Die juristische Presseschau vom 2. August 2017: Modell­ver­such zur Gesicht­s­er­ken­nung / NSU-Pläd­o­yers / Putsch-Pro­zess in der Türkei

02.08.2017

 

Recht in der Welt

Türkei – Putsch-Prozess: In der Türkei hat ein Prozess gegen insgesamt 486 angebliche Putschisten begonnen. Hierüber berichten taz, welt.de (Boris Kálnoky), SZ und spiegel.deHauptangeklagter ist der in den USA lebende Prediger Fethullah Gülen, gegen den in Abwesenheit verhandelt wird. Vielen der vor Gericht gebrachten Personen drohen lebenslange Haftstrafen. Bei der Ankunft der Angeklagten in dem eigens für den Prozess errichteten Gerichtsgebäude im Gefängnis von Sincan bei Ankara wurden die Angeklagten von einer aufgebrachten Menge empfangen. Die Demonstranten beschimpften die Angeklagten, die jeweils von zwei Polizisten begleitet wurden, und forderten die Todesstrafe.

Griechenland – Chefstatistiker verurteilt: Der ehemalige Chef des griechischen Statistikamtes Elstat, Andreas Georgiou, ist zu einer zweijährigen Jahren Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Dies meldet die taz. Georgiou hatte 2010 die Zahlen betreffend einer unerwartet hohen Neuverschuldung Griechenlands an die europäischen Statistikbehörde Eurostat weitergeleitet, ohne hierfür die Zustimmung des Vorstandes des griechischen Statistikamtes einzuholen. Die FAZ (Tobias Piller) erläutert die verschiedenen anderen Verfahren, die gegen Georgiou wegen seiner Tätigkeit eingeleitet wurden.

Jordanien – Vergewaltigung: In Jordanien ist ein Gesetz abgeschafft worden, das Vergewaltigern Straffreiheit zubilligte, wenn diese ihr Opfer später heiraten. Dies melden faz.net und taz. Der Streichung war eine langjährige Kampagne von Frauenrechtsverbänden vorausgegangen. Ähnliche Gesetze wurden zuvor auch in Marokko, Ägypten und Tunesien aufgehoben, sie bestehen indes weiterhin fort in Algerien, dem Irak, Kuwait, Libyen und Syrien. 

Spanien – Katalanisches Unabhängigkeitsreferendum: Das spanische Verfassungsgericht hat ein Gesetz des katalanischen Regionalparlaments aufgehoben, das die Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums ermöglich hätte. Dies meldet die taz. Die Verfassungsklage war von Ministerpräsident Mariano Rajoy erhoben worden. 

Russland – Haftbedingungen: In der taz berichtet der ehemalige russische Lagerhäftling Nik Lisak über den Alltag in der Haft. Es herrsche ein strenges Arbeitsregiment, Regelverstöße würden mit Bestrafungen wie Knüppelschlägen, Schlafentzug oder Beschallung mit ohrenbetäubender Musik geahndet.  

Sonstiges 

Cum-Ex-Geschäfte – Professorale Gutachten: In einem Bericht über den Untersuchungsausschuss zu den sogenannten Cum-Ex-Geschäften berichtet das Hbl (Sönke Iwersen/Volker Votsmeier) über die "unrühmliche Rolle", die Universitätsprofessoren mit bezahlten Gutachten in diesem Zusammenhang gespielt haben sollen. Mit den Cum-Ex-Geschäften war es Finanzanlegern gelungen, mehr Kapitalertragsteuer abzuzweigen, als zuvor einbehalten worden war. Hierdurch wurde der deutsche Fiskus um einen Milliardenbetrag geschädigt. Verschiedene Steuerrechtsprofessoren wie Joachim Englisch aus Münster und Marc Desens aus Leipzig hätten in hochbezahlten Gutachten die Legalität dieser Praxis bescheinigt und trügen daher eine Mitverantwortung. Überdies hätten die Professoren ihre Auffassung auch in Fachzeitschriften vertreten, ohne dabei auf ihre parallele Gutachtertätigkeit hinzuweisen. 

Fluggastrechte: Die SZ (Caspar Busse) erläutert das Geschäftsmodell einiger Online-Portale, die Entschädigungen wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge bei Fluggesellschaften geltend machen. Zwar stünden Kunden oft Entschädigungen zu, diese seien jedoch nur mühsam einzutreiben. Fluggastrechte-Portale übernehmen kostenlos die Rechtsverfolgung für den Kunden, behalten jedoch im Erfolgsfall einen Teil der Entschädigung ein, meist etwa 30 Prozent. In einem separaten Artikel porträtiert SZ (Caspar Busse) mit Eve Büchner die Gründerin eines solchen Portals.

Richterinnen mit Kopftuch: Anlässlich der Diskussion um die Vereinbarkeit des Tragens des muslimischen Kopftuches mit dem richterlichen Neutralitätsgebot befasst sich Privatdozent Florian Steinhauer auf verfassungsblog.de mit dem Sinn und Zweck des Tragens von Richterroben. Die Richterrobe sei eine Verkleidung, die es ermögliche, in Amt und Rolle des Richters versetzt zu werden. In dieser Funktion seien sich Richterrobe und Kopftuch ähnlich, da sie beide eine dogmatisch begründete Abschirmung der betreffenden Person zur Folge hätten. Das Tragen eines Kopftuches sei folglich mit dem Richteramt keineswegs unvereinbar.    

Das Letzte zum Schluss

Brandstiftung gegen Unordnung: Über eine unorthodoxe Art und Weise, in der Nachbarschaft aufzuräumen, berichtet spiegel.de. Nachdem eine ältere Dame im sächsischen Scheckwitz sich lange genug über Unordnung und Ratten in der Bäckerei nebenan aufgeregt hatte, zündete die 71-Jährige das Gebäude am Silvesterabend 2016 kurzerhand an. Ein Atemalkoholtest ergab später einen Wert von 1,2 Promille. Das Amtsgericht Bautzen verurteilte die Frau nun zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Den Sachschaden in Höhe von 4.600 Euro habe sie bereits beglichen, alle Seiten verzichteten auf Rechtsmittel.  

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mps

(Hinweis für Journalisten)   

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. August 2017: Modellversuch zur Gesichtserkennung / NSU-Plädoyers / Putsch-Prozess in der Türkei . In: Legal Tribune Online, 02.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23737/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen