Es steht gut um das Vertrauen ins deutsche Rechtssystem, so eine Umfrage aus Allensbach. Außerdem in der Presseschau: Innenminister stellt IT-Sicherheitsgesetz vor, VG Potsdam hält Rundfunkbeitrag für verfassungsgemäß, Klagen gegen Tagebau, Amazon und die Frage des Machtmissbrauchs und warum ein Smiley im Arbeitszeugnis nicht traurig dreinschauen darf.
Thema des Tages
Deutsche haben Vertrauen in Rechtsstaat: Die FAZ hat das Allensbacher Institut für Demoskopie mit einer Umfrage zum Vertrauen in das deutsche Rechtssystem beauftragt. Das Ergebnis: Die Deutschen fühlen sich insgesamt gut aufgehoben. Von "Grundvertrauen" ist die Rede: "Die große Mehrheit empfindet Deutschland als gefestigten und verlässlichen Rechtsstaat" laute das Fazit der Umfrage, die Renate Köcher, Geschäftsführerin des Allensbacher Instituts, in der FAZ vorstellt. Fälle wie Mollath, Ecclestone und Hoeneß seien zwar geeignet, Zweifel an der Justiz zu nähren. Zudem hätten Reiche den Befragten zufolge vor Gericht meist bessere Chancen. Das Ansehen der Justiz sei aber durch kritisch aufgenommene Urteile nicht angegriffen, zumal "die Blindheit von Justitia nach Überzeugung der meisten immer eine Schimäre war", so Köcher. Und auch wenn vereinzelte Urteile aus jüngerer Zeit gegen das Rechtsempfindenvieler Befragten verstoßen: Zwei Drittel der Bürger haben großes Vertrauen in die deutsche Justiz, so die Umfrage. Am besten hätten Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht abgeschnitten: 87 bzw. 79 Prozent der Befragten haben hier "großes Vertrauen". Europäische Institutionen schnitten schlechter ab, besonders die Europäische Kommission: Hier liege der Wert bei etwa einem Viertel; der des Europäischen Gerichtshofes immerhin bei über 50 Prozent.
Rechtspolitik
Entwurf für IT-Sicherheitsgesetz: Bundesinnenminister Thomas de Maizère (CDU) hat am Dienstag den Entwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes vorgestellt. Geplant ist eine Meldepflicht für Unternehmen und Betreiber "kritischer Infrastrukturen" (etwa Energieversorger oder Banken) im Falle von Cyberattacken. Um Imageschäden für betroffene Unternehmen gering zu halten, sollen aber anonyme Anzeigen möglich seien. Auch sollen ein IT-Sicherheits-TÜV eingeführt und Kompetenzen der Sicherheitsbehörden ausgebaut werden. SZ (Stefan Braun), FAZ (Joachim Jahn/Martin Gropp) und taz (Konrad Litschko) berichten.
Mit dem rechtlichen Grundgedanken der Verkehrssicherungspflichten vergleicht Datenschutzexperte Carlo Piltz (delegedata.de) das Vorhaben, Unternehmen mehr Verantwortung für den Schutz vor Risiken aufzuerlegen, die sie selbst schüfen. Problematisch könne aber die Frage werden, wann genau ein Unternehmen ein solches Risiko schaffe.
Joachim Jahn (FAZ) meint, de Maizière tue zum Schutz digitaler Infrastrukturen vor Kriminellen und Spionen jetzt, "was in seiner Macht liegt". Jaspar von Altenbockum (FAZ) schließlich findet, dass die Zeit für ein IT-Sicherheitsgesetz reif ist: "Das Interesse an Sicherheit ist kurioserweise im Zuge der NSA-Affäre nicht gesunken, sondern in dem Maße gestiegen, wie es das Bedürfnis nach Freiheit im Netz bedient. Das Sicherheitsgesetz geht deshalb in die richtige Richtung und das mit forscher Gangart."
