Der bayerische Innenminister will auch Minderjährige und Kinder durch den Verfassungsschutz beobachten lassen. Außerdem in der Presseschau: Alterspräsident künftig nach Dienstalter und Antrag auf Beratung des Gesetzentwurfes "Ehe für Alle".
Thema des Tages
Altersgrenze für Verfassungsschutzbeobachtung: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will es dem Verfassungsschutz ermöglichen, auch Kinder im islamistischen Umfeld zu beobachten. Das berichtet unter anderem zeit.de. Der Vorschlag stößt bei den anderen Parteien auf heftige Kritik: Laut FAZ (Günther Bannas) will die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) eher auf Prävention setzen und auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann meint, dass Kinder nicht Zielobjekt des Verfassungsschutzes sein dürften. Besonders deutlich wandte sich der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken gegen den Vorschlag: "Wer Kinder vom Geheimdienst beobachten lassen will, ist schlicht unanständig", sagte Jan Korte.
Rechtspolitik
Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Pläne zur gesetzlichen Regelung von Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung scharf kritisiert. Kurz vor Ende der Wahlperiode sollten sensibelste Ermittlungsmaßnahmen durch die Hintertür eingeführt werden, die zur umfassenden Ausspähung führten, zitiert der Spiegel die ehemalige Bundesjustizministerin.
Gesetzgebungsmarathon: Unter anderem die SZ gibt einen Überblick über die am Donnerstag und Freitag in Bundestag und Bundesrat getroffenen Gesetzesbeschlüsse. Der Bundestag hat u.a. die grundsätzliche Nichtigkeit von Kinderehen, die Pflicht zur Impfberatung und die Abschaffung des § 103 StGB beschlossen. Der Bundesrat hat u.a. einer Rentenerhöhung und dem Kita-Ausbau zugestimmt. Außerdem hat die Länderkammer Regelungen zu einer besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht passieren lassen.
Finanzreform u.a.: Der Bundesrat hat am Freitag auch der Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs zugestimmt. Wie u.a. die Samstags-FAZ (Dietrich Creutzburg/Manfred Schäfers) berichtet, erhalten die Länder jedes Jahr knapp zehn Milliarden Euro zusätzlich vom Bund und übertragen diesem im Gegenzug mehr Rechte beim Bau von Autobahnen, in der Steuerverwaltung und für Investitionen in Schulen. Außerdem hat der Bundesrat dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz und der Umsetzung der europäischen Geldwäscherichtlinie zugestimmt. Mit letzterer wird u.a. ein elektronisches Transparenzregister eingerichtet, das Briefkastenfirmen das Geschäft erschweren soll.
Mit der Reform des Bund-Länder-Finanzausgleiches befasst sich Lydia Rosenfelder (FAS). Anders als von den politischen Entscheidungsträgern immer wieder behauptet, meint sie, dass es für die Menschen gerade nicht unerheblich sei, wer eine Schule saniere. Denn dann sei auch nicht klar, wer es gegebenenfalls "vermasselt" habe.
Polizeirecht: Am Beispiel des bayerischen Gesetzentwurfes für ein Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen befasst sich die Samstags-SZ (Josef Kelnberger/Ronen Steinke) mit der ambivalenten Situation, der sich die Grünen im Süden der Republik ausgesetzt sehen. Während in Bayern die Grünen heftigen Widerstand gegen Verschärfungen im Bereich der Inneren Sicherheit leisteten, sei die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg auch angesichts des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes eher kompromissbereit. So soll die Einführung der elektronischen Fußfessel für Gefährder, gegen die Bayerns Grüne noch Sturm laufen, in Baden-Württemberg auch mit den Stimmen ihrer Partei beschlossen werden.
Etwas anders stellt es die FAZ (Rüdiger Soldt) in ihrem Beitrag zur Diskussion um die Neuregelungen des baden-württembergischen Polizeigesetzes dar: Die dortigen Grünen wollten zwar – anders als der bayerische, in der Opposition agierende Landesverband – nicht als "Bremser" auftreten, aber weiterhin an ihrer Rolle als Wahrer der Bürgerrechte festhalten. Die Überwachung der aktuellen Kommunikation von Messengerdiensten (Quellen-TKÜ) wollten die Grünen künftig zulassen, damit die Polizei über Anschlagspläne von terroristischen Gefährdern frühzeitig informiert sei. Keine Kompromisse soll es dagegen bei der Online-Durchsuchung geben.
Alterspräsident: Der Bundestag hat am Donnerstag eine Änderung seiner Geschäftsordnung beschlossen. Alterspräsident ist künftig nicht mehr der beziehungsweise die älteste, sondern der beziehungsweise die dienstälteste Abgeordnete. Für Reinhard Müller (Samstags-FAZ) haben die Abgeordneten der Koalition einfach nur Angst vor einem über die Stränge schlagenden AfD-Alterspräsidenten. Die Enthaltungen der Linken und die Ablehnung der Grünenfraktion hätten dagegen "die Ehre des Souveräns gerettet".
