Die EU-Kommission genehmigt das Darlehen für Air Berlin. Außerdem in der Presseschau: Die Religionsfreiheit führt nicht zwangsläufig zu einer Befreiung von der Helmpflicht und eine Studie belegt regionale Unterschiede in der Examensbewertung.
Thema des Tages
EU-Kommission – Air-Berlin-Darlehen: Die Europäische Kommission hat den Überbrückungskredit der Bundesregierung für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin in Höhe von 150 Millionen Euro genehmigt. Dies berichten u.a. SZ (Jens Flottau/Julian Freitag), zeit.de, Welt und Hbl (Dana Helde). Der zeitlich begrenzte Kredit diene der geordneten Abwicklung des Unternehmens und habe minimale Auswirkungen auf den Wettbewerb, weshalb er als Beihilfe europarechtlich zulässig sei. Allerdings müsse Air Berlin wöchentlich Bericht über seine Finanzlage erstatten und zudem sichergestellt werden, dass der Kredit zurückgezahlt werde. Die irische Fluggesellschaft Ryanair hatte bei der Kommission Beschwerde gegen den Kredit eingelegt.
Rechtspolitik
Lobbyismus: Der Tsp (Hendrik Lehmann et al.) stellt eine umfassende eigene Studie vor, die den Einfluss von Lobbyismus auf Gesetzgebungsverfahren erforscht. Hierzu wurden Anfragen an sämtliche Ministerien gestellt und die Tagesordnungen der Bundestagsausschüsse ausgewertet. Am häufigsten waren demnach Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Ausschüssen zu Gast.
Medienöffentlichkeit im Gerichtsverfahren: Die taz (Christian Rath) erläutert das im Juni vom Bundestag beschlossene "Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren" (EMÖGG). Gerichtsverfahren von "herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung" dürften künftig in voller Länge akustisch aufgezeichnet werden, Urteile von Bundesgerichten im Fernsehen übertragen und Prozesse bei großem Andrang akustisch in einen zusätzlichen Arbeitsraum beim Gericht übertragen werden. Allerdings komme das Gesetz für das NSU-Verfahren, das der Anlass für die Gesetzesänderung war, zu spät.
Wahlprogramm Arbeitsrecht: Rechtsprofessor Markus Stoffels stellt auf community.beck.de das Wahlprogramm von CDU/CSU hinsichtlich ihrer Forderungen im Arbeitsrecht vor. Sie setzten sich etwa für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts ein und wollten offensichtliche Missbräuche bei Befristungen bekämpfen. Insgesamt sei das Programm indes sehr abstrakt und enthalte nur wenige konkrete Festlegungen.
Kreislaufwirtschaft: Die taz (Christian Rath) berichtet über eine geplante Verordnung der Bundesregierung, die es ermöglichen soll, dass Bauschutt und Industrieschlacken künftig häufiger als Baumaterial wiederverwertet werden. Problematisch sei indes, dass die Verordnung die Verwendung selbst schadstoffhaltiger Abfälle zulasse. Der federführende Umweltausschuss des Bundestages befasst sich am heutigen Dienstag mit dem Vorhaben.
Justiz
VGH Baden-Württemberg zu Helmpflicht für Sikhs: Die Straßenverkehrsbehörde muss einem gläubigen Sikh nicht zwingend eine Ausnahmegenehmigung von der Helmpflicht erteilen, damit dieser auch als Motorradfahrer im Straßenverkehr einen Turban tragen kann. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, wie u.a. lto.de berichtet. Zwar sei die Helmpflicht ein Eingriff in die Religionsfreiheit, da der Kläger unter seinem Helm nicht gleichzeitig einen Turban tragen könne. Das Ermessen der Behörde sei jedoch nicht auf null reduziert, da eine Helmpflicht auch den Interessen Dritter diene. So sei ein behelmter Unfallbeteiligter seinerseits regelmäßig besser in der Lage, die körperliche Unversehrtheit Dritter zu schützen, da er etwa die Unfallstelle sichern oder Erste Hilfe leisten könne. Auch könnten Dritte angesichts schwerwiegender Verletzungen psychische Schäden erleiden.
BVerfG – Neuer Richter: Die SZ (Wolfgang Janisch) porträtiert den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes, Josef Christ, der am heutigen Dienstag voraussichtlich zum neuen Verfassungsrichter gewählt wird. Wie sein Vorgänger Wilhelm Schluckebier gelte auch Christ als eher konservativ. Nach einer Gesetzesänderung werde er als erster Verfassungsrichter überhaupt vom Plenum des Bundestages gewählt, nicht wie bisher durch einen zwölfköpfigen Wahlausschuss.
OLG München – NSU: Die FAZ (Helene Bubrowski) fasst die Plädoyers der Bundesanwaltschaft zur Rolle der Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrundes" vor dem Oberlandesgericht München zusammen. Insbesondere der Mitangeklagte André E. habe der Organisation die nötigen Kontakte in die Legalität geliefert. Auch Holger G. sei wegen der Unterstützung einer terroristischen Organisation schuldig, wenn er auch nicht im gleichen Umfang in die Aktivitäten der Gruppe eingeweiht gewesen sei. Die weiteren Mitangeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. hätten sich durch das Besorgen der Tatwaffe der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht.