Kontrolle der Geheimdienste: Im Zuge der jüngsten Meldungen über Überwachungstätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes kritisiert Heribert Prantl (SZ), dass das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) seinem gesetzlichen Auftrag, die Geheimdienste zu kontrollieren, nicht nachkommen kann. Prantl moniert nicht zuletzt die Personalschwäche des PKGr – es besteht aus neun Mitgliedern. Und tritt das Gremium dann zusammen, erfährt es, "was seit zwei Wochen in der Zeitung steht oder demnächst dort stehen wird".
Thomas Fischer zu Sexualstrafrecht: Mit deutlichen Worten kritisiert BGH-Richter Thomas Fischer im Gespräch mit lto.de (Pia Lorenz) die Forderungen der Kieler Juraprofessorin Monika Frommel nach einer Reform des Sexualstrafrechts, die sie unlängst an gleicher Stelle gestellt hatte. Fischer stimmt Frommel zwar zu, soweit sie die Strafbarkeit jeglicher sexuellen Handlung "gegen den Willen" einer Person nicht ausdehnen will. Irritierend sei für ihn indes, dass Frommel lange das Gegenteil vertreten habe. Fischer spricht außerdem über das "Ausnutzens einer schutzlosen Lage" nach § 177 Abs. 1 des Strafgesetzbuches und warnt vor "unbegrenzter Verfolgung" solcher Täter, die keine Zwangsmittel anwenden.
Schiedsgerichte im Freihandel: Mit einigen Mythen aufgeräumt hat in den Augen Andrea Rexers (SZ) der Vertragsentwurf des Handelsabkommens zwischen Kanada und der EU, Ceta. So seien die umstrittenen Schiedsverfahren keineswegs "Geheimgerichte", sondern dem Vertragsentwurf zufolge teilweise transparenter "als jeder Wirtschaftsprozess in Deutschland". Dennoch müsse man sich fragen, warum zwei Wirtschaftsräume mit funktionierenden Rechtssystemen Investorenschutzklauseln brauchen – und warum nur Unternehmen, nicht aber Bürger und der Staat vor einem Schiedsgericht klagen können.
Justiz
VG Potsdam zum Rundfunkbeitrag: Das Verwaltungsgericht (VG) Potsdam hält den Rundfunkbeitrag für verfassungsgemäß. Das VG hat laut lto.de die Klagen mehrerer Beitragsschuldner abgewiesen. Die Schutzbereiche von Informations-, Religions- oder allgemeine Handlungsfreiheit seien gar nicht erst eröffnet, so das Gericht, und der Meldeabgleich verstoße nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch sei der Rundfunkbeitrag nicht als Steuer zu werten.
BGH zu Werbung mit Selbstverständlichkeiten: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Werbung eines Online-Händlers mit einer "14-tägigen Geld-zurück-Garantie" unzulässig ist. Das meldet die FAZ (Joachim Jahn). Das Widerrufsrecht ist ohnehin im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert, Werbung mit Selbstverständlichkeiten sei daher unlauter und daher verboten, so der BGH laut FAZ. Zulässig sei hingegen der Satz: "Für alle Produkte gilt selbstverständlich ebenfalls die gesetzliche Gewährleistungsfrist von zwei Jahren".
EuGH – BVerwG legt Frage zum Aufenthaltsrecht vor: Können Flüchtlinge in der Bundesrepublik zu einem bestimmten Wohnsitz verpflichtet werden? Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Auslegung einer EU-Richtlinie über Mindestnormen beim Umgang mit Flüchtlingen vorgelegt. Dem liegen Verfahren syrischer Flüchtlinge zugrunde, die sich gegen Wohnsitzauflagen wenden. Die Welt (Sven Eichstädt) berichtet.
OLG Koblenz – Rock am Ring: Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg hat laut lto.de im Streit um die Namensrechte für das Musikfestival "Rock am Ring" beim Oberlandesgericht Koblenz Berufung eingelegt. Lieberberg wehrte sich mit der Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Koblenz, das ihm im Juni dieses Jahres die Verwendung des Titels "Rock am Ring" für weitere Festivals untersagt hatte.