Auch Jost Müller-Neuhof (Tsp) bedauert die Neuregelung. Zwar sei die Änderung kein Missbrauch, sondern der legitime Gebrauch von Autonomie, Müller-Neuhof gibt aber zu bedenken, dass möglicherweise das Alter aus sich selbst heraus eine Autorität darstellt, die in demokratischen Versammlungen Platz greifen könne.
Masken im Auto: Die Samstags-FAZ (Britta Beeger) stellt den Entwurf einer Verordnung von Verkehrsminister Dobrindt vor, wonach Masken, Hauben und Schleier, die "das ganze Gesicht oder wesentliche Teile des Gesichts verdecken" beim Führen von Fahrzeugen künftig verboten werden sollen. Außerdem soll eine verbotene Nutzung von elektronischen Geräten stärker als bisher geahndet werden und künftig nicht mehr nur Handys, sondern beispielsweise auch Tablets, E-Book-Reader umfassen.
Reiserecht: Die Samstags-FAZ (Timo Kotowski) setzt sich im Wirtschaftsteil mit der vom Bundestag beschlossenen Reiserechtsreform und der daran insbesondere vom Bundesverband der Verbraucherzentralen geübten Kritik auseinander. Insbesondere beklagten die Verbraucherschützer, dass der Preis einer gebuchten Pauschalreise nachträglich um acht Prozent angehoben werden könne. Auch die Reisebranche ist mit der Neuregelung nicht zufrieden, so sollen kleine Reisebüros wie Konzerne haften, wenn sie Kunden Flug und Hotel zusammenstellten und nicht für jeden Posten separat kassierten.
NetzDG/UrhWissG: Kritisch mit dem Entwurf des NetzDG und dem Entwurf des UrhWissG setzt sich der Focus (Alexander Wendt) auseinander. Unions-Abgeordnete hätten bereits angekündigt, die Gesetzentwürfe im Bundestag "nicht durchzuwinken", heißt es in dem Artikel. Und es sei fraglich, ob man es bis zum Ende der Wahlperiode schaffe, "zwei schlechte Gesetze von Herrn Maas zu überarbeiten", wird der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Arnold Vaatz zitiert.
Wettbewerbsregister: Der Bundestag hat in seiner Sitzung am Donnerstag die Einführung eines so genannten Wettbewerbsregisters beschlossen. Das berichtetdie Samstags-BadZ (Christian Rath). Firmen, denen Bestechung oder andere Wirtschaftsdelikte zugerechnet werden, kommen danach auf eine Art "Schwarze Liste", die zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen führen kann.
"Ehe für Alle": Auf community.beck.de erläutert Hubertus Gersdorf, warum er den Antrag der Grünenfraktion gegen die Nichtbehandlung des von ihr beim Bundestag eingebrachten Gesetzentwurfes zur "Ehe für Alle" für begründet hält. Die Fraktion hat beim Bundesverfassungsgericht beantragt, den Bundestagsrechtsausschuss zu verpflichten, den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung zu setzen und so zeitnah zu beraten, dass der 18. Deutsche Bundestag spätestens in seiner letzten planmäßigen Sitzung am 30. Juni 2017 einen abschließenden Beschluss fassen kann. Bereits 2015 hatten die Grünen den entsprechenden Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, bis heute wurde er im Rechtsausschuss nicht behandelt.
Justiz
LG Saarbrücken zur AfD-Landesliste: Das Landgericht Saarbrücken hat laut Samstags-SZ (Susanne Höll) die Kandidatenliste der AfD Saar für ungültig erklärt. Die damalige Versammlung sei nicht berechtigt gewesen sei, eine Landesliste für die Bundestagswahl aufzustellen, so das Gericht. Diese Wahl müsse allen Mitgliedern oder gesondert gewählten Delegierten vorbehalten bleiben.
BVerwG zu Mitteln zur Selbsttötung: Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom Februar diesen Jahres, in der festgestellt wurde, dass im extremen Einzelfall der Staat den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren darf, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht, befasst sich Florentine Fritzen (FAS). Ihrer Auffassung nach darf der Staat den Weg zum Suizid nicht ebnen, sondern muss im Gegenteil dafür Sorge tragen, dass Schwerkranke behütet leben können bis zum Schluss. Sie meint aber auch, dass nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Dammbruch nicht zu befürchten sei, weil die "Selbstheilungskräfte des ethischen und politischen Systems aktiviert" seien. So habe Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe umgehend den Verfassungsrechtler Udo Di Fabio mit der Erstellung eines Gutachtens zu dem Urteil der Leipziger Richter beauftragt.
Asylklagen: Die Samstags-SZ (Jan Bielicki) berichtet vom Anstieg der Klagen gegen Asylbescheide. Derzeit seien fast 200.000 Klagen anhängig, heißt es in dem Artikel. Der Trend habe damit zu tun, dass das Amt weniger Flüchtlinge als früher anerkenne.
Strafrichterin Ildiko Szabados: Die Wochenend-taz (Felix Wellisch) hat unter der Überschrift "Wie machen Sie das?" die Berliner Strafrichterin Ildiko Szabados zu ihrem Arbeitsalltag interviewt.
Recht in der Welt
USA – Einreiseverbot: Wie die Samstags-SZ berichtet, hat die US-Regierung Eilanträge beim Obersten Gerichtshof eingereicht, um das umstrittene Einreiseverbot für Personen aus muslimischen Ländern doch noch durchzusetzen. Mehrere Instanzgerichte hatten den entsprechenden Erlass des Präsidenten für unwirksam erklärt. In einer aktuellen Entscheidung hatten die Richter eines Gerichtes in Virginia Zweifel daran geäußert, ob es bei den Regeln wirklich um die nationale Sicherheit geht.
USA – Bill Cosby: Über den Prozessbeginn gegen den US-Schauspieler Bill Cosby, der sich wegen des Vorwurfs des sexueller Nötigung verantworten muss, berichten u.a. die FAS (Christiane Heil) und die SZ (Jürgen Schmieder) und spiegel.de. Es werde in diesem Prozess auch darum gehen, welches Bild die Geschworenen im Kopf haben, wenn sie sich schließlich zur Beratung zurückziehen: Bill Cosby, die moralische Instanz, das Vorbild – oder Bill Cosby, der so tief Gefallene, heißt es in der SZ.
Ukraine – russische Netzangebote: Auf verfassungsblog.de beleuchtet Rechtsprofessor Peter Van Elsuwege, Universität Gent, das vom ukrainischen Präsidenten erlassene Verbot populärer russischer Social-Media-Seiten, Suchmaschinen- und E-Mail-Anbieter. Er befasst sich dabei vor allem mit dem Verhältnis von nationaler Sicherheit und Redefreiheit.
Österreich – Dschihadisten: Ein österreichisches Gericht hat zwei Paare zu Haftstrafen von bis zu zehn Jahren verurteilt, die mit ihren acht Kindern nach Syrien in die von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) kontrollierten Gebiete gezogen waren. Die vier Erwachsenen, von denen drei bosnische Wurzeln haben, wurden unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer "terroristischen Organisation" sowie wegen "Quälens und Vernachlässigens" ihrer Kinder zu Haftstrafen von neun und zehn Jahren verurteilt, meldet spiegel.de. Die Kinder mussten sich Propagandavideos anschauen, in denen unter anderem auch Hinrichtungen gezeigt wurden.
Vereinigtes Königreich – Terror: Die taz (Dominic Johnson) berichtet von Diskussionen zur inneren Sicherheit in Großbritannien nach den Terroranschlägen, vor den Parlamentswahlen. Premierministerin Theresa May fordere beispielsweise, dem radikalen Islamismus die "sicheren Räume" ("safe spaces") im Internet zu nehmen. Laut taz geht es dabei nicht um Überwachung – hier sei Großbritannien ohnehin schon europäischer Spitzenreiter, sondern vielmehr darum, Inhalte zu entfernen.
Reinhard Müller (FAZ) mahnt in seinem Kommentar ebenfalls an, dass es keinen "Schutzraum für Terroristen" geben dürfe. Ralf Sotscheck (taz) weist dagegen darauf hin, dass May nicht nur gegen terroristische Taten vorgehen will, sondern auch gegen extremistische Gedanken, selbst wenn sie gewaltfrei sind. Der "Guardian" warne zu Recht davor, dass solche Gesetze auch gegen Tierschützer, Umweltaktivisten oder Gegner des Waffenhandels angewendet werden könnten.
Sonstiges
Arbeitnehmerüberlassung: In der Wochenendausgabe der FAZ (Beruf und Chance) beleuchtet Rechtsanwalt Norbert Pflüger die Neuregelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und in diesem Zusammenhang die Frage, wann für ein Arbeitskräfte verleihendes Unternehmen eine Erlaubnis zur Arbeitsüberlassung erforderlich ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte kürzlich entschieden, dass wegen des Fehlens einer solchen Erlaubnis ein Arbeitsverhältnis direkt zwischen dem Arbeitnehmer und dem entleihenden Unternehmen zustande gekommen ist.
Forum Recht: Ein Initiativkreis aus Karlsruhe hat am Donnerstag Bundespolitikern in Berlin die Pläne für ein Museum, das für den Rechtsstaat wirbt, vorgestellt. Das Forum Recht soll "die Bürger für den Rechtsstaat begeistern", erklärte dabei laut einem Bericht der Samstags-BadZ (Christian Rath) die Verfassungsrichterin Susanne Baer. Sowohl von den obersten Gerichten in Karlsruhe als auch von der Bundespolitik kommen positive Signale zu dem Vorhaben. Ein konkretes Konzept soll im Herbst vorgestellt werden.
Michael Tsokos: Die FAS (Julia Schaaf) porträtiert den Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos, der demnächst eine eigene Reality-Serie im Fernsehen erhält. Mit einer gewissen kritischen Distanz beschreibt die Autorin den Pathologen und Buchautor, der die Kritik an seiner reißerischen Moderation mit dem Hinweis auf den Erfolgsdruck des Senders zurückweist. Es sei eben keine Sendung über Feen und Elfen, so Tsokos.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 3. bis 6. Juni 2017: Verfassungsschutz und Kinder / Alterspräsident nach Dienstjahren / Neue Gesetze . In: Legal Tribune Online, 06.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23108/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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