Die juristische Presseschau vom 20. März 2012: Überredung zum Geständnis – Überlastung des BVerfG - Überweisung nach Slowenien

20.03.2012

Wie kann jemand ein Verbrechen gestehen, das er gar nicht begangen hat? Spiegel-TV zeigt es an einem exemplarischen Fall auf. Außerdem in der Presseschau: die Diskussion um die Mutwillensgebühr, die das Verfassungsgericht vor sinnlosen Klagen schützen soll und gefälschte Abmahnungen, die irgendjemanden in Slowenien freuen.

Justizskandal Rudi Rupp: Geständnisse sind nichts Wert, wenn sie unter Druck zustande kommen. spiegel.de (Julia Jüttner) belegt diese These anhand des Falles von Rudi Rupp: Dessen Familie hatte gestanden, den Bauern erschlagen, zerstückelt und an die Hoftiere verfüttert zu haben. Das Landgericht Ingolstadt verurteilte sie 2005 wegen Totschlags. Vier Jahre später tauchte der Wagen des Bauern mitsamt dessen Leiche in der Donau auf – unverstückelt und unverfüttert. Spiegel-TV dokumentierte gestern Abend Polizei-Videos von den Vernehmungen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

EU und Plebiszite: In einem Gastbeitrag für die SZ mahnt der Rechtsprofessor Franz Mayer zu Vorsicht gegenüber der Forderung nach EU-bezogenen Volksabstimmungen. Der Bundestag sei für die Mitwirkung in EU-Fragen gut gerüstet. Der Fiskalpakt sei keine Übertragung von Hoheitsrechten. Nur bei EU-Erweiterungen um neue Mitglieder hält Mayer Plebiszite für sinnvoll.

Überlastung des BVerfG: Die SZ (Wolfgang Janisch) schildert in einem ausführlichen Artikel wirre Klagen, die das Bundesverfassungsgericht überlