Die juristische Presseschau vom 6. April 2017: NetzDG-Ent­wurf ver­ab­schiedet / Stö­rer­haf­tung ade / BVerfG zu Sch­mäh­kritik

06.04.2017

Justiz

BVerfG zu Schmähkritik: Das Bundesverfassungsgericht betont in einer nun veröffentlichten Entscheidung vom 8. Februar 2017 erneut, dass die Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik ein eng zu handhabender Sonderfall bleiben solle. Die Karlsruher Richter führten ihre bereits bekannte Begründung fort: Der Begriff Schmähkritik sei von Verfassungs wegen eng zu verstehen, da er eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht verbiete. Das Bundesverfassungsgericht gab damit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers statt, der sich gegen seine Verurteilung wegen Beleidigung gewehrt hatte. Er hatte einen Bundestagsabgeordneten der Grünen auf einer Demonstration als "Obergauleiter" bezeichnet. lto.de fasst auch zusammen, was bei der nun vom Landgericht Köln durchzuführenden Abwägung zu berücksichtigen sei.

"Man muss bestreiten, kritisieren, falsch finden können, was jemand anders behauptet, fordert, gut findet, und umgekehrt [...]." Diese Möglichkeit der Auseinandersetzung schütze die Meinungsfreiheit gerade. Daher sei es "weder ein Skandal noch ein Triumph, sondern ziemlich normal", dass das Bundesverfassungsgericht der Strafjustiz eine Differenzierung abverlange, meint Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de).

VGH Kassel zu Fraktionszuschüssen für NPD: Die hessische Gemeinde Büdigen muss der NPD kommunale Zuschüsse gewähren; die entsprechende Satzungsänderung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und sei daher unwirksam. Dies entschied der Verwaltungsgerichtshof Kassel, meldet spiegel.de.

OLG München – NSU: Die Bundesanwaltschaft hat es abgelehnt, den Psychiater Joachim Bauer als Sachverständigen zu hören. Die Expertise des bestellten Gutachters Henning Saß sei nicht zu bezweifeln. Zschäpes Anwalt Grasel habe Bauer nun selbst als Sachverständigen geladen, schreibt die taz (Konrad Litschko) unter dem Titel "Ein hilfloses Manöver". Zudem habe ein Nebenklageanwalt einen Forscher als Sachverständigen geladen, der belegen solle, dass der Verfassungsschützer Andreas Temme den NSU-Mord an Halit Yozgat mitbekommen haben muss.

LG Regensburg zu Meineid: Das Landgericht Regensburg hat Edward B., einen Freund von Gustl Mollath, zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen Meineids in einem Wiederaufnahmeverfahren gegen das Justizopfer verurteilt. Er hatte vor Gericht wissentlich und unter Eid über einen angeblichen Komplott von Mollaths Ex-Frau gelogen. spiegel.de erinnert auch an das Verfahren gegen Mollath.

BVerfG – Ministerin und AfD: "Natürlich dürfen auch Bundesminister in der Öffentlichkeit ihre Meinung über Parteien sagen, im Fall der AfD ist das sogar dringend geboten. Nur ob und in welchem Umfang sie dabei Unterstützung ihres Ministeriums in Anspruch nehmen dürfen, ist umstritten." Dies notiert die BerlZ (Christian Bommarius) anlässlich der am 24. Mai anstehenden Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zur AfD-kritischen Pressemitteilung von Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU).

LG Berlin – Obdachloser: Das Landgericht Berlin hat die Anklage wegen versuchten Mordes gegen sieben junge Männer zugelassen, die versucht haben sollen, in der Weihnachtsnacht 2016 einen Obdachlosen in Brand zu setzen. Die FAZ (Mechthild Küpper) stellt die mutmaßlichen Täter dar und erklärt und wie der Mann gerettet werden konnte.

BAW – türkische Spione: Der Welt (Annelie Naumann/Marcel Leubecher u.a.) liegt die Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen vor, derzufolge die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit im Auftrag der türkischen Regierung zurzeit gegen 20 Beschuldigte ermittele, "soweit es um die Ausspähung von Anhängern der Gülen-Bewegung geht".

StA München I – Insiderhandel: Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen den Aufsichtsratschef des Konzerns Linde, Wolfgang Reitzle, wegen Insiderhandels. Es sei zu klären, ob er beim Kauf von Linde-Aktien bereits Kenntnis von den Fusionsverhandlungen mit einem Konkurrenzunternehmen hatte, notiert das Hbl (Axel Höppe/Robert Landgraf).

Anzeige gegen McDonald's: Verbraucherschützer haben McDonald's beim Bundeskartellamt angezeigt. Sie werfen dem Konzern vor, Franchisefilialen gegenüber konzerneigenen Filialen schlechter zu stellen. Das Hbl (Sönke Iwersen/Volker Votsmeier) fasst die Vorwürfe zusammen.

Mord an Siegfried Buback: Die taz (Wolfgang Gast) befasst sich mit den Bemühungen Michael Bubacks, Sohn des 1977 von der RAF erschossenen Generalstaatsanwalts Siegfried Buback, den Mord an seinem Vater aufzuklären. Er vermutet, Verena Becker sei die Täterin und vom Verfassungsschutz gedeckt worden.

Durchsuchungen in Anwaltskanzleien: Der Rechtsanwalt André Szesny erklärt im Interview mit der Zeit (Marcus Rohwetter), warum Durchsuchungen in Kanzleien unzulässig seien. Er sieht das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant gefährdet.

Anis Amri: Die Zeit (Mohamed Amjahid, Daniel Müller u.a.) bringt über drei Seiten "die Rekonstruktion eines Staatsversagens" im Fall Anis Amri und erörtert, was Polizei und Verfassungsschutz zu welchem Zeitpunkt wussten und wie der Staat den Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz hätte verhindern können.

LG Hamburg zu Silvester-Übergriffen: Die Zeit (Sebastian Kempkens) gibt im Recht-und-Unrecht-Teil einen umfassenden Einblick darin, wie das Verfahren wegen eines vermeintlichen Silvester-Übergriffs das Leben von Behzad S. und sein Vertrauen in das deutsche Rechtssystem erschütterte. Der Beitrag zeichnet zudem nach, wie es zum Vorwurf gegen S. kommen konnte und stellt "systematische Fehler" fest.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. April 2017: NetzDG-Entwurf verabschiedet / Störerhaftung ade / BVerfG zu Schmähkritik . In: Legal Tribune Online, 06.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22561/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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