EU-Mitgliedstaaten müssen bei Freihandelsabkommen zustimmen. Außerdem in der Presseschau: NetzDG ergänzt, Wahlrecht für Kinder gefordert, BGH erlaubt eingeschränkte Speicherung von IP-Adressen und ein Mann wünscht einen grandiosen Namen.
Thema des Tages
EuGH – Freihandelsabkommen: Der Europäische Gerichtshof kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass Freihandelsabkommen der EU zumindest in Teilen der Zustimmung der Mitgliedstaaten bedürfen. Das Gutachten wurde von der EU-Kommission zur Klärung von Zuständigkeitsfragen erbeten und betrifft ein Handelsabkommen mit Singapur. Konkret sieht das Gericht die Mitbestimmungspflicht bei sogenannten Portfolioinvestitionen sowie bei den Schiedsgerichtsvereinbarungen als gegeben. Insbesondere letztere sind immer wieder in die Kritik geraten, weil sie Schiedsgerichte außerhalb der mitgliedstaatlichen Gerichtssysteme zulassen. Einem solchen gemischten Abkommen müssen auch die Parlamente der einzelnen Mitgliedstaaten zustimmen. Die SZ (Thomas Kirchner), die taz (Christian Rath), die FAZ (Hendrik Wieduwilt/Hendrik Kafsack), das Hbl (Till Hoppe) und lto.de (Marcel Schneider) fassen die Argumentation des Gerichts zusammen.
Ulrike Herrmann (taz) hebt hervor, dass die am Abschluss beteiligten Länder Rechtsstaaten sind und Sondergerichte für Unternehmen deshalb überflüssig seien.
Rechtspolitik
NetzDG: Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) meldet, haben die Koalitionsfraktionen sich auf eine Änderung des Entwurfs zum "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" geeinigt und wollen ihn am kommenden Freitag im Bundestag zur Beratung stellen. Bußgelder soll es nur noch geben, wenn das Unternehmen die Löschung aus nicht mehr vertretbaren Gründen verweigert. Die Auskunft über die Urheber der zu löschenden Nachrichten müsse nur noch bei berechtigtem Interesse erteilt werden.
Rechtsprofessor Lorenz Kähler kritisiert auf lto.de, dass ein Jedermann-Beschwerderecht sowie lediglich staatliche Ahndung der Anbieter eingeführt werden soll. Sinnvoller sei es, das Beschwerderecht auf die Betroffenen zu beschränken und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Rechtsdurchsetzung auf spezialisierte Vereine zu übertragen.
Kinderwahlrecht: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) stellt einen Vorschlag des Deutschen Familienverbands vor, ein Wahlrecht ab Geburt einzuführen, und fasst die Argumente der Befürworter und Kritiker zusammen. Während die einen auf eine vollständige Repräsentation des Volkes abstellen, betonen die Kritiker die fehlende Unmittelbarkeit der Wahl bei einem Familienwahlrecht. Der Autor schlägt die Absenkung des Alters auf 16 Jahre als ersten Schritt vor.
Infrastrukturgesellschaft/Bund-Länder-Finanzausgleich: Die Abstimmung im Bundestag über ein Reformpaket, das die Gründung der Infrastrukturgesellschaft sowie den Bund-Länder-Finanzausgleich zum Gegenstand hat, ist verschoben worden, wie die SZ (Markus Balser), die FAZ (Kerstin Schwenn) das Hbl (Daniel Delhaes) darstellen. Die SPD befürchtet eine Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür und fordert die Aufnahme eines Privatisierungsausschlusses in das Grundgesetz. Auch soll die Möglichkeit der öffentlich-privaten Partnerschaften grundgesetzlich beschränkt werden. Daneben ist auch die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen betroffen.
Haftung digitaler Berater: Angesichts neuer Haftungsfragen, die durch den Einsatz technisierter Anlageberatung entstehen, hat das EU-Parlament die EU-Kommission zur Erarbeitung eines Legislativvorschlags für Robotik und Künstliche Intelligenz aufgerufen. Wie die Rechtsanwälte Roman Becker und Laurent Meister in der FAZ darstellen, werden die Einrichtung einer Pflichtversicherung, die Einführung eines rechtlichen Status für Roboter und eine stärkere Verantwortlichkeit der Trainer intelligenter Software diskutiert.
Europäisches Gesellschaftsrecht: Die EU-Kommission plant, das europäische Gesellschaftsrecht zu reformieren, um die Nutzung von Online-Tools etwa bei der Gründung und Führung von Gesellschaften sowie der Erfüllung von Berichtspflichten zu ermöglichen. Rechtsprofessor Ulrich Noack weist auf dem Handelsblatt-Rechtsboard auf eine Online-Konsultation hin, die die Kommission gestartet hat.
Sanierungssteuerrecht: Jörn Weitzmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht beim Deutschen Anwaltverein, kritisiert in der FAZ das neue Gesetz zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen, da es sich selbst sanierende Unternehmen gegenüber einem neuen Rechtsträger benachteilige. Er fordert zudem mit dem DAV, Sanierungsgewinne steuerfrei zu stellen, wenn diese vorhandene Verlustvorträge überstiegen.
Justiz
BGH zu Speicherung von IP-Adressen: Betreiber von Internetseiten dürfen IP-Adressen der Nutzer nur speichern, wenn ihre Funktionsfähigkeit, etwa durch potenzielle Hacker-Angriffe, bedroht ist. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie die BadZ (Christian Rath), SWR (Klaus Hempel), netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) sowie lawblog.de (Udo Vetter) darstellen. Rechtsanwalt Martin Kilgus bespricht auf lto.de das Urteil ausführlich. Der BGH habe die IP-Adressen im Anschluss an den Europäischen Gerichtshof als personenbezogene Daten eingestuft, die nur gespeichert werden können, um die Funktionsfähigkeit der angebotenen Dienste zu gewährleisten.
EuG zu EZB-Aufsicht: Die Landeskreditbank Baden-Württemberg darf weiterhin von der Europäischen Zentralbank kontrolliert werden. Wie die FAZ (Marcus Jung) berichtet, hat das Gericht der Europäischen Union die Bank trotz ihres Charakters einer staatlichen Förderbank als ein bedeutendes Unternehmen mit der Folge eingestuft, dass sie der EZB-Aufsicht untersteht.
BGH zu Reisevertrag: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine kostenlose Kündigung eines Reisevertrages nicht möglich ist, wenn die Reise wegen fehlerhafter Dokumente nicht angetreten werden konnte, auch wenn der Fehler von einer Behörde ausging. Das Mitführen geeigneter Ausweispapiere gehöre zur Sphäre des Reisenden und sei keine höhere Gewalt. Die Meldung findet sich auf lto.de.
OLG Hamburg – IS-Prozess: Ab Mitte Juni wird am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg ein Prozess gegen drei mutmaßliche IS-Mitglieder geführt, die in Deutschland eine terroristische Schläferzelle gebildet haben sollen. Die SZ (Lena Kampf/Georg Mascolo) stellt die bisherigen Erkenntnisse der Bundesanwaltschaft vor, die im Indizienprozess verwertet werden sollen.
LG Paderborn – Höxter: Im Prozess gegen die Eheleute Wilfried und Angelika W. hat eine Zeugin ausgesagt, die deren Quälereien im sogenannten Höxter-Horrorhaus überlebt hat. spiegel.de (Beate Lakotta) und die FAZ (Katrin Hummel) fassen die Aussage zusammen.
StA Augsburg – gestürzter Staatsanwalt: Wie die FAZ (Karin Truscheit) meldet, ist im Augsburger Strafjustizzentrum ein Staatsanwalt aus dem dritten Stockwerk ins Foyer gestürzt und seinen Verletzungen erlegen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg schließt Fremdeinwirkung aus.
Recht in der Welt
EAEU Court zu Competition Law: Rechtsprofessor Paul Kalinichenko bespricht auf verfassungsblog.de in englischer Sprache ein Urteil des Gerichtshofs der Eurasischen Wirtschaftsunion zum Wettbewerbsrecht und erläutert die Struktur der Wirtschaftsunion sowie des Gerichts.
USA – Impeachment-Verfahren: Angesichts der Weitergabe von Geheimdienst-Informationen durch Donald Trump an Russland erläutert das Hbl (Torsten Riecke) noch einmal die Voraussetzungen des Amtsenthebungsverfahrens in den USA. Das Impeachment-Verfahren setze neben schwerwiegenden Verstößen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und Senat voraus, die derzeit nicht erreichbar seien.
Sonstiges
NSU-Tribunal: Am heutigen Mittwoch beginnt am Schauspiel Köln das von Aktivisten und Angehörigen der NSU-Opfer organisierte fünftägige NSU-Tribunal. Die taz (Konrad Litschko) spricht mit einem der Organisatoren, Ibrahim Arslan, der eine mangelnde Aufklärung des NSU-Umfelds und Ausblendung von Rassismus durch das Oberlandesgericht München kritisiert.
Asylverfahren: Da sich die Asylverfahren wegen Überlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge noch weiter in die Länge ziehen könnten, besprechen die studentischen Hilfskräfte Simon Hofmann und Hao-Hao Wu auf juwiss.de, welche Klagemöglichkeiten in Betracht kommen. Während die Verwaltungsgerichte die Untätigkeitsklage sowohl in Form einer Vornahme- als auch einer Bescheidungsklage als statthaft ansehen, schlagen die Autoren vor, danach zu unterscheiden, ob die Anhörung des Asylbewerbers durch die Behörde bereits stattgefunden hat.
Das Letzte zum Schluss
Mein Name ist Bond! Dem Eintritt eines Mannes in eine fiktive Geheimdienstkarriere hat das Verwaltungsgericht Koblenz einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dieser wollte seinen Namen aus familiären und medizinischen Gründen ändern lassen, beharrte jedoch darauf, den Namen James Bond zu führen. Dies hat ihm das Gericht versagt, da sich die Namensänderung nicht zur Beilegung der Konflikte eigne und mit der Figur des Geheimdienstagenten in Verbindung gebracht werde, meldet faz.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Mai 2017: EuGH zu Freihandelsabkommen / Änderungen am NetzDG / BGH zu IP-Adressenspeicherung . In: Legal Tribune Online, 17.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22930/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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