Der BGH verhandelte über fingierte Polizeikontrollen als Mittel der Drogenfahndung. Außerdem in der Presseschau: Rechtsextremist Horst Mahler entzieht sich der Haft und deutsche Juristen geben türkischen Kollegen Tipps für die Flucht.
Thema des Tages
BGH – legendierte Polizeikontrollen: Der Bundesgerichtshof verhandelte über die Frage, ob die Polizei mit scheinbar zufälligen Verkehrskontrollen strafrechtlich verwertbare Erkenntnisse gewinnen kann. Konkret ging es um die Durchsuchung des Autos eines Drogendealers, der nur wenig zu schnell gefahren war. Die Verteidigung hielt den Drogenfund für unverwertbar, weil so ein strafprozessual erforderlicher richterlicher Durchsuchungsbeschluss umgangen wurde. Die Bundesanwaltschaft sieht dagegen das polizeiliche Vorgehen durch das hessische Polizeigesetz gestützt. Der BGH wird das Urteil am Mittwoch kommender Woche verkünden. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und spiegel.de.
Rechtspolitik
Kinderehen: Die Unicef-Juristin Sabine Witting kritisiert auf verfassungsblog.de das geplante Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Es widerspreche mit seiner Schwarz-Weiß-Sicht dem Kindeswohl-Prinzip der UN-Kinderrechtskonvention.
Endlager: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Lisa Hamacher stellt auf juwiss.de das jüngst novellierte Standortauswahlgesetz vor, mit dem in ganz Deutschland nach einem Endlager für Atomabfälle gesucht werden soll. Am umstrittensten sei das darin enthaltene Exportverbot sowie der Umstand, dass auch der lange favorisierte Standort Gorleben weiter im Rennen ist.
Justiz
Horst Mahler untergetaucht: Der rechtsextremistische ehemalige Anwalt Horst Mahler ist (vermutlich im Ausland) untergetaucht. Zuvor hatte das Oberlandesgericht Brandenburg entschieden, dass er die Reststrafe einer zehnjährigen Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung noch hinter Gittern verbüßen muss. 2015 war er nach einer Unterschenkelamputation zunächst aus der Haft entlassen worden, berichtet die taz (Konrad Litschko).
LG Köln – Middelhoff: Im Streit zwischen dem Bankhaus Sal. Oppenheim und dem ehemaligen Top-Manager Thomas Middelhoff bzw. seiner Frau haben Vergleichsverhandlungen begonnen. Das Landgericht Köln hat daher einen Termin für die mündliche Verhandlung in der nächsten Woche abgesagt, meldet handelsblatt.com.
StA Halle – Reichsbürger: Die Staatsanwaltschaft Halle hat den ehemaligen Mister Germany und jetzigen Reichsbürger Adrian U. wegen versuchten Mordes angeklagt. Er hatte vor acht Monaten auf einen Polizisten geschossen, als sein Haus geräumt werden sollte, berichtet spiegel.de.
LAG Bremen – Altersgrenze und Arbeitsverträge: Das Landesarbeitsgericht Bremen hat im November 2016 dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die 2014 in § 41 Satz 3 SGB VI geschaffene Möglichkeit der Arbeitsvertragsparteien, das Vertragsende (mehrfach) über die Regelaltersgrenze hinaus zu verschieben, gegen EU-Recht verstößt. Darüber berichtet community.beck.de (Christian Rolfs). Rolfs nimmt einen Verstoß gegen die Befristungs-Richtlinie 1999/70/EG an, weil die deutsche Regelung weder einen sachlichen Grund für die Verlängerung verlangt noch die Zahl der zulässigen Verlängerungen oder deren maximale Dauer begrenzt.
LG Potsdam – RBB: Mehrere ostdeutsche Zeitungsverlage haben den öffentlich-rechtlichen Sender RBB beim Landgericht Potsdam verklagt, weil sein Internetangebot zu "presseähnlich" sei und sich nicht genug auf Audio- und Fernseh-Beiträge beziehe. Es berichtet die taz (Peter Weissenburger).
Recht in der Welt
Türkei – Fluchthilfe für Juristen: Deutscher Anwaltverein und Deutscher Richterbund haben eine türkischsprachige Seite für türkische Juristen eingerichtet, die aus der Türkei nach Deutschland fliehen wollen, berichtet lto.de. Nach dem Referendum sei davon auszugehen, dass der Rechtsstaat in der Türkei endgültig kollabiere.
Türkei – Metin Feyzioglu: Die FAZ (Michael Martens) portraitiert den Präsidenten des Verbands türkischer Anwaltskammern, Metin Feyzioglu. Die Vereinigung werde noch nicht vom Regime kontrolliert. Feyzioglu ist inzwischen auch als Führer der Oppositionspartei CHP im Gespräch.
IGH – Russland/Ukraine: Der Internationale Gerichtshof hat im Klageverfahren der Ukraine gegen Russland vorläufige Maßnahmen beschlossen, berichtet zeit.de. So wird Ukrainern und Tataren auf der annektierten Halbinsel Krim das Recht auf eigene Organisationen und Unterricht in ihrer Sprache gesichert. Gleichzeitig wies das Gericht eine ukrainische Forderung nach Maßnahmen gegen die russische Unterstützung von Rebellen im Osten der Ukraine zurück.
Vereinigtes Königreich – Brexit: Der Dozent Paolo Sandro bezichtigt auf verfassungsblog.de die britische Premierministerin Theresa May der Lüge, weil sie behauptet, es könne beim Brexit keine Umkehr mehr geben. Vielmehr könne der Austrittsantrag jederzeit von Großbritannien zurückgenommen werden, jedenfalls wäre eine bilaterale Einigung mit der EU darüber möglich.
Sonstiges
Facebook: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) stellt die Juristin Monika Bickert vor, Chefin der Facebook-Abteilung "Product Policy", die auch jene Mitarbeiter berät, die über Löschungswünsche entscheiden. Sie erläutert, wie schwierig die Entscheidungen sind, weil es oft auf den Kontext ankomme, ob ein Posting menschenfeindliche Hetze darstelle oder bissige Satire.
Legal Tech: Die Anwaltsberaterin Petra Arends-Paltzer gibt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard einen Überblick über aktuelle Legal-Tech-Entwicklungen. Sie bilanziert: "Im Rückblick hat jede industrielle Revolution zunächst Arbeitsplätze gekostet, bis sich der Arbeitsmarkt auf die neue Situation eingestellt hat und neue Berufe bzw. Berufsfelder geschaffen wurden." Dies werde wohl auch bei Legal Tech langfristig nicht anders sein.
Das Letzte zum Schluss
Sockenräuber: In Heidelberg hat ein Mann schon zwei Mal Frauen angegriffen und ihnen jeweils eine Socke geraubt, berichtet die Stuttgarter Zeitung. Die Polizei nimmt die Vorfälle ernst.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. April 2017: Vorgetäuschte Polizeikontrollen / Horst Mahler untergetaucht / Fluchthilfe für türkische Juristen . In: Legal Tribune Online, 20.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22686/ (abgerufen am: 16.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag