Zum Tod von Roman Herzog. Außerdem in der Presseschau: De Maizière und Maas einigen sich auf Vorschriften zur inneren Sicherheit und koedukativer Schwimmunterricht verstößt nicht gegen Religionsfreiheit.
Thema des Tages
Tod von Roman Herzog: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D. und Bundespräsident a.D. Roman Herzog ist im Alter von 82 Jahren gestorben, wie unter anderen die FAZ (Günter Bannas), die SZ (Helmut Kerscher), die Welt und zeit.de (Robert Leicht) berichten. Mit seinem juristischen Wirken beschäftigen sich lto.de (Pia Lorenz) und in einem Nachruf die BerlZ (Christian Bommarius). Herzog war ab 1983 Richter am Bundesverfassungsgericht, drei Jahre später dessen Präsident und während dieser Zeit beteiligt u.a. an Entscheidungen zum Grundrecht der Versammlungsfreiheit – dem "Brokdorf-Beschluss" – , zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und zur deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1991. Das Thema Europa lag dem Staatsrechtler am Herzen. Nicht nur befasste er sich in seiner Dissertation mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, er wurde auch im Jahr 1999 Vorsitzender des Europäischen Konvents, der den Entwurf der EU-Grundrechte-Charta erarbeitete. Er warnte aber gleichzeitig vor einem Übermaß an europäischer Integration, welche die demokratische Legitimation gefährde.
Rechtspolitik
Fußfesseln, Abschiebehaft u.a.: Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Bundesjustizminister Heiko Maas haben sich auf einen "Zehn-Punkte-Plan" geeinigt, der für mehr Sicherheit und Schutz gegen Terror sorgen soll. Der Entwurf sieht unter anderem eine erleichterte Abschiebehaft für mögliche ausländische Terroristen und auf Bundesebene den Einsatz elektronischer Fußfesseln zur Überwachung von sogenannten Gefährdern vor, die nicht strafrechtlich verurteilt wurden. Außerdem solle mehr Druck auf die Herkunftsländer ausgeübt werden, damit diese ihre abzuschiebenden Bürger wieder aufnehmen. Es berichten die SZ (nif), das Hbl (Frank Specht u.a.) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof). Mit der Wirksamkeit und Notwendigkeit dieser und anderer Maßnahmen setzt sich die taz (Christian Rath u.a.) ausführlich auseinander.
Reinhard Müller (FAZ) kommentiert, dass die von de Maizière und Maas vorgeschlagenen Maßnahmen zwar Eingriffe in die Grundrechte darstellten, jedoch verhältnismäßig seien.
Immobilienkauf: Die SPD will Käufer von Immobilien und Mieter besserstellen, schreiben lto.de, die Welt und taz (Jana Anzlinger). Dafür sollen die bislang nach Prozentsatz zum Kaufpreis berechneten Notargebühren durch einen Pauschalbetrag gedeckelt und das "Bestellerprinzip" ausgeweitet werden, also der Immobilienverkäufer die Maklerkosten selbst übernehmen. Mieter sollen außerdem besser vor Eigenbedarfskündigungen geschützt werden.
Lohngerechtigkeit: Die SZ (Constanze Buillon) gibt einen Überblick über den Gesetzentwurf, der mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen bezweckt, der von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dem Kabinett zur Abstimmung vorgelegt wurde.
Justiz
EuG zu Schadensersatz für überlange Verfahrensdauer: Die EU muss den Unternehmen Cascogne und Gascogne Sack Deutschland Schadensersatz in Höhe von 55.000 Euro wegen überlanger Verfahrensdauer zahlen, wie das Gericht der Europäischen Union entschied. Die beiden Unternehmen hatten im Jahre 2006 mit ihren Klagen die Nichtigerklärung einer Entscheidung der EU-Kommission in einem Kartellverfahren begehrt. Diese Klagen wurden erst im Jahre 2011 vom EuG abgewiesen und später vom EugH mit dem Hinweis bestätigt, das Verfahren habe übermäßig lange gedauert, so lto.de.
