Die juristische Presseschau vom 31. August 2017: Mor­dur­teil nach 30 Jahren / Rechts­wid­rige BKA-Daten / Ung­leiche Exa­mens­be­no­tung

31.08.2017

Das Landgericht Zwickau hat einen Mann dreißig Jahre nach der Tat verurteilt. Außerdem in der Presseschau: Innenministerium räumt rechtswidrige Datensammlung ein und Studie fördert regionale Unterschiede bei der Examensbenotung zutage.

Thema des Tages

LG Zwickau – Mordurteil nach 30 Jahren: Das Landgericht Zwickau hat einen heute 62-Jährigen zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Es sah es als erwiesen an, dass der Mann vor dreißig Jahren eine 18-jährige Frau vergewaltigt und ermordet hat. Hauptindiz, auf das sich das Urteil stützt, ist eine DNA-Spur vom Büstenhalter des Opfers, die durch neue Auswertungsmethoden Jahrzehnte nach der Tat zum mutmaßlichen Täter führte. Die Verurteilung erfolgte nach DDR-Recht. Den Fall schildern die Welt (Gisela Friedrichsen) und die FAZ (Stefan Locke).

Rechtspolitik

BKA-Datensammlung: Das Innenministerium hat eingeräumt, dass die Entziehung der Akkreditierung für die Berichterstattung zum G-20-Gipfel in mindestens vier Fällen rechtswidrig war. Gleichzeitig hat es angekündigt, den gesamten Speicher- und Löschprozess für die Dateien des Bundeskriminalamtes zu überprüfen. Es wird befürchtet, dass weit mehr Personen als die betroffenen Journalisten rechtswidrig in Dateien des Bundeskriminalamtes gespeichert sind, wie spiegel.de (Matthias Gebauer) und netzpolitik.org (Markus Reuter) schreiben.

In einem Kommentar bedankt sich Tobias Schulze (taz) beim Leiter des Bundespresseamtes, Steffen Seibert. Dessen Entziehung von Akkreditierungen hätte dafür gesorgt, dass endlich über die "willkürliche Speicherpraxis der Polizeibehörde" gesprochen werde.

"Lex Schröder": Der ehemalige Berliner Justizsenator Thomas Heilmann fordert in einem Gastbeitrag für das Hbl anlässlich des Engagements des ehemaligen Kanzlers beim russischen Konzern Rosneft eine "Lex Schröder". Dieser könne sich bisher auf eine Stichtagsregelung berufen, nach der Einkünfte aus anderen Quellen nicht auf die Bezüge als ehemaliger Bundeskanzler anzurechnen sind. Notwendig sei daher "ein Gesetz, das ehemalige Bundeskanzler genauso zu Loyalität und Transparenz verpflichtet wie jeden Beamten".

Neuer Verfassungsrichter: Die taz (Christian Rath) stellt Josef Christ vor, der am kommenden Dienstag voraussichtlich zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt wird. Der bisherige Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts sei politisch gut vernetzt, gelte jedoch nicht als Parteisoldat, sondern als "fleißiger, akribischer Richter". Er werde als erster Richter überhaupt vom Plenum des Bundestags gewählt und folge auf Wilhelm Schluckebier.

Musterfeststellungsklage: In einem Gastbeitrag für die FAZ befasst sich Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, mit der geplanten Einführung der Musterfeststellungsklage. Der Entwurf aus dem Bundesjustizministerium habe nicht ausschließen können, dass sich auch Anwaltsfirmen mit eigenen Geschäftsinteressen unter die EU-weit gelisteten Verbraucherverbände mischten. Insgesamt seien übertriebene Hoffnungen fehl am Platz. Die Musterfeststellungsklage schaffe kein materielles Recht und setze individuelle Ansprüche der Geschädigten voraus.

Strafvollzug: Im Interview mit lto.de (Maximilian Amos) weist der Kriminologe und Rechtsprofessor Hauke Brettel auf die Bedeutung des Strafvollzugs für den Opferschutz hin. Resozialisierung sei zwar in allen Strafvollzugsgesetzen als oberstes Vollzugsziel vorgegeben, werde jedoch sehr unterschiedlich umgesetzt. Verfassungsrechtlich geboten sei auch eine weitestgehende Gleichstellung von Strafgefangenen, die aber nicht noch nicht verwirklicht sei, wie das Beispiel des Sozialversicherungsschutzes zeige.

Bürgerversicherung: Der emeritierte Rechtsprofessor und ehemalige Verfassungsrichter Udo Steiner kritisiert die von einigen Parteien geforderte Zusammenführung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung in eine Bürgerversicherung als verfassungswidrig. Das Verbot für private Krankenversicherungen, neue Verträge abzuschließen, verletze die Berufsfreiheit. Zudem dürfe der Gesetzgeber die beiden Kompetenztitel für das privatrechtliche Versicherungswesen und für die Sozialversicherung nicht kombinieren. Schließlich müsse der angemessene Lebensunterhalt von Beamten sichergestellt werden. Dafür könne der Bund nur für seine Beamten Regelungen treffen.

Religionsfreiheit: Rechtsprofessor Markus Heimann setzt sich in der FAZ mit aktuellen Herausforderungen im Umgang mit Religionen auseinander. Wann eine Einschränkung der Religionsfreiheit verfassungsgemäß sei, sei letztlich eine Abwägungsentscheidung, die ihren politischen Charakter nicht verleugnen könne. Der Gesetzgeber solle sich stärker als bisher der Frage stellen, in welchen Lebensbereichen religiös motivierte Handlungsweisen hingenommen werden können. Elementar sei letztlich das "Verständnis und die Akzeptanz der Funktionsweise der Religionsfreiheit auf allen Seiten".

Di Fabio zu Euro und Europa: Im Interview mit der Zeit (Roman Pletter/Mark Schieritz, zeit.de-Vorabmeldungen) kritisiert Udo Di Fabio, Rechtsprofessor und ehemaliger Verfassungsrichter, die Anleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank. Er geht davon aus, dass der Europäische Gerichtshof nach der Vorlage des Bundesverfassungsgerichts Auflagen definiere. Skeptisch äußert sich Di Fabio zudem zu deutsch-französischen Plänen einer europäischen Wirtschaftsregierung.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. August 2017: Mordurteil nach 30 Jahren / Rechtswidrige BKA-Daten / Ungleiche Examensbenotung . In: Legal Tribune Online, 31.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24219/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen