Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen syrische Geheimdienstchefs wegen Kriegsverbrechen. Außerdem in der Presseschau: Volker Beck gegen Spiegel Online, Einführung des Teilzeitreferendariats und ein rekordverdächtiger Ecstasy-Schmuggel
Thema des Tages
GBA – Syrien: Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen syrische Geheimdienstchefs und weitere Regierungsvertreter wegen Verdachts auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Derzeit werden in Berlin die ersten Folteropfer vernommen, die gegen das Assadregime Anzeige erstattet hatten. Wie die taz (Kristin Helber) und die SZ (Lena Kampf) ausführlich darstellen, werden die Regimevertreter für Folter und Tötungen in syrischen Gefängnissen verantwortlich gemacht. Die Anzeige ist vom deutschen Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck und der Organisation European Center for Constitutional and Human Rights vorbereitet worden.
Die taz (Christian Rath) erläutert in einem separaten Beitrag, dass die Ermittlungen nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch hierzulande geführt werden können, auch wenn kein Bezug zum Inland besteht.
Rechtspolitik
Gefährder: Rechtsprofessor Michael Jasch befasst sich auf lto.de mit dem Begriff des "Gefährders". Der Autor kritisiert, dass die Kriterien für die Einstufung als Gefährder nicht einheitlich festgelegt und den Ländern überlassen sind. Dies biete der polizeilichen Arbeit zwar größtmögliche Flexibilität, die Einstufung als Terrorgefährder hänge jedoch willkürlich von der Erfahrung und den Ressourcen der jeweiligen Behörde ab, weshalb eine einheitliche Begriffsbestimmung erforderlich sei.
Justiz
BGH – Volker Beck: Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) will erreichen, dass ein früherer Text zu Entkriminalisierung von "einvernehmlichem Sex mit Kindern" nicht ohne eine Distanzierung von ihm verbreitet wird. Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden, ob "Spiegel Online" sich auf das Zitatrecht berufen kann und den Text sowie das dazugehörige Manuskript ohne eine entsprechende Ergänzung verbreiten darf. Von der mündlichen Verhandlung berichten die taz (Christian Rath) und die SZ (Wolfgang Janisch).
GBA – BVB-Bus: Nach Informationen der Welt (Florian Flade) haben die Ermittler belastendes Material gegen den Verdächtigen Sergej W. aufgefunden. Es soll sich dabei um handschriftliche Notizen zu den Anschlagsplänen auf den BVB-Bus sowie um Konstruktionspläne zu den Sprengsätzen handeln, die in dessen Wohnung sichergestellt werden konnten.
BVerfG zu Krankenkassenleistungen: Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Frau nicht zur Entscheidung angenommen, die von ihrer Krankenkasse die Erstattung einer Off-Label-Use-Therapie begehrte. Das Gericht führte aus, dass sich der Anspruch im Einzelfall zwar direkt aus dem Grundgesetz ergeben könne, die Person sich allerdings in einer notstandsähnlichen Situation befinden müsse.
EuGH zu Flugannullierung: Fluggesellschaften müssen ihre Kunden mindestens zwei Wochen vor Abflug über die Annullierung ihres Flugs informieren, die Inkenntnissetzung des Reisevermittlers reicht nicht aus. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden, wie lto.de meldet.
OVG Münster zu Syrer: Einem Militärdienstverweigerer aus Syrien wurde vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen lediglich subsidiärer Schutz gewährt. Wie die SZ meldet, hat das Gericht eine mögliche Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen wegen Wehrdienstverweigerung abgelehnt und damit die Flüchtlingseigenschaft versagt. Es sei nicht anzunehmen, dass das Assadregime jedem Wehrdienstverweigerer eine oppositionelle Gesinnung zuschreibe.
Bernd Kastner (SZ) bezeichnet das Urteil angesichts der Menschenrechtsverletzungen in Syrien als zynisch.
AG Bautzen zu Grapscher: Das Amtsgericht Bautzen hat einen Mann zu vier Monaten Haft verurteilt, weil er eine Frau auf der Straße belästigt und ihr mehrmals zwischen die Beine gegriffen hat. Wie spiegel.de meldet, gehört das Urteil zu den ersten nach dem verschärften Sexualstrafrecht.
LG Dortmund – Wiederaufnahmeverfahren im Mordfall: Vor dem Landgericht Dortmund findet ein Wiederaufnahmeverfahren gegen Dirk K. statt, der fast 30 Jahre lang in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht war, nachdem er den Mord an einem siebenjährigen Jungen gestanden hatte und für schuldunfähig erklärt worden war. Das Geständnis eines weiteren Mannes, das die Staatsanwaltschaft zunächst unberücksichtigt ließ, ist inzwischen widerrufen worden, wie spiegel.de (Julia Jüttner) erklärt.
