Die juristische Presseschau vom 15. September 2016: Stö­rer­haf­tung beim EuGH / Rechts­po­litik beim DJT / BVerfG zu Aus­lie­fe­rung

15.09.2016

Der EuGH gibt heute seine Entscheidung zur Störerhaftung bekannt. Außerdem in der Presseschau: Der Deutsche Juristentag diskutiert rechtspolitische Themen und Einschränkungen der Selbstbelastungsfreiheit schützen nicht vor Auslieferung.

Thema des Tages

EuGH – Störerhaftung: Der Europäische Gerichtshof gibt heute seine mit Spannung erwartete Entscheidung zur Störerhaftung bekannt. Geklagt hat der Freifunker und Piratenpolitiker Tobias McFadden, der wegen eines Downloads über sein offenes W-Lan von Sony Music abgemahnt wurde. Dagegen setzte er sich mit einer negativen Feststellungsklage zur Wehr. Das Landgericht München I legte daraufhin dem Europäischen Gerichtshof einige Fragen zur eCommerce-Richtlinie vor.

Generalanwalt Maciej Szpunar kam in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass die damalige deutsche Störerhaftung mit dem EU-Recht nicht vereinbar ist. Das Urteil ist auch für die neue Rechtslage relevant. Zwar wurde das Telemediengesetz inzwischen geändert, jedoch beinhaltet es noch Unklarheiten, die durch die EuGH-Entscheidung ausgeräumt werden können. netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) beleuchtet das Verfahren und seine Hintergründe.

Rechtspolitik

Videoüberwachung: Der von Bundesinnenminister Thomas de Maizière angekündigte Einsatz von Gesichtserkennungssoftware bei der Videoüberwachung ist rechtlich umstritten. Zu diesem Ergebnis kam der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der von Linken-Politiker Andrej Hunko mit der Frage beauftragt wurde. Fraglich ist, ob die Ermächtigungsgrundlage für Videoüberwachung im Bundespolizeigesetz auch den Datenabgleich umfasst. Die taz (Christian Rath) berichtet.

Reform des Urheberrechts: netzpolitik.org (Hendrik Obelöer) fasst die gestern vorgestellten Pläne der EU-Kommission zur Urheberrechtsreform zusammen und gibt erste Reaktionen darauf wieder.

Rehabilitierung von Homosexuellen: Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) kritisiert die von Bundesjustizminister Heiko Maas geplante Rehabilitierung von Homosexuellen. Er erklärte gegenüber der FAZ (Reinhard Müller), das Gesetz dürfe "keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Aufhebung dieser Urteile von bundesrepublikanischen Gerichten der absolute Ausnahmefall ist."

DJT – Datennachlass: Der Deutsche Anwaltverein schlägt nach einem Bericht der FAZ (Hendrik Wieduwilt) eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes vor, um Erben den Zugriff auf Emails des Verstorbenen zu ermöglichen. Dies würde zwar in das Fernmeldegeheimnis eingreifen, beim Briefverkehr sei ein solcher Eingriff in das Briefgeheimnis aber bereits gängige Praxis, so Präsident Ulrich Schellenberg beim Deutschen Juristentag in Essen.

DJT – Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren: Die geplante Ermöglichung von Videoübertragungen aus Gerichtssälen ist weiterhin umstritten. Während die Richterschaft an ihrer ablehnenden Haltung festhält, warb Justizminister Heiko Maas beim Deutschen Juristentag um Verständnis für den vor wenigen Tagen beschlossenen Gesetzentwurf. Unterstützung erhält er vom Gutachter des Deutschen Juristentages, dem Juraprofessor Karsten Altenhain, dessen Forderungen hinsichtlich der Bild- und Tonberichterstattung über den Gesetzentwurf hinausgehen. Außerdem fordert Altenhain einen einheitlichen medienrechtlichen Auskunftsanspruch in der StPO, wie lto.de (Pia Lorenz) schreibt.

DJT – Arbeitsrecht im digitalen Zeitalter: Der Rechtsprofessor Gregor Thüsing erläutert im Gespräch mit lto.de (Tanja Podolski) die Herausforderungen, vor denen das Arbeitsrecht durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt steht. Beim diesjährigen Juristentag werde diskutiert, ob und welche Änderungen, etwa im Betriebsverfassungsrecht und im Arbeitszeitgesetzes, erforderlich sind.

DJT – Elternschaft: Nach einem Bericht des Tsp (Jost Müller-Neuhof) fordert der Marburger Rechtsprofessor Tobias Helms in seinem Gutachten für den Deutschen Juristentag einen neuen "abstammungsrechtlichen Zuordnungstatbestand", der moderne Formen der Elternschaft erfassen soll. Bundesverfassungsrichterin Gabriele Britz sprach sich für die Anerkennung der "gleichgeschlechtlichen Elternschaft" aus.

Ceta: Der Rechtsanwalt und ehemailige CSU-Politiker Peter Gauweiler spricht sich in der SZ gegen das geplante Freihandelsabkommen Ceta aus. Die Einrichtung des rechtsetzenden "Gemischten Ceta-Ausschusses" und des rechtsprechenden "Investitionsgerichtshofs" verstoße gegen das Demokratieprinzip; die vorläufige Anwendung des Vertrags ohne Zustimmung der nationalen Parlamente sei ein ultra-vires-Akt. Zudem drohe die Aushölung des Vorsorgeprinzips und die Einschränkung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Letztlich werde der "Zusammenhang von Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Demokratie" zerstört und eine "weltliche Scharia des Manager-Kapitalismus" etabliert.

Datenschutzrecht: In einem Gastbeitrag für die FAZ befassen sich Juraprofessorin Christiane Wendehorst und Rechtsanwalt Friedrich Graf von Westphalen mit der Datenschutz-Grundverordnung. Diese enthalte eine problematische Ausnahme vom Einwilligungsvorbehalt für die Verarbeitung personenbezogener Daten, wenn diese für die Erfüllung eines Vertrages erforderlich ist. Anbieter könnten Leistungsversprechen im Kleingedruckten beliebig weit formulieren und so den Einwilligungsvorbehalt faktisch aushebeln. Die Datenschutz-Grundverordnung müsse daher um einen spezifisch vertragsrechtlichen Schutz ergänzt werden.

Eine andere Lösung für die Probleme des Datenschutzes schlägt Nikolai Horn von der Bundesstiftung Datenschutz in der FAZ vor: "Nicht die Sanktionierung oder zusätzliche Vorschriften sollen das Mittel der Rechtsdurchsetzung sein, sondern IT-Anwendungen, welche Voraussetzungen für die legale Verarbeitung von Daten ermöglichen."

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. September 2016: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20584 (abgerufen am: 11.12.2024 )

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