Vor dem OLG Düsseldorf beginnt der Prozess gegen drei mutmaßliche IS-Terroristen. Außerdem in der Presseschau: Altersgrenzen für Piloten sind mit EU-Recht vereinbar und einer Bank unterläuft eine womöglich teure Panne.
Thema des Tages
OLG Düsseldorf – Anschlagsplan: Drei Männer sind vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Verabredung eines Verbrechens angeklagt. Sie sollen der Terrororganisation Islamistischer Staat angehören und einen großen Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant haben. Die Angeklagten waren als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland gelangt. Der Hauptangeklagte und Hauptzeuge in dem Verfahren werde von der Staatsanwaltschaft als äußerst glaubwürdig eingeschätzt, wie die SZ (Jan Bielicki) schreibt. Es berichten auch die FAZ (Reiner Burger) und die taz (Sabine am Orde).
Sabine am Orde (taz.de) meint, der Fall spiele nicht nur Rechtspopulisten in die Hände. Er sei geeignet, den Generalverdacht gegen geflüchtete Menschen zu nähren und füge sich so auch in die Strategie des Islamischen Staates ein, die Polarisierung der westlichen Gesellschaften zu verstärken.
Rechtspolitik
"Ehe für alle": Der Rechtsprofessor Matthias Jestaedt argumentiert in einem Gastbeitrag in der FAZ, dass sich der verfassungsrechtliche Begriff der Ehe nicht durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts geändert habe; der Ehebegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches und jener des Grundgesetzes seien also verschieden. Es sei aber davon auszugehen, dass das Gesetz nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungswidrig sei. Was bleibe, sei aber die Frage, wie mit der Divergenz zwischen zivil- und verfassungsrechtlichem Ehebegriff umzugehen sei.
Patrick Bahners (FAZ) meint hingegen, dass sich zivil- und verfassungsrechtlicher Ehebegriff nicht unterschieden. Das Grundgesetz müsse schließlich ausgelegt werden und hierzu sei nicht lediglich das Bundesverfassungsgericht, sondern auch der Gesetzgeber berufen. Mit dem politischen Wandel, der mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz begonnen habe und sich nun in der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vollende, sei davon auszugehen, dass sich auch der Ehebegriff geändert habe. Die Möglichkeit hierzu habe das Bundesverfassungsgericht bereits 1993 angedeutet, ein widersprechendes Judikat aus dem Jahr 2002 könne korrigiert werden.
Der Rechtsprofessor Christoph Möllers stellt in der Zeit den Meinungsstand zur Frage nach der Vereinbarkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe mit dem verfassungsrechtlichen Ehebegriff dar. Selbst wenn man zu dem Ergebnis komme, dass sich die Ehebegriffe unterscheiden, sei jedoch nicht erkennbar, weshalb hieraus eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts folgen solle. Der Eigentumsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches sei schließlich auch ein anderer als der des Grundgesetzes. Auch sei kein Freiheitsverlust für Partner der klassischen Ehe ersichtlich; ein Gebot, gleichgeschlechtliche Paare zu benachteiligen, gebe es umgekehrt nicht. Eine Argumentationslinie, die gegen das unbeschränkte Adoptionsrecht und auf das Kindeswohl gerichtet sei, verfange ebenso wenig.
Staatstrojaner: Das Staatstrojaner-Gesetz ist Gegenstand deutlicher Kritik im Bundesrat, wie netzpolitik.org (Constanze Kurz) berichtet. Kritisiert werden nicht nur die erheblichen Grundrechtseingriffe, sondern auch der Gesetzgebungsprozess.
Gaffer: Joachim Käppner (SZ) begrüßt die Änderung der Bußgeldordnung, die für die Behinderung von Rettungskräften bis zu 320 Euro Bußgeld, einen Monat Fahrverbot und zwei Punkte in der sogenannten Verkehrssünderdatei vorsieht. Der Autor meint, man könne die sanktionierten Verhaltensweisen – insbesondere das Gaffen – auf einen Zeitgeist zurückführen, der von sozialen Netzwerken und Reality TV geprägt werde. Zwar könne bemängelt werden, dass sich die politische Reaktion in schärferen Gesetzen erschöpfe, dies sei aber überfällig und aus generalpräventiven Gesichtspunkten durchaus sinnvoll.
Justiz
BGH zu Soldat unter Terrorverdacht: Der Bundesgerichtshof hat einen bis dato mutmaßlichen Komplizen des Soldaten Franco A. aus der Untersuchungshaft entlassen, wie die SZ meldet. Nach Ansicht des Gerichts gebe es keinen dringenden Verdacht für eine Tatbeteiligung gegen den Mann. Den beiden Soldaten Franco A. und Maximilian T. wird vorgeworfen, Anschläge auf hochrangige Politiker geplant zu haben. Es berichtet auch spiegel.de.
