Der Europäische Gerichtshof stärkt die Rechte drittstaatsangehöriger Eltern. Außerdem in der Presseschau: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über Parlamentsrechte und Norbert Lammert mahnt Karlsruhe zur Zurückhaltung.
Thema des Tages
EuGH zu drittstaatsangehörigem Elternteil: Ein Staatsangehöriger eines Nicht-EU-Staates, dessen Kind Unionsbürger ist, kann ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht geltend machen. Dies hat der Europäische Gerichtshof im Fall einer alleinerziehenden venezolanischen Mutter eines niederländischen Kindes entschieden, das zu seinem Vater seit Jahren kein Kontakt mehr hatte. Es berichtet lto.de (Marcel Keienborg). Zwar bestehe kein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für drittstaatsangehörige Elternteile. Sei aber die emotionale und faktische Bindung des Kindes etwa zu seiner Mutter derart stark, dass bei deren Abschiebung das Kind ebenfalls das Land verlassen würde, könne sein Unionsbürgerstatus gebieten, dass die Mutter im Lande verbleiben müsse. Andernfalls bliebe dem Kind der Genuss des Kernbestands der Rechte des Unionsbürgerstatus verwehrt. Bereits 2011 hatte der EuGH entschieden, dass die Unionsbürgerschaft des Kindes seinen Eltern ein Aufenthaltsrecht verschaffe, wenn beide aus Drittstaaten kommen.
Rechtspolitik
Härtere Strafen für Wohnungseinbruchsdiebstahl: Das Bundeskabinett hat einen neuen Gesetzentwurf beschlossen, nach dem Wohnungseinbruchsdiebstähle künftig mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr geahndet werden sollen. Dies berichten lto.de, focus.de und spiegel.de. Überdies sollen die Strafverfolgungsbehörden ermächtigt werden, zur Aufklärung auf gespeicherte Telekommunikationsdaten zugreifen zu können. Begründet werden diese Gesetzesverschärfungen mit den traumatisierenden Folgen, welche Wohnungseinbruchsdiebstähle bei den Opfern auslösen könnten.
Justiz
BVerfG – Parlamentsrechte: Das Bundesverfassungsgericht hat den zweiten Tag über eine Klage der Grünen-Fraktion zu parlamentarischen Anfragen verhandelt. Dabei bekundeten die Richter des Bundesverfassungsgerichts Zweifel, ob die Bundesregierung das Parlament hinsichtlich Maßnahmen der Bankenaufsicht in der Finanzkrise und zu Investitionen der Bahn AG hinreichend informiert habe. Die Bundesregierung hatte die Preisgabe von Informationen zum operativen Geschäft der Bahn verweigert. Es berichten der Tsp (Jost Müller-Neuhof) und sueddeutsche.de (Wolfgang Janisch).
Jost Müller-Neuhof (Tsp) betont in einem Kommentar die Bedeutung parlamentarischer Anfragen für ein wirksames und informiertes Oppositionshandeln. Christian Rath (taz.de) merkt an, dass die Bahn trotz ihrer privatrechtlichen Rechtsform unter politischem Einfluss stehe und deshalb von der Opposition kontrolliert werden müsse.
AG Bad Säckingen – Todesfahrt: Das Amtsgericht Bad Säckingen hat einen 85-jährigen Mann zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen verurteilt. Dies melden die SZ (Moritz Geier), die BerlZ und faz.net (Rüdiger Soldt). Der Mann war im Mai 2016 mit seinem Pkw in ein Café gefahren, nachdem er wohl Brems- und Gaspedal verwechselt hatte. Der Mann hatte die Tat in der Hauptverhandlung gestanden und bei den Hinterbliebenen um Entschuldigung gebeten. Der Fall löste eine Debatte über die Fahrtauglichkeit von Senioren aus.
LG Essen – Arcandor-Prozess: Vor dem Landgericht Essen hat der Prozess gegen frühere Unternehmensverantwortliche von Arcandor, darunter Ex-Vorstandschef Thomas Middelhoff, begonnen. Dies berichtet das Hbl (Volker Votsmeier). Den Angeklagten wird vorgeworfen, sich wegen der Zahlung ungerechtfertigter Boni der Untreue strafbar gemacht zu haben. Der Fall wird wegen des vergleichbaren Sachverhalts auch als "Mannesmann II" bezeichnet.
VerfGH BW – Professorenmehrheit: Die Zeit (Jan-Martin Wiarda) beleuchtet ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes Baden-Württemberg aus dem November letzten Jahres zur sogenannten Professorenmehrheit. Das Gericht habe befunden, dass auf universitärer Ebene dafür Sorge getragen werden müsse, dass in den entscheidenden Fragen wie etwa der Wahl der Hochschulleitung oder der Ausgestaltung der Forschungsstrategie die Professorenschaft das letzte Wort habe. Dies resultiere aus der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit, die in besonderem Maße die Professoren berechtige. Nötig sei daher eine entsprechende Änderung des baden-württembergischen Hochschulgesetzes.
