Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2012: Asylbewerber sind Menschen – Kinder sind gefährdet – Turbostudent ist zahlungspflichtig

19.07.2012

Mal wieder lässt sich die Politik lieber von Karlsruhe verurteilen, als einen Missstand selbst zu beheben: Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde für teilweise verfassungswidrig erklärt. Außerdem in der Presseschau: die Bundestags-Resolution zur Beschneidung, Reding fordert EU-Justizminister und warum ein Schnellstudent trotz Schnellstudium doch seiner Hochschule den vollen Preis bezahlen muss.

BVerfG zum Asylbewerberleistungsgesetz: Die Leistungen für Flüchtlinge sind derzeit "evident unzureichend". Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt daher gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, entschied das Bundesverfassungsgericht. Es berichten und analysieren u.a. die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und der Verfassungsblog (Max Steinbeis).

In einem Leitartikel fordert Roland Preuß (SZ) eine Aufgabe der Strategie, Flüchtlinge "rauszuekeln". Viele der Flüchtlinge würden doch bleiben und Deutschland habe dann am Ende ein Integrationsproblem. Christian Bommarius (FR) schreibt in einem sarkastischen Kommentar, es sei eine "kühne These" der Richter, dass Flüchtlinge auch Menschen seien. Dirk Hoeren (Bild) kritisiert den Bundestag, dass er es nach dem Hartz IV-Urteil nicht geschafft habe, das absehbar verfassungswidrige Asylbewerberleistungsgesetz zu ändern.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Beschneidung: In einer Resolution wird der Bundestag heute die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, "der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist", berichten die SZ (Daniel Brössler) und spiegel.de.

Insolvenzrecht: Die SZ (Christoph Giesen) beschreibt im Leitartikel der Wirtschaftsseiten den am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zum Insolvenzrecht, der eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren vorsieht, wenn der Kläger in dieser Zeit 25 Prozent seiner Schulden tilgt.

Steuerabkommen mit der Schweiz: Die Anwältin Pia Dorfmueller beschreibt für lto.de den Inhalt des umstrittenen deutsch-schweizerischen Steuerabkommens und den Verhandlungsstand.

Weitere Themen - Justiz

BGH zu Vermieterkündigung: Wenn ein Vermieter die Miete an steigende Betriebskosten anpasst, und der Mieter die erhöhte Miete nicht zahlt, kann der Vermieter sofort das Mietverhältnis kündigen und muss nicht zuvor eine Zahlungsklage gegen den Mieter anstrengen. Das entschied der Bundesgerichtshof laut lto.de.

BAG zu Arbeitgeberkündigung: Ein Arbeitgeber muss den Lohn nicht nachzahlen, wenn eine fristlose Kündigung zwar unwirksam war, der Arbeitnehmer in der Zeit zwischen Kündigung und Urteil jedoch gestreikt hat. Das entschied laut beck.blog.de (Markus Stoffels) das Bundesarbeitsgericht.http://blog.beck.de/2012/07/18/bag-keine-annahmeverzugsverguetung-bei-streikteilnahme.

BGH zu Zwangsmedikation: Jetzt berichtet auch die taz (Eva Völpel) über das Urteil des Bundesgerichtshofs, das eine rechtliche Grundlage für die Zwangsmedikation psychisch Kranker verneint. In einem ergänzenden Interview mit der taz (KLU)  kritisiert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Peter Falkai, dass Richter sich in die Medikation von psychisch Kranken einmischen sollen.

EuGH – Vorratsdatenspeicherung: spiegel.de beschreibt, dass in den letzten Tagen zwei Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingegangen sind: Die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen Nichtumsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und das lange erwartete Vorabentscheidungsersuchen des irischen High Court, der fragt, ob die Rechte der Bürger bei dieser Richtlinie genügend berücksichtigt worden sind.

Dirk Jens Nonnenmacher – Verfahrensstand: Die SZ (Kristina Läsker/Klaus Ott) beschreibt ausführlich die Anklage gegen Dirk Jens Nonnenmacher, den ehemaligen Chef der HSH Nordbank wegen Bilanzfälschung und Untreue. Noch im Laufe des Sommers wolle das zuständige Landgericht entscheiden, ob es die Anklage zulasse.

Anton Schlecker – Ermittlungen: Gegen den Gründer der insolventen Drogeriekette Schlecker laufen Ermittlungen wegen Untreue, Insolvenzverschleppung und Bankrott. sueddeutsche.de (Hans von der Hagen) erläutert, um was es bei den Vorwürfen konkret gehen könnte.

NRW kauft neue Steuer-CD: Die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen soll erneut eine CD mit Daten von vermeintlichen Steuerhinterziehern gekauft haben. Das berichtet die SZ (Bernd Dörries/Claus Hulverscheidt). CDU-regierte Länder wollen sich an den Kosten derartiger CDs nicht mehr beteiligen, berichtet das Handelsblatt (Donata Riedel, Holger Alich).

Sorgerechtsentzug: In 12.700 Fällen haben deutsche Gerichte im letzten Jahr Eltern wegen Kindeswohlgefährdung das Sorgerecht entzogen. Das meldet die FAZ. Die Zahlen hätten sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt.

Fifa-Richter Eckert: Die FAZ (Albert Schäffer) portraitiert Hans-Joachim Eckert, der an der Spitze der rechtsprechenden Kammer einer Ethikkommission Korruptionsvorwürfe im Fußballverband Fifa beurteilen soll. Eckert ist ansonsten Vorsitzender einer Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München. "Es dürfte wenige deutsche Juristen geben, die über eine reichere Expertise in der Verfolgung und Ahndung von Korruptionsdelikten und Wirtschaftsstraftaten verfügen", schreibt die FAZ.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Rumänien – EU-Kommission: In einem Interview mit der FAZ (Nikolas Busse) erklärt EU-Justizkommissarin Viviane Reding das Vorgehen der EU-Kommission gegen Rumänien. Langfristig fordert sie die Einführung eines "EU-Justizministers", der das Recht hat, "vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, wenn die Unabhängigkeit der Justiz in einem Land gefährdet ist".

Russland – Pussy Riot: Die SZ (Julian Hans) beschreibt auf ihrer Seite 3 ausführlich den Prozess gegen drei Mitglieder der Punkband Pussy Riot wegen Rowdytums. Die Frauen hatten in einer Moskauer Kirche ein "überfallartiges" Konzert durchgeführt. Es gehe um die Frage, was in Russland heilig sei.

Italien – Borsellino-Mord: In ihrem Feuilleton beschreibt die SZ (Henning Klüver) 20 Jahre nach dem Mord an dem italienischen Staatsanwalt Paolo Borsellino mögliche Hintergründe, insbesondere Kontakte zwischen Mafia und Staat.

Sonstiges

Verfassungsschutzbericht: Heribert Prantl (SZ) kritisiert die Routine bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts des Bundes. "Die Selbstkritik war homöopathisch. Die Reformankündigungen blieben schwammig."

Das Letzte zum Schluss

Turbostudent verliert: Das Amtsgericht Arnsberg entschied, dass der Student, der an einer Privat-Hochschule in Rekordzeit zwei Examina ablegte, dennoch für die gesamte gebuchte Studienzeit bezahlen muss. Statt elf brauchte er nur vier Semester. Das Amtsgericht urteilte, es seien keine Semestergebühren vereinbart gewesen, sondern ein Gesamtpreis. Gestritten wird um rund 11.000 Euro, berichtet spiegel.de.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)  

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2012: Asylbewerber sind Menschen – Kinder sind gefährdet – Turbostudent ist zahlungspflichtig . In: Legal Tribune Online, 19.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6653/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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