BGH zu satirischen Äußerungen: Der Bundesgerichtshof hat die Klagen der Journalisten Josef Joffe und Jochen Bittner gegen die ZDF-Satiresendung "Die Anstalt", mit welchen sie sich gegen die Kritik an ihren Verbindungen zu angeblichen "Lobbyorganisationen" wehrten, abgewiesen. Die Äußerungen, so das Gericht, seien im Kern wahr, da diese in ihrem "Gesamtzusammenhang" betrachtet werden müssten. Das gelte insbesondere für satirische Äußerungen, denn diesen sei die "Verfremdung wesenseigen". Es berichten SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de (Markus Kompa).
VerfGH NRW zu Inklusion an Schulen: Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Verfassungsbeschwerden mehrerer Städte und Gemeinden gegen das Schuländerungsgesetz, das inklusive Bildung als Regelfall vorschreibt, als unzulässig verworfen, schreibt lto.de. Nach Vorbringen der Kommunen habe das Land NRW die verfassungsrechtlichen Vorgaben über den erforderlichen Belastungsausgleich nicht beachtet. Der VerfGH stellte aber fest, dass der Landesgesetzgeber dies getan habe, indem zeitgleich zur Schulrechtsänderung mit dem Inklusionsaufwendungsgesetz auch eine Belastungsausgleichsregelung in Kraft trat.
OLG Hamm zu Erbverzicht: Ein Vater und sein Sohn vereinbarten, dass Letzterer den Pkw des Vaters erhalte, wenn er auf sein Erbe verzichte und zudem bis zu seinem 25. Lebensjahr eine Ausbildung mit "sehr gut" abgeschlossen habe. Diese Vereinbarung ist, nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, sittenwidrig und damit unwirksam. Es berichtet lto.de.
OLG Nürnberg zu Verkehrssicherungspflicht: Das Oberlandesgericht Nürnberg hat einer Kundin Schadensersatz zugesprochen, die in der Bäckerei vor der eigentlichen Ladenöffnungszeit einkaufte und hierbei über eine am Boden liegende Palette stolperte, wie lto.de meldet. Die Ladeninhaberin treffe eine Verkehrssicherungspflicht. Allerdings ging das Gericht von einem erheblichen Mitverschulden der Kundin aus, da diese vor der Ladenöffnungszeit damit rechnen müsse, dass Waren angeliefert werden.
OLG München – NSU-Prozess: Am ersten Verhandlungstag des Jahres 2017 lässt Beate Zschäpe über ihren Verteidiger Mathias Grasel erklären, Mitgefühl mit den Opfern des NSU zu haben. Sie habe dies im Prozess nicht gezeigt, um "psychisch nicht zusammenzubrechen", zudem hätten ihre ersten Pflichtverteidiger davon abgeraten, wie die SZ (Annette Rammelsberger), spiegel.de (Björn Hengst) und die taz (Konrad Litschko) berichten. Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer bezeichnet das Vorgehen als "reine Taktik".
LG Karlsruhe – Fehlurteil: Nun berichten auch die FAZ (Rüdiger Soldt) und die taz (Benno Stieber) über die Einigung des Justizopfers Harry Wörz und des Landes Baden-Wüttemberg, in der Wörz eine Entschädigung in Höhe von 450.000 Euro zugesprochen wurde. Wörz saß wegen versuchten Totschlags an seiner Frau zu Unrecht vier Jahre lang in Haft.
Recht in der Welt
EGMR zu Religionsfreiheit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass muslimische Mädchen der Pflicht, am gemischten Schwimmunterricht in Schulen teilzunehmen, folgen müssen, wie die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Helene Bubrowski), die taz (Christian Rath) und lto.de (Tanja Podolski) berichten. Beschwerde geführt hatte ein Ehepaar aus der Schweiz, das seine beiden Töchter aus religiösen Gründen nicht am schulischen Schwimmunterricht teilnehmen ließ. Die Schulbehörde verwies hingegen auf die Möglichkeit, einen Ganzkörperbadeanzug ("Burkini") zu tragen. Der EGMR sah die Religionsfreiheit nicht verletzt. Die Schweiz habe hierfür eine gesetzliche Grundlage gesetzt, die das legitime Ziel der sozialen Integration der Kinder verfolge, das Bußgeld sei auch nicht zu hoch bemessen worden. Außerdem verwies er ebenfalls auf die Möglichkeit, einen "Burkini" zu tragen.