Landgericht Essen – Arcandor: Nun stellen auch die SZ (Benedikt Müller), die FAZ (Marcus Jung) und die Welt (Michael Gassmann) den Prozess gegen ehemalige Arcandor-Verantwortliche vor, zu denen der Ex-Vorstandschef Thomas Middelhoff zählt. Den damaligen Aufsichtsräten wird Untreue zur Last gelegt, weil sie Manager-Boni in Millionenhöhe genehmigten, obwohl der Konzern kurz vor der Insolvenz stand.
StA Stuttgart – VW Skandal: Wie die SZ (Max Hägler/Stefan Mayr) berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen VW-Vorstandschef Matthias Müller und weitere Verantwortliche wegen des Verdachts auf Marktmanipulationen. Ihnen wird vorgeworfen, den Börsenhandel zu spät über die Ermittlungen der US-Behörden informiert zu haben.
Recht in der Welt
EuGH – Uber: Generalanwalt Maciej Szpunar hat seine Schlussanträge im Verfahren gegen Uber vorgelegt. Wie Rechtsprofessor Urs Kramer für lto.de darstellt, stuft der Generalanwalt Uber als eine Verkehrsdienstleistung ein, da die Vermittlung gegenüber der Beförderungsleistung keinen zentralen Charakter besitze. Sollte der Europäische Gerichtshof der Einschätzung folgen, würden für Uber nicht die Dienstleistungsfreiheit, sondern die Vorschriften zur Personenbeförderung des jeweiligen Mitgliedsstaates gelten, die etwa den Erwerb von Lizenzen vorschreiben.
Polen – Gerichtspräsidenten: Polens nationalkonservative Regierung hat einen Gesetzentwurf gestoppt, der es dem Justizminister erlaubt hätte, alle Gerichtspräsidenten des Landes abzusetzen. Wie die FAZ (Konrad Schuller) berichtet, könnte der Rückzieher damit zusammenhängen, dass die USA ihre Besorgnis um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen geäußert hatten.
Belgien – Menschenhandel-Prozess: In Belgien findet ein Prozess gegen die Familie eines Scheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Den Familienangehörigen werden Menschenhandel, Freiheitsberaubung sowie unmenschliche und erniedrigende Behandlung vorgeworfen, weil sie ihre Bediensteten ohne Lohn und unter unwürdigen Bedingungen arbeiten ließen. Die Opfer konnten bei einem Besuch der Familie in Belgien befreit werden, wie die Welt (Andre Tauber) ausführlich darstellt.
Russland – Videoblogger: Ein russisches Gericht hat den Vlogger Ruslan Sokolowskjj zu dreieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Es sah unter anderem die religiösen Gefühle verletzt, weil der Blogger in einer Kirche das Spiel Pokemon-Go gespielt hatte. Die FAZ (Friedrich Schmidt) berichtet.
Ausbildung
Teilzeitreferendariat: Die Länder wollen noch in dieser Bundestagslegislaturperiode ein Teilzeit-Referendariat in der Juristenausbildung einzuführen. Wie die NJW (Joachim Jahn) in einer Vorab-Meldung berichtet, sollen Rechtsreferendare mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen die Möglichkeit eines solchen Teilzeitreferendariats erhalten, das sich von 24 auf 30 Monate verlängert. Die Länder haben einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der den Wunsch der Bundesregierung nach einer bundeseinheitlichen Lösung umsetzt.
Sonstiges
Dieter Grimm: Zum achtzigsten Geburtstag des ehemaligen Verfassungsrichters Dieter Grimm gibt die emeritierte Professorin Christine Landfried auf verfassungsblog.de eine Laudatio und zeichnet den früheren Richter als einen weitsichtigen und engagierten Verfassungsgelehrten, der sich in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit für Interdisziplinarität einsetzte.
Das Letzte zum Schluss
Rekord-Schmuggel: Ein Lastwagenfahrer hat einen wenig rühmlichen Rekord aufgestellt, für den er vom Landgericht Regensburg zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden ist. Bei einer Kontrolle ist er mit 250 Kilogramm Ecstasy-Pillen im Straßenwert von mehreren Millionen Euro erwischt worden. Wie welt.de meldet, handelt es sich um die größte Menge an Ecstasy, die der Zoll bisher in Deutschland sichergestellt hat.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. Mai 2017: Ermittlungen gegen Assad-Regime / Uber vor dem EuGH / Teilzeitreferendariat . In: Legal Tribune Online, 12.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22297/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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