Drohende Klagewelle gegen Tagebaue: Weil Dutzende Dörfer in Brandenburg und Sachsen dem Braunkohleabbau weichen sollen, droht laut SZ (Markus Balser) eine neue Klagewelle gegen Tagebauen. Die Umweltorganisationen BUND und Greenpeace planen demnach entsprechende Gerichtsverfahren. Sie monieren einseitige Genehmigungsverfahren; außerdem seien die Umsiedlungen überflüssig.
Recht in der Welt
England/Australien – Assange: Die Anwältin von Wikileaks-Gründer Julian Assange hat einem australischen Fernsehsender mitgeteilt, Assange werde die ecuadorianische Botschaft in London nur gegen die Zusicherung verlassen, dass sein Recht auf "politisches Asyl" respektiert bleibe. Das meldet zeit.de.
USA – Deutsche Bahn verklagt Fluggesellschaften: Die Deutsche Bahn hat laut handelsblatt.com rund ein Dutzend Fluggesellschaften vor einem New Yorker Gericht verklagt, unter anderem Air France und KLM. Insidern zufolge laufe die Klage auf eine Summe von einer halben Milliarde Euro hinaus – Geld, das die Bahn als Geschädigte eines Luftfrachtkartells fordert, das schon vor Jahren wegen illegaler Preisabsprachen aufgeflogen sei.
USA – Justizminister Eric Holder: US-Präsident Obama hat seinen Justizminister Eric Holder nach Ferguson (USA) entsandt. Nach der Tötung des schwarzen Jugendlichen Michael Brown vor knapp zwei Wochen soll Holder Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen. Die FAZ (Patrick Welter) stellt den Justizminister kurz vor.
Sonstiges
Kartellbeschwerde gegen Amazon: Im Streit um die Verteilung der Erlöse bei E-Books ruft die Geschäftspolitik des Online-Versandriesen Amazon immer mehr Kritiker auf den Plan. Der Börsenverband des Deutschen Buchhandels hat im Juni Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt. Der Vorwurf: Amazon missbrauche seine Marktmacht. Christian Rath (Badische Zeitung) meint, die Beschwerde sei derzeit rechtlich nicht erfolgversprechend – sondern eher eine Marketing-Maßnahme, "um die Öffentlichkeit auf die eigene Seite zu ziehen und Amazon ins moralische Unrecht zu setzen". Am Ende könnte die Bewahrung der Verlagsvielfalt eine Aufgabe für den Gesetzgeber werden, so Rath.
EU-Kommission gegen Autovermieter: Als klaren Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie sieht die EU-Kommission laut einem Bericht der SZ (Michael Kuntz) die offenbar gängige Tarifpolitik einiger Autovermieter an: Diese würden unterschiedlich hohe Preise für die gleiche Leistung von Kunden verlangen – abhängig nach deren Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz. Die EU-Kommission gehe jetzt gegen die Unternehmen vor.
Das Letzte zum Schluss
Zur lachenden Unterschrift verdonnert: Die Justiz muss sich auch einmal mit Smileys herumschlagen, wie laut justillon.de ein Urteil des Arbeitsgerichts Kiel aus 2013 zeigt. Dass die Unterschrift des Vorgesetzten auf einem Arbeitszeugnis ein trauriges Smiley enthielt, wollte der klagende Ergotherapeut nicht auf sich sitzen lassen. Er habe das Gericht davon überzeugen können, dass der Vorgesetzte für gewöhnlich seine Unterschrift mit einem lachenden Smiley versieht. Zweideutigkeiten in Arbeitszeugnissen seien aber unzulässig. Der Therapeut habe Anspruch auf ein neues Zeugnis – dieses Mal mit lachender Unterschrift.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. August 2014: Deutsche vertrauen dem Rechtssystem – IT-Sicherheitsgesetz vorgestellt – Smiley im Arbeitszeugnis . In: Legal Tribune Online, 20.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12943/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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