Matthias Dobrinski (SZ) hält das Urteil des EGMR für "vernünftig". Es sei eine Übung in "religiöser Toleranz" in der sich beide Seiten mit der jeweils anderen Art, sich zu kleiden, konfrontiert sehen. Auch Heide Oestreich (taz) begrüßt die Entscheidung, die den "religiösen Bedürfnissen von Muslimen" entgegenkomme, ohne dabei eine "Beeinträchtigung der kindlichen Entfaltungsmöglichkeiten" zuzulassen. Parvin Sadigh (zeit.de) weist darauf hin, dass es sich nicht um ein Urteil gegen den Islam handele. Vielmehr müssten sich "alle religiösen und ideologischen Gruppen damit abfinden, dass ihre Überzeugungen keinen Vorrang vor der Schulpflicht haben".
EGMR – Recht auf Scheidung: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass es kein Recht auf Scheidung gebe, wie die FAZ (Helene Bubrowski) und lto.de berichten. Ein Mann hatte geklagt, weil ihm die Justiz in Polen die Scheidung von seiner Ehefrau verweigerte, da er auf Grund seiner Untreue die Schuld am Scheitern der Beziehung trage.
USA – Germanwings: Die Angehörigen der Opfer des Germanwings-Flugzeugabsturzes reichten Klage auf Entschädigung gegen die Flugschule in Arizona ein, die zu hundert Prozent der Lufthansa gehört und den Piloten Andreas Lubitz ausgebildet hat. Die Flugschule habe es, so die Kläger, versäumt, Hinweisen auf die psychischen Probleme des Piloten nachzugehen, wie die SZ (Hans Leyendecker) schreibt.
Sonstiges
Fischer zu Verdacht und Unschuldsvermutung: In seiner Kolumne auf zeit.de thematisiert Thomas Fischer den Verdacht. Nach einem kleinen Schwenk vom strafrechtlich wohl mangels Straftatbestand irrelevanten Verdacht gegen Kai Diekmann über die Aufregung über den "Sozialbetrug" durch Asylbewerber in Niedersachsen, zeichnet er den Gang des Strafverfahrens mit seinen verschiedenen Verdachtsgraden nach und kommt schließlich zum Ziel jedes Strafprozesses: Der endgültigen Klärung des in der Anklage begründeten Verdachts. Dass aber auch die rechtlich verbindliche Feststellung über das Nichtvorliegen von Schuld trotz der Unschuldsvermutung nur wenig zähle, zeige nicht nur die Verwirrung, die es immer wieder um gerade diese und ihre Tragweite gebe, sondern vor allem die Auswüchse medialer Verdachtsberichterstattung und ihrer Steigerung im Internet, insbesondere in Fällen des bloßen Verdachts einer Sexualstraftat.
Das Letzte zum Schluss
Intimrasur auf Zugtoilette: Während er eine Intimrasur auf der Zugtoilette vornahm, wurde ein Mann von der Bundespolizei entdeckt, wie die SZ meldet. Zwar sei dies keine Straftat, allerdings sei der 22-Jährige nicht im Besitz einer Fahrkarte gewesen, teilte eine Polizeisprecherin mit. Die Verbindung von Haarpflege und mutmaßlicher Beförderungserschleichung bewegt auch spiegel.de, bild.de, HAZ und BerlZ u.a.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Januar 2017: Tod von Roman Herzog / Innere Sicherheit / Koedukativer Schwimmunterricht . In: Legal Tribune Online, 11.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21726/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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