BGH zu Solar-Subventionen: Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil entschieden, dass die Rückforderung von Subventionen für Photovoltaikanlagen wegen eines Meldepflichtverstoßes rechtmäßig ist. In dem verhandelten Fall ging es um einen Landwirt aus Schleswig-Holstein, der in einem Formular angegeben hatte, seine Solaranlage bei der Bundesnetzagentur gemeldet zu haben, dies aber tatsächlich unterlassen hatte; die gewährte Subvention wurde daraufhin zurückgefordert. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Meldung nicht um eine bloße Formalie, sondern um einen integralen Bestandteil des Fördersystems, wie die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet. Es seien noch 500 ähnliche Verfahren bei Gericht anhängig.
BAG – Altersgrenze: Der Europäische Gerichtshof hat auf eine Vorlagefrage des Bundesarbeitsgerichts hin entschieden, dass eine starre Altersgrenze für Piloten mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Der Unionsgesetzgeber müsse keine individuelle Prüfung der physischen und psychischen Konstitution vorsehen. Die Entscheidung gelte allerdings nur für den gewerblichen Luftverkehr, wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) schreibt. Es berichtet auch die Welt.
OLG Köln zu Fotograf: Das Oberlandesgericht Köln hat einen Fotografen, der das Bild eines vermeintlichen Ebola-Patienten gegen dessen Willen verbreitet hatte, zu einer Geldstrafe verurteilt, wie die SZ meldet. Der Mann hatte einen Patienten im Klinikum Aachen fotografiert; obwohl ihm mitgeteilt wurde, dass die Krankheit nicht diagnostiziert wurde, bot er die Abbildung mit der Bezeichnung "Ebola-Verdächtiger“ an.
OLG München zu Abgasskandal: Das Oberlandesgericht München hat im Zusammenhang mit dem Skandal um manipulierte Abgaswerte die Klage eines Autokäufers abgewiesen. Als erstes Oberlandesgericht entschied es, dass eine arglistige Täuschung im konkreten Fall nicht ersichtlich sei und der Käufer vor dem Rücktritt vom Kaufvertrag zunächst hätte Nachbesserung verlangen müssen. Vor deutschen Gerichten seien noch 4.000 ähnliche Fälle anhängig, so die FAZ (Carsten Germis).
OLG München – NSU: Der Richter Lorenz Leitmeier geht anlässlich des NSU-Prozesses auf lto.de der Frage nach, weshalb Richter in manchen Phasen des Prozesses wenig Kontrolle über das Geschehen zu haben scheinen. Dies finde seinen Grund in der Prozessrolle des Angeklagten als Subjekt, ausgestattet mit eigenen Rechten, wie dem Frage- und dem Beweisantragsrecht. Außerdem gebe es die Nebenkläger, die ebenfalls auf das Verfahren einwirken könnten. Eine Grenze für eine ausufernde Beweisaufnahme bilde lediglich das Beschleunigungsgebot, im Zielkonflikt mit der Wahrheit setze sich aber letztere in der Regel durch.
LG Frankfurt/Main – Bankenpanne: Das Landgericht Frankfurt am Main soll einen Streit zwischen einem freien Wertpapierhändler und einer Bank über einen sogenannten "Mistrade" klären. Das Geldhaus, bei dem es sich nach Informationen der FAZ (Christian Siedenbiedel) um die französische BNP Paribas handelt, hatte ein Zertifikat versehentlich zum Preis von 108 Euro statt von 54.000 Euro angeboten. Der Kläger wolle nun den sich daraus ergebenden Wert der Zertifikate in Höhe von 163 Millionen Euro tatsächlich ausgezahlt bekommen, die Bank weigere sich aber. In dem Fall stelle sich insbesondere die Frage, ob die Bank den Fehler innerhalb einer bestimmten Frist hätte bemerken und melden müssen.
LG Köln zu Grönemeyer-Berichterstattung: Herbert Grönemeyer hat vor dem Landgericht Köln mit Erfolg gegen die Berichterstattung über seine Auseinandersetzung mit einem Fotografen sowie einem Kameramann geklagt. Dem Heinrich Bauer Verlag ist es nun untersagt, Bilder des Vorfalls zu verbreiten; ebenso darf der Axel Springer Verlag nicht mehr behaupten, der Sänger habe einen Fotografen gewürgt. Der Bunte Entertainment Verlag muss sogar eine Richtigstellung veröffentlichen. Es sei davon auszugehen, dass die beteiligten Fotografen wegen Falschaussage angeklagt werden, berichtet die SZ (Hans Leyendecker).
