jung/Carsten Knop) und die Zeit (Marcus Rohwetter) stellen das neu erschienene Buch von Thomas Middelhoff vor, der 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt worden war. Darin rechnet der ehemalige Arcondor-Chef mit der Justiz ab, insbesondere mit dem Vorsitzenden Richter der Großen Strafkammer am Landgericht Essen und dem Strafvollzug, der nach Ansicht des Autors dringend der Reform bedarf.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. September 2017: Flüchtlingsumverteilung rechtmäßig / EuGH kippt Bußgeld gegen Intel / Beleidigung durch Flatulenz? . In: Legal Tribune Online, 07.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24361/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen