Das EuG billigt die Zölle gegen chinesische Solarimporte. Außerdem in der Presseschau: Das Berliner Raser-Urteil ruft unterschiedliche Reaktionen hervor und der inhaftierte Journalist Deniz Yücel erfährt viel Solidarität.
Thema des Tages
EuG zu Solarzöllen: Das Gericht der Europäischen Union hat die Zölle gegen chinesische Solarimporte gebilligt. Geklagt hatten mehrere chinesische Unternehmen. Die Kommission begründete die Zölle einerseits mit dem Schutz der heimischen Wirtschaft, andererseits mit unzulässigen Subventionen zugunsten der chinesischen Hersteller. Dem Einwand der Unternehmen, die Zölle von bis zu 47,7 Prozent seien höher als erforderlich gewesen, folgte das Gericht nicht. Es berichten die taz (Christian Rath), die SZ (Michael Bauchmüller/Thomas Kirchner) und das Hbl (Till Hoppe/Franz Hubik).
Rechtspolitik
Präventivhaft in Bayern: Die geplante Ausweitung der Präventivhaft in Bayern stößt auf Kritik in der Opposition und unter Fachleuten. So erklärte der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Jens Gnisa, gegenüber der SZ (Ronen Steinke), eine klare Höchstfrist sei notwendig, um Druck auf die Ermittler aufzubauen, handfeste Beweise gegen den Inhaftierten beizubringen. Auch die taz (Christian Rath) und zeit.de (Ferdinand Otto) berichten über das Vorhaben.
Reinhard Müller (FAZ) hält die Pläne für "rechtlich bedenklich". Wer präventiven Gewahrsam auf unbestimmte Zeit verhängen wolle, dem solle das "Unheimliche einer solchen Maßnahme vor Augen stehen". Christian Rath (taz) sieht einen offensichtlichen Verfassungsbruch. Die vom Gesetz geforderte "drohende Gefahr" dürfte kaum dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Dabei sei auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu beachten.
Auto-Raser: Anlässlich des Urteils des Landgerichts Berlin gegen zwei Raser haben Vertreter von Union und SPD einer Online-Vorabmeldung der NJW (Joachim Jahn) zufolge eine Änderung der Rechtslage bezüglich Autorennen gefordert. Demnach solle künftig die Teilnahme an Straßenrennen eine Straftat sein, ohne dass es auf einen Unfall ankomme. Thomas Kutschaty (SPD), Justizminister von Nordrhein-Westfalen, kritisiert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dafür, eine Bundesratsinitiative zu dem Thema nicht zu unterstützen.
DRK-Schwestern: Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, dem zufolge DRK-Schwestern unter das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz fallen, will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine Ausnahme normieren. Die taz (Kai von Appen) erläutert das Vorhaben und lässt den Arbeitsrechtler Klaus Bertelsmann zu Wort kommen, der die geplante Ausnahme kritisiert.
Corporate Governance Kodex: Der Vorsitzende der Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland, Peter Dehnen, kritisiert die jüngste Änderung des Corporate Governance Kodex, in dessen Präambel eine Formulierung zum Leitbild des ehrbaren Kaufmanns aufgenommen wurde. Befürchtet werden häufigere Klagen, meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Hendrik Wieduwilt (FAZ) den Kodex als überflüssig. Sein Zweck, "die Regulierungslust des Staates durch Selbstverpflichtung der Wirtschaft zu bändigen", sei erkennbar verfehlt worden. Die Diskussion werde heute von der Politik bestimmt.
Insolvenzanfechtung: Die Anwältin Alexandra Schluck-Amend untersucht auf lto.de die vom Bundestag beschlossene Reform der Insolvenzanfechtung. Insbesondere die Entkräftung der Beweisanzeichen beseitige Unsicherheiten. Andere Änderungen würden jedoch neue Unsicherheiten schaffen oder bestehende unangetastet lassen.
Managergehälter: Der Notar und ehemalige Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht Christoph Moes kritisiert in der FAZ den Vorwurf des Verfassungsbruchs gegenüber den Vorschlägen von SPD und Grünen, die steuerliche Abzugsfähigkeit von extrem hohen Gehältern einzuschränken. Das Verbot der Doppelbesteuerung sei gar nicht betroffen. Vom Nettoprinzip könne bei einem sachlichen Grund abgewichen werden. Letztlich lasse sich die Verfassungsmäßigkeit kaum bestreiten.
Sterbehilfe: In seiner Kolumne auf zeit.de befasst sich Bundesrichter Thomas Fischer mit der Strafbarkeit der Sterbehilfe. Nach einer Abgrenzung der verschiedenen Formen wendet er sich dem neuen § 217 StGB und Fragen der Willensfreiheit zu und stellt dem Gesetzgeber ein schlechtes Urteil aus: "Die paternalistische Verwaltung des Sterbens und die gnadenlose strafrechtliche Verdrängung des Suizids in den Bereich der Illegalität, der Depression und der erschreckenden Gewalt bewirken nicht einen Schutz des Lebens, sondern dessen Verhöhnung."
Justiz
EuGH – humanitäre Visa: Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass keine Pflicht zur Ausstellung von humanitären Visa bestehe, wenn die Antragsteller nachweislich verfolgt werden. Das geht aus einer Stellungnahme hervor, die dem Tsp (Jost Müller-Neuhof) vorliegt. Die Regierung reagiert damit auf den Schlussantrag des EU-Generalanwalts Paolo Mengozzi, der eine solche Pflicht aus der Grundrechtecharta abgeleitet hatte. Der Europäische Gerichtshof will am kommenden Dienstag entscheiden.
EuGH – Staatskirchenrecht: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Tischbirek beleuchtet auf verfassungsblog.de den Schlussantrag der Generalanwältin Juliane Kokott in einem Vorabentscheidungsverfahren aus Spanien, der den Status der Kirchen im Beihilferecht betrifft. Der Antrag enthalte erste Aussagen zu Art. 17 AEUV, die auch in den anhängigen Verfahren aus Deutschland zum Antidiskriminierungsrecht von Bedeutung seien.
EuG zu Flüchtlingsabkommen: Das Gericht der Europäischen Union hat nach einer Meldung von zeit.de eine Klage von zwei Flüchtlingen gegen den "EU-Türkei-Deal" abgelehnt. Da das Abkommen nicht vom Europäischen Rat, sondern von einzelnen Mitgliedstaaten getroffen worden sei, sei das Gericht nicht zuständig.
LG Berlin zu Autorasern: Das Mordurteil gegen zwei Männer, die bei einem illegalen Autorennen den Tod eines Mannes verursachten, sorgt für Debatten in der Rechtswissenschaft. Rechtsprofessor Michael Kubiciel erklärt auf lto.de, warum er das Urteil überzeugend findet, sowohl rechtsdogmatisch als auch vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen. Rechtsprofessor Tonio Walter bezweifelt hingegen auf zeit.de, ob der Vorwurf des Eventualvorsatzes tatsächlich richtig ist. Um gerechte Strafen zu finden, schlägt er vor, eine Strafschärfung für Fälle von leichtfertigen Tötungen vorzunehmen. Rechtsprofessor Martin Heger hat hingegen Bedenken, das Auto als gemeingefährliches Mittel einzustufen, wie er im Interview mit der Welt (Christine Kensche) erklärt. Was das Urteil für andere Autofahrer bedeutet, erläutert Rechtsanwalt Michael Winter auf focus.de.
LG Heilbronn zu Mord an Seniorin: Der 27-Jährige, der eine Seniorin im Schlaf getötet und religiöse Schriften an der Wand hinterlassen haben soll, wurde wegen Mord zu lebenslanger Haft verurteilt. Laut dem Urteil des Landgerichts Heilbronn hat er die Parolen am Tatort hinterlassen, um einen Wohnungseinbruchsdiebstahl zu verdecken, schreibt spiegel.de (Jan Friedmann).
LG Hamburg – Silvester-Übergriffe: Vor dem Landgericht Hamburg hat ein neuer Prozess gegen einen Mann begonnen, dem vorgeworfen wird, an zwei Übergriffen auf Frauen am frühen Morgen des 1. Januar 2016 beteiligt gewesen zu sein. Da die vorhandenen Fotos kaum Aufschluss zuließen, dürfte es schwierig werden, dem Mann die Taten nachzuweisen, so spiegel.de (Julia Jüttner).
LG München – Schily vs. Özdemir: Über den Rechtsstreit zwischen dem früheren Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und dem Grünenpolitiker Cem Özdemir berichtet jetzt auch die taz (Konrad Litschko). Schily wirft Özdemir vor, Äußerungen im Kontext der NSU-Anschlagsserie falsch darzustellen.
Recht in der Welt
Türkei – Deniz Yücel: Die Anordnung von Untersuchungshaft gegen den Korrespondenten der Welt, Deniz Yücel, hat heftigen Protest hervorgerufen. Die Bundesregierung kritisierte die Entscheidung, zahlreiche deutsche Zeitungen zeigten sich solidarisch und in mehreren Städten fanden Protestveranstaltungen statt. Über den Fall und seine möglichen Folgen schreiben die FAZ (Michael Martens) und spiegel.de (Maximilian Popp). Die Welt bringt eine Chronik der letzten 48 Stunden. Im Interview mit der Welt (Thorsten Jungholt) kritisiert Bundesjustizminister Heiko Maas nicht nur die Verhaftung Yücels, sondern auch die Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei.
Mit den strafrechtlichen Vorwürfen gegen Yücel beschäftigt sich die taz (Ali Celikkan). Das Vernehmungsprotokoll zeige, dass die Ermittlungen gegen den Journalisten rechtswidrig seien. zeit.de (Zia Weise) beleuchtet die türkischen Terrorgesetze. netzpolitik.org (Markus Reuter) solidarisiert sich mit Yücel und nimmt den Fall zum Anlass, an Einschränkungen der Pressefreiheit in Deutschland und der EU zu erinnern.
Vereinigtes Königreich – Differentiated Brexit: Der Rechtswissenschaftler Nikos Skoutaris arbeitet auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) die Grenzen heraus, die das britische Verfassungsrecht einem "differentiated Brexit" setzt, der es Schottland und Nordirland erlauben würde, Teil des EU-Binnenmarktes zu bleiben.
Italien – Wahlrechtsreform: Die Rechtswissenschaftler Corrado Caruso und Marco Goldoni kritisieren auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) die Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts zum geänderten Wahlgesetz. Das Urteil bestätige einen Trend zum "judicial activism" und schwäche das Parlament.
Sonstiges
Sparverträge: Nach Informationen der SZ (Harald Freiberger) zieht die VR Bank Nürnberg die Kündigung hoch verzinster Sparverträge mit langer Laufzeit zurück. Zuvor hatten Verbraucherschützer mit Klagen gedroht.
Arbeitsplatzkonzepte: Die Rechtsanwälte Flemming Moos und Moritz Naue befassen sich in der FAZ mit rechtlichen Problemen, die mit der Nutzung von Großraumbüros und "shared desk"-Lösungen einhergehen. Der Trend sei nicht nur unter Brandschutz- und Sicherheitsaspekten problematisch, sondern werfe auch datenschutzrechtliche Fragen auf, wenn etwa Mitarbeiter geortet werden, weil sie keinen festen Arbeitsplatz mehr haben.
Landwirtschaft in der Erbschaftsteuer: Die Rechtsanwälte Frank Hannes und Christian von Oertzen erläutern in der FAZ die steuerrechtlichen Regelungen hinsichtlich des Vererbens von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen. Während die Bewertungsregeln für Unternehmen, Gesellschaftsbeteiligungen und eben Immobilien nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verschärft worden seien, könne land- und forstwirtschaftliches Vermögen immer noch eine Bewertung erhalten, die deutlich unter dem Verkehrswert liegt. Die künftigen Erwerber könnten dem Erbfall daher eher gelassen entgegensehen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. März 2017: EuG billigt Solarzölle / Diskussion nach Raser-Urteil / Solidarität mit Yücel . In: Legal Tribune Online, 01.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22228/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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