LG Tübingen – Negativzins: Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat wegen der Erhebung von Negativzinsen Klage gegen die Volksbank Reutlingen eingereicht. Es gehe um die Frage, ob es zulässig sei, von bestehenden Kunden ohne ausdrückliche Zustimmung einen Strafzins auf Tagesgeld zu erheben, wie das Hbl (Elisabeth Atzler u.a.) schreibt. Die Verbraucherzentrale hatte die Bank bereits abgemahnt, eine Unterlassungserklärung habe sie allerdings nicht unterzeichnet.
Recht in der Welt
Niederlande – Prozess wegen MH17-Abschuss: Die Länder des Gemeinsamen Ermittlungsteams (JIT) haben sich darauf verständigt, dass die mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für den Abschuss von Flug MH17 in den Niederlanden vor Gericht gestellt werden sollen. Festnahmen habe es in diesem Zusammenhang noch nicht gegeben, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko habe aber angekündigt, die Niederlande zu unterstützen, wie die SZ schreibt. Der Flug MH17 war am 17. Juli 2014 über der Ostukraine abgestürzt; es wird vermutet, dass prorussische Rebellen das Flugzeug mit einer Rakete abgeschossen haben.
Kritik an EGMR: Die FAZ (Michael Martens) setzt sich mit der Kritik an einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auseinander, nach der ein türkischer Kläger zunächst den Rechtsweg in seinem Heimatland ausschöpfen müsse. Es sei kaum möglich, einen Rechtsweg zu beschreiten, der nur auf dem Papier existiere. Der Deutsche Anwaltverein habe hierzu erklärt, der Gerichtshof solle sich nicht hinter formellen Anforderungen verstecken. Letztlich müsse man sich aber die Frage stellen, ob sich Erdoğans "neue Türkei" überhaupt von einer Verurteilung beeindrucken lasse.
Sonstiges
Transparenz: Der Europarat sieht Mängel bei den deutschen Bemühungen zur Verhinderung von Korruption in der Gesetzgebung. Die im Rahmen des Europarates gebildete Staatengruppe gegen die Korruption (Greco) rüge insbesondere die mangelnde Transparenz der parlamentarischen Arbeit, wie die taz (Christian Rath) weiß. Die aus Anlass der letzten Evaluation 2014 formulierten Empfehlungen seien nur zum Teil umgesetzt worden, verfassungsrechtliche Bedenken konnten Greco insofern nicht überzeugen.
G-20-Proteste: Der Rechtsanwalt Martin W. Huff setzt sich auf lto.de mit der Praxis der Hamburger Polizei auseinander, Demonstranten dann als "gefährlich" zu bewerten, wenn sie von Anwälten des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV) vertreten werden. Der Autor hält diesen Rückschluss weder für sinnvoll noch für zulässig; er sei vielmehr kaum mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar. Letztlich schulde die Stadt Hamburg den betroffenen Anwälten eine Entschuldigung.
Aus Anlass des G-20-Gipfels spricht lto.de (Tanja Podolski) mit dem Rechtsprofessor Klaus-Ferdinand Gärditz aus Anlass über das Versammlungsrecht. In dem Interview wird insbesondere die versammlungsrechtliche Zulässigkeit von Protestcamps erörtert. Das Verbot solcher Lager könne nach den Umständen des Einzelfalls durchaus rechtmäßig sein, es müsse aber stets eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgen.
Ceta-Stopp: Nach einem Gutachten des Tübinger Staatsrechts-Professors Martin Nettesheim kann die Ratifizierung des EU-Freihandelsabkommens Ceta durch Deutschland nur unter Mitwirkung des Bundesrates erfolgen. Die Argumentation des Rechtsprofessors beruht auf Art. 23 des Grundgesetzes, nach dem Hoheitsrechte durch Gesetz nur mit Zustimmung des Bundesrates auf die EU übertragen werden dürfen. Eben dies sei bei Ceta der Fall. Damit könnte eine Ratifizierung am Widerstand des Bundesrates scheitern, wie die taz (Christian Rath) berichtet.
Das Letzte zum Schluss
Schiffe versenken: Ein 65 Jahre alter Mann aus Breitbrunn am Chiemsee hat aus Ärger drei Löcher in das Segelboot seines Nachbarn gebohrt. Der Nachbar hatte das Schiff vor seinem Wohnzimmerfenster für mehrere Monate abgestellt und so die Wohnung des Täters verdunkelt. Nachdem das Boot schließlich zu Wasser gelassen wurde, sank es beinahe auf den Grund des Hafenbeckens. Der Täter wurde nun vom Amtsgericht Starnberg wegen Sachbeschädigung und vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr verurteilt, wie die SZ (Christian Deussing) berichtet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fs
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. Juli 2017: Prozess um geplanten IS-Anschlag / EuGH zu Altersgrenzen / Teure Panne . In: Legal Tribune Online, 06.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23376/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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