GStA Berlin – Toll Collect: Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat Ermittlungen gegen Verantwortliche der Toll Collect GmbH aufgenommen, welche die Erhebung der Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen vornimmt. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, durch eine bewusst überhöhte Kostenkalkulation den Bund um drei Millionen Euro geschädigt zu haben. Es berichten sueddeutsche.de (Martin Balser), faz.net und lto.de.
StA Bielefeld – OneCoin: Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat Ermittlungen gegen die Anbieter der Internetwährung OneCoin aufgenommen. Diese sollen Kunden mit falschen Darstellungen und übertriebenen Gewinnaussichten zum Kauf der Währung verleitet haben. Im Raum steht eine Schadenshöhe von mehreren hundert Millionen Euro. Es berichten das Hbl (Matthias Streit) und lto.de.
EuG zu Anti-TTIP-Initiative: Das Gericht der Europäischen Union hat die Nichtregistrierung einer Europäischen Bürgerinitiative für rechtswidrig erklärt, die sich gegen das Freihandelsabkommen TTIP einsetzt. Dies melden die taz und focus.de. Die EU-Kommission hatte die Registrierung der Initiative 2014 als unzulässige Einmischung in das Gesetzgebungsverfahren abgelehnt. Das Gericht hielt dem entgegen, die Initiative habe vielmehr eine legitime demokratische Debatte ausgelöst.
LG Berlin – IS-Unterstützer: Das Landgericht Berlin hat einen 31-Jährigen, der 400 Euro an ein Mitglied des sogenannten Islamischen Staates (IS) überwiesen hatte, wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dies meldet die BerlZ. Das Geld sollte für ein Nachtsichtgerät und ein Zielfernrohr verwendet werden.
Lammert warnt BVerfG: In einem Gastbeitrag für die FAZ ruft Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, das Bundesverfassungsgericht zur Zurückhaltung auf. Dieses habe an verschiedenen Stellen – etwa bei seinen detaillierten Vorgaben zu einer Neugestaltung des Wahlrechtes zum Ausgleich von Überhangmandaten – seine Rolle als Hüter der Verfassung überschritten und in den Spielraum des Gesetzgebers eingegriffen. Es sei nicht verwunderlich, wenn sich das Parlament hiergegen durch Verfassungsänderungen zur Wehr setze.
Recht in der Welt
Russland – Demonstrationsrechte: Präsident Putin hat ein Dekret unterzeichnet, nach dem Demonstrationen während der Fußball-WM 2018 und des Confederations Cups 2017 in Russland nur nach vorheriger behördlicher Genehmigung zugelassen seien. Dies meldet zeit.de. Ähnliche Dekrete hatte Putin auch schon für die Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Sotschi 2014 erlassen.
Russland – Pokemon-Go-Prozess: Ein russischer Video-Blogger steht in Jekaterinenburg vor Gericht, weil er in einer Kirche über eine Handy-App "Pokemon Go" gespielt haben soll. Dies berichtet die SZ (Julian Hans). Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Verletzung religiöser Gefühle vor und fordert dreieinhalb Jahre Lagerhaft. Ein Urteil wird am heutigen Donnerstag erwartet.
Sonstiges
Brexit und LLP: Mit dem Brexit endet wohl die Möglichkeit, in Deutschland als Limited Liability Partnership zu operieren, berichtet bloomberg.com (Karin Matussek, englischsprachig). Über 150 deutsche Kanzleien haben die Rechtsform der LLP gewählt, da sie eine weitgehende Haftungsbeschränkung erlaubt und im internationalen Rechtsverkehr bekannter ist als deutsche Gesellschaftsformen. Die betreffenden Kanzleien sind nun wohl zu einem Wechsel der Gesellschaftsform gezwungen.
Dieter Grimm: Den zum achtzigsten Geburtstag des ehemaligen Verfassungsrichters Dieter Grimm veröffentlichten Gesprächsband "Ich bin ein Freund der Verfassung" bespricht nun auch die SZ (Heribert Prantl). Grimm äußert sich zur gewandelten Rolle des Verfassungsgerichtes, zum Umgang mit Kritik ebenso wie zu persönlichen Erinnerungen an seine Studienzeit.
Uli Hoeneß zu Haftstrafe: Der Präsident des FC Bayern München hält seine Verurteilung zu einer Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung im Jahr 2014 rückblickend für zu hart, wie spiegel.de und focus.de melden. Bei einem exklusiven Abendessen in Liechtenstein habe er geäußert, er sei der einzige Deutsche, der trotz einer Selbstanzeige im Gefängnis gewesen sei. "Ein Freispruch wäre völlig normal gewesen."
Das Letzte zum Schluss
Motorisierte Bierkiste mit 70 km/h gestoppt: In Oldenburg mussten Beamte ein ungewöhnliches Gefährt aus dem Verkehr ziehen. Ein Hobbybastler hatte eine Bierkiste auf ein Gokart montiert, das durch einen eingebauten Rasenmähermotor bis zu 70 Stundenkilometer fahren konnte. Da das Fahrzeug jedoch nicht zugelassen war, mussten es die Beamten aus dem Verkehr nehmen, wie spiegel.de und die BerlZ melden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Mai 2017: EuGH zu Drittstaaten-Eltern / Parlamentsrechte vor dem BVerfG / Lammert tadelt Karlsruhe . In: Legal Tribune Online, 11.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22882/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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