LG Bochum – Werner-Mauss-Prozess: Die SZ (Ralf Wiegand) berichtet über den Prozess gegen den Agenten Werner Mauss wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Bochum. Der Angeklagte bringe zu seiner Verteidigung vor, ihm sei im Jahr 1985 von ausländischen Organisationen ein Vermögen von 23 Millionen Euro treuhänderisch überlassen worden, auf das er keine Steuern habe zahlen müssen. Ein mysteriöser Entlastungszeuge solle diese Geschichte bestätigen, dieser sei indes am Montag bereits zum dritten Mal trotz Ladung nicht vor Gericht erschienen.
BVerfG – Fliegendes Spaghettimonster: Der satirische Verein "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" hat Verfassungsbeschwerde gegen die Aberkennung des Status als Weltanschauungsgemeinschaft eingelegt. Dies meldet die taz. Der Vereinigung war zuvor vom Oberlandesgericht Brandenburg verboten worden, am Ortseingang zum brandenburgischen Templin Hinweisschilder zu ihren "Messen" aufzustellen.
OLG Frankfurt – Herausgabe von Mailadressen: Youtube und Google müssen bei Urheberrechtsverstößen die E-Mail-Adressen der dafür verantwortlichen Nutzer herausgeben. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, wie lto.de und FAZ melden. Da Youtube und Google die Dienstleistung zur Verfügung gestellt hätten, über welche die Urheberrechtsverletzungen begangen wurden, seien sie nach § 101 Abs. 3 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) dazu verpflichtet, Auskunft über Name und Anschrift der Verletzer zu geben. Nach einem modernen Verständnis des Begriffs der "Anschrift" sei hierunter auch die Mailadresse zu verstehen.
AG Leipzig – Anschlag auf Justizminister: Am Amtsgericht Leipzig hat der Prozess um den Buttersäureanschlag auf die Wohnung des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) begonnen. Dies berichtet die FAZ (Stefan Locke). Die Staatsanwaltschaft nehme an, dass der Minister wegen seiner Kritik am Leipziger Pegida-Ableger "Legida" in den Fokus zweier Anhänger der rechten Szene geraten sei. Nicht auszuschließen sei jedoch auch, dass die Angeklagten einer Verwechslung unterlagen und eigentlich einen Vertrieb für linke Szene-Kleidung angreifen wollten, dessen Name ebenfalls auf dem Klingelschild des betroffenen Wohnhauses stand.
Recht in der Welt
Libyen – Mittelmeereinsatz: Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu dem Schluss, dass der libysche Einsatz im Mittelmeer gegen das Völkerrecht verstößt. Dies berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung. Libyen hatte eine weit in internationale Gewässer reichende "Such- und Rettungszone" vor der Küste des Landes eingerichtet, um gegen Schiffe von Nichtregierungsorganisationen vorzugehen, die im Mittelmeer Geflüchtete retten. Eine solche Beeinträchtigung verstoße gegen das seevölkerrechtliche Recht auf freie Schifffahrt.
Irak – IS-Prozess: Die irakische Generalstaatsanwaltschaft in Bagdad hat ein Strafverfahren gegen vier deutsche Frauen eröffnet, die sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen hatten und nach der Befreiung der IS-Hochburg Mossul festgenommen worden waren. Dies berichtet spiegel.de (Matthias Gebauer/Roman Lehberger). Auch der Generalbundesanwalt in Deutschland ermittle gegen die Frauen wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Das Bundeskriminalamt bemühe sich daher bei den irakischen Behörden um eine formelle Vernehmung der Frauen, um Einblicke in die Strukturen des IS und Hinweise auf andere aus Deutschland ausgereiste Islamisten zu erhalten.
Burundi – UN-Untersuchungskommission: Eine vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Untersuchungskommission wirft der Regierung von Burundi vor, Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Oppositionellen begangen zu haben. Dies berichtet die taz (Dominic Johnson). Dabei handele es sich um illegale Hinrichtungen, um Folter, Verschwindenlassen, Folter und sexuelle Übergriffe, die ausgedehnt und systematisch stattfänden.
Sonstiges
Unterschiedliche Examensbenotung: Die Bewertung des Zweiten Staatsexamens hängt bedeutend vom Ort ab, an dem die Prüfung abgelegt wird. Zu diesem Befund kommt eine Studie von Forschern der Universität Bremen, wie nun auch lto.de berichtet. Die Studie verglich die Ergebnisse von Prüflingen, die nach dem Ersten Staatsexamen den Ort wechselten, mit solchen, die beide Examina am gleichen Ort ablegten. So verbessere sich die Note nach einem Wechsel von Nordrhein-Westfalen nach Bremen im Schnitt um 1,6 Punkte, bei einem Wechsel von Hessen nach Baden-Württemberg verschlechtere sie sich hingegen durchschnittlich um 1,1 Punkte. Derartig signifikante Abweichungen würden die von § 5d Abs. 1 S. 2 Deutsches Richtergesetz (DRiG) geforderte Bundeseinheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung in Frage stellen.
Gauland in Nürnberg: Der Zweite Bürgermeister Nürnbergs, Christian Vogel (SPD), wendet sich gegen einen geplanten Auftritt Alexander Gaulands (AfD) in der Meistersingerhalle in Nürnberg. Dies meldet lto.de. Hintergrund sei Gaulands umstrittene Äußerung über die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Sollte Gauland sprechen, werde die Stadt von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen. Ein solches sehe die Mietsatzung vor, wenn Nürnberg als Stadt des Friedens und der Menschenrechte Schaden nehmen könne.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. September 2017: EU-Kommission genehmigt Air-Berlin-Kredit / Helmpflicht trotz Turban / Unterschiedliche Examensbewertungen . In: Legal Tribune Online, 05.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24307/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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