Eine Musiklehrerin bereitet die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten vor - gegen den CETA-Vertrag. Außerdem in der Presseschau: BVerfG hält Klage gegen Pflegenotstand für unzulässig und Justizminister Maas trägt keine Maßanzüge.
Thema des Tages
CETA und Grundgesetz: Gegen das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA soll die bislang größte Verfassungsbeschwerde eingereicht werden. Eine Lüdenscheider Musiklehrerin hat schon mehr als 40.000 Vollmachten gesammelt, berichtet der Spiegel (Ann-Katrin Müller). Ausarbeiten soll die Klage der Rechtsprofessor Andreas Fisahn. Finanziert wurde sie über Crowdfunding. Im Mittelpunkt soll eine angebliche Beschneidung der Gesetzgebungsrechte der EU-Staaten stehen.
Rechtspolitik
Asylpaket II: Am Freitag fand im Bundestag die erste Lesung zum Asylpaket II statt. Die Samstags-FAZ (Eckart Lohse) stellt noch einmal die Kernpunkte des Pakets und die Reaktion der Oppositionsparteien dar. Damit sollen Asylverfahren von Personen mit geringer Bleiberechtsperspektive beschleunigt und Abschiebungen erleichtert werden. Zudem soll der Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz eingeschränkt werden.
Am Beispiel einer albanischen Familie mit traumatisierter Mutter schildert die Montags-SZ (Bernd Kastner), was die geplante erleichterte Abschiebung von kranken Flüchtlingen bedeuten könnte.
Wohnsitzauflage: Anerkannten Flüchtlingen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst decken können, soll künftig ein Wohnsitz zugewiesen werden können, um Ghettobildungen zu verhindern. Einen entsprechenden Gesetzentwurf bereitet Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor. Die Montags-taz (Anna Lehmann) schildert die Debatte. Unter anderem werde der Vorschlag als völkerrechtswidrig kritisiert.
Europäisches Flüchtlingsrecht: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anika Klafki befasst sich auf juwiss.de mit europarechtlichen Hintergründen der gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte. Die Entscheidung der Bundesregierung, das Dublin-Verfahren auf syrische Flüchtlinge nicht anzuwenden, sei nicht europarechtswidrig, während eine unterschiedslose Zurückweisung an der Grenze gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen würde. Zudem erläutert sie das Rückübernahmeübereinkommen mit der Türkei und das Gemeinsame Resettlement-Programm der EU.
EU-Seeaußengrenzen-Verordnung: Wie der Focus (bre - focus.de-Zusammenfassung) berichtet, hat der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eine Änderung der EU-Seeaußengrenzen-Verordnung gefordert. Diese verbietet der Grenzschutzagentur Frontex, in der Ägäis aufgegriffene Flüchtlinge zurück in die Türkei zu bringen. Das internationale Seerecht fordere jedoch lediglich, dass sie an einen sicheren Ort gebracht werden müssen, weshalb die Verordnung zu lockern sei.
Sexualstrafrecht: Im Bundesrat kritisieren mehrere Länder den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zur Verschärfung des Sexualstrafrechts als nicht weitgehend genug, meldet die taz (Christian Rath). Sie fordern eine "Nein heißt Nein"-Lösung. Ein Antrag von Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wird am Freitag im Bundesrat diskutiert.
Urheberrecht: Justizminister Maas und die Kulturbeauftragte Monika Grütters (CDU) haben eine europarechtliche Regelung vorgeschlagen, wonach Verleger weiterhin an Pauschalvergütungen (etwa Kopiergeräte-Abgaben) beteiligt werden können. Der EuGH hatte im November entschieden, dass solche Abgaben nur den Urhebern zustehen. Gegen Maas' Initiative protestierten laut Montags-FAZ sogleich 70 teilweise prominente Autoren.
Sportwetten: Am kommenden Donnerstag soll auf der Konferenz der Staatskanzlei-Chefs über die Vergabe von Lizenzen für legale Sportwetten verhandelt werden, nachdem diese bisher an der Justiz gescheitert ist. NRW will bundesweit 45 statt 20 Lizenzen vergeben, Bayern 35, berichtet die Montags-SZ (Jan Willmroth). Die Länder wollen damit einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission zuvorkommen, die eine Liberalisierung fordert.
TTIP: Der Rechtsprofessor Peter-Tobias Stoll lehnt in einem Beitrag für die Montags-SZ gerichtlichen Investitionsschutz zwischen EU-Staaten und den USA ab. Mangelnde Rechtstaatlichkeit müsse in diesen Staaten generell beseitigt werden, nicht nur zugunsten von Investoren. Ob Investitionsschutzabkommen gemischte Verträge sind, denen auch nationale Parlamente zustimmen müssen, werde demnächst der EuGH im Fall eines Abkommens mit Singapur entscheiden.
Justiz
BVerfG zu Pflegenotstand: Wie die SZ meldet, hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen den sogenannten "Pflegenotstand" nicht zur Entscheidung angenommen. Das BVerfG könne den Gesetzgeber nur in Ausnahmefällen zum Handeln verpflichten, wenn dieser Schutzpflichten verletzt. Eine Verletzung hätten die Beschwerdeführer jedoch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
BVerfG – NPD-Verbot: Die NPD habe sich längst auf ein mögliches Verbot eingestellt, privatisiere Immobilien und trete bei Wahlen seit geraumer Zeit mit Tarnlisten auf. Das beschreibt eine Reportage der Samstags-taz (Konrad Litschko) zum NPD-Verbotsverfahren, das ab dem 1. März vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird. Es sei zu befürchten, dass die Parteistrukturen auch nach einem Verbot bestehen bleiben.
LG Berlin zu Mord an Schwangerer: Das Landgericht Berlin hat zwei Heranwachsende wegen Mordes an der schwangeren Freundin eines der Angeklagten zu 14 Jahren Haft verurteilt, berichten unter anderem die WamS (Christine Kensche) und die Samstags-taz (Plutonia Plarre). Die Frau war in einen Hinterhalt gelockt worden, dort stachen die beiden auf die Schwangere ein und zündeten sie an.
LG Berlin zu Google: Die Kartellkammer des Landgerichts Berlin hat die Klage von mehreren Verlagen gegen die Suchmaschine Google abgewiesen. Die Verlage fühlten sich durch Googles Marktstellung gezwungen, in die kostenlose Darstellung von Textausschnitten in den Suchergebnissen einzuwilligen und wollten dagegen unter Berufung auf das Kartellrecht vorgehen. Das Gericht sah das Verhalten Googles nicht als missbräuchlich an und wies die Klage ab, meldet zeit.de.
LAG Berlin-Brandenburg zu Mitarbeiterüberwachung: Arbeitgeber dürfen den Browserverlauf von Arbeitnehmern kontrollieren, um unzulässige private Internetznutzung am Arbeitsplatz nachzuweisen, hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden. Da es um Grundsatzfragen des Arbeitnehmerdatenschutzes gehe, sei die Revision zugelassen worden, schildert der Sonntags-Tsp (Jost Müller-Neuhof).
LAG Rheinland-Pfalz zu Fußballerverträgen: Nun analysiert auch die Rechtsanwältin Sandra Urban-Crell für das Handelsblatt-Rechtsboard das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz zur Entfristungsklage des ehemaligen Torhüters Heinz Müller. Wegen der Eigenart der Arbeitsleistung hat das Gericht die Befristung des Lizenzspielervertrags über zwei Jahre hinaus für zulässig erklärt. Heinz Müller werde voraussichtlich gegen eine Abfindung auf Rechtsmittel verzichten.
LG München - Check24: Der Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) verlangt vom Internet-Vergleichsportal Check24, dass es seine Vertriebspraktiken ändert und sich künftig an die gesetzlichen Vorschriften für die Beratung und deren Dokumentation hält. Am kommenden Mittwoch wird über den Streit vor dem Landgericht München verhandelt, berichtet die Montags-SZ (Herbert Fromme), die auch den wirtschaftlichen Hintergrund darstellt. Check24 gilt rechtlich als Versicherungsmakler und tritt daher in Konkurrenz zu klassischen Maklern.
LG Hannover – Anschlag auf Flüchtlingsheim: Der Spiegel (Julia Jüttner) berichtet von der Zeugenvernehmung im Prozess gegen die drei mutmaßlichen Brandstifter von Salzhemmendorf, wo das Kinderzimmer einer Flüchtlingsfamilie mit einem Molotow-Cocktail in Brand gesteckt wurde. Die Zeugenvernehmungen und zitierten Whatsapp-Nachrichten zeichnen ein Bild rassistischer und neonazistischer Gedankenwelt, die für die Angeklagten und deren Umfeld selbstverständlich geworden ist.
LG Detmold – Auschwitzprozess: Am vierten Verhandlungstag im Auschwitzprozess gegen den Angeklagten und ehemaligen KZ-Wachmann Reinhold H. haben weitere Überlebende ihre schrecklichen Erlebnisse im Vernichtungslager geschildert. Die Verhandlung vor dem Landgericht Detmold wird am 26. Februar fortgesetzt, meldet spiegel.de.
BGH zu Sinti- und Roma-Verfolgung: Nun greift auch lto.de (Martin Rath) die rassistische BGH-Rechtsprechung der 50er-Jahre zur Entschädigung von Sinti- und Roma für die erlittene NS-Verfolgung auf. Die Urteile werden ausführlich geschildert und in den Kontext der nach dem Krieg wieder aufgenommenen "Zigeuner"-Diskriminierung gestellt.
Anwältin Karin Arnold: Die FAS (Inge Kloepfer) porträtiert die Rechtsanwältin und langjährige Beraterin der Verlegerin Friede Springer, Karin Arnold. Die unauffällige, aber versierte Juristin habe der Springer-Erbin bei zahlreichen einschneidenden Entscheidungen zur Seite gestanden und suche derzeit nach einem Modell für die Unternehmensnachfolge.
Recht in der Welt
USA - Apple und Entschlüsselung: Corinna Budras (FAS) kritisiert im Leitartikel, die Weigerung von Apple an der Entschlüsselung der PIN eines Terroristen-Handys mitzuwirken. Es gehe hier nicht um unkontrolliertes Regierungshandeln, sondern um eine gerichtliche Anweisung im Einzelfall.
USA/Kasachstan - Urheberrecht: Der US-Fachzeitschriftenverlag Elsevier klagt vor einem Gericht in New York gegen eine kasachische Nachwuchswissenschaftlerin, die das Online-Portal SciHub zur illegalen Verteilung von Artikeln aus Fachzeitschriften eingerichtet hat. Das Handelsblatt (Norbert Häring) geht davon aus, dass der unbeliebte Verlag den Prozess zwar gewinnen wird, dass das immer professioneller auftretende Portal das Geschäft von Elsevier aber nachhaltig bedrohe.
Spanien - Kunst- und Meinungsfreiheit: die Montags-taz (Rainer Wandler) beschreibt, dass in Spanien immer häufiger rechtlich gegen kritische Künstler vorgegangen wird. Zur Anwendung komme dabei unter anderem ein neues Anti-Terror-Gesetz.
Sonstiges
Christian Klar im Bundestag: Am Freitag ist bekannt geworden, dass der Linken-Abgeordnete Diether Dehm den ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar im Bundestag beschäftigt. Die Samstags-BerlZ (Christian Bimmarius) betrachtet die Angelegenheit unter dem Aspekt der Resozialisierung und konstatiert: "Zum Leben in 'sozialer Verantwortung' ohne Straftaten gehört ein eigenes Einkommen." Marc Felix Serrao (Montags-SZ) weist dagegen darauf hin, dass der Bundestag kein normaler Arbeitsplatz sei, weil dort auch die Kanzlerin herumlaufe und geheime Unterlagen liegen: "Ein Mörder wie Klar" müsse damit rechnen, "dass man ihm nach der Haftentlassung skeptisch begegnet, wenn er sich nie öffentlich von seinem Tun distanziert hat."
Jost Müller-Neuhof (Samstags-Tsp) moniert die mangelnde Transparenz der Bundestagsverwaltung beim Umgang mit aufsehenerregenden Vorfällen im Parlament, wie den Lobby-Listen und der Hausausweisdiskussion für den Neonazi Uwe Meenen und nun auch Christian Klar.
Cum-Ex-Untersuchungsausschuss: Am Freitag hat der Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Steuerskandal rund um die Cum-Ex-Geschäfte beschlossen, berichtet die Samstags-FAZ (Joachim Jahn). Damit haben Banken und Anleger eine doppelte Steuererstattung erreicht und so den Fiskus um geschätzte 12 Milliarden Euro geschädigt. Der Untersuchungsausschuss soll klären, warum die seit einem Jahrzehnt bekannte Gesetzeslücke lange Zeit nicht geschlossen worden ist.
Rechtsvergleichung: Die Montags-FAZ (Jochen Zehnthöfner) stellt das Buch "Rechtsvergleichung" des Rechtsprofessors Uwe Kischel vor. Er habe die Grundlagen der Rechtsvergleichung ganz neu erarbeitet, das Buch sei eine "Sensation". Kischel arbeite vor allem den Kontext des Rechts heraus und warne vor dem rechtsimperialistischen Glauben, das jeweils eigene Recht sei das beste.
Das Letzte zum Schluss
Heiko Maas ohne Maßanzüge: Vor einem Monat wurde Justizminister Heiko Maas vom Magazin GC zum bestangezogenen Mann 2016 gewählt. In einem Interview bekannte Maas jetzt, dass er nicht einmal Maßanzüge trage. Die Samstags-SZ (Dennis Braatz) stellt fest: "Ja, der 49-Jährige zieht sich schon ganz gut an, aber eben nur im direkten Vergleich zu seinen Kollegen aus dem deutschen Politikbetrieb, bei denen ausnahmslos zu weite oder zu lange Anzüge Gesetz sind."
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. Februar 2016: Klage gegen CETA / Kein Urteil gegen Pflegenot / Maas ohne Maßanzüge . In: Legal Tribune Online, 22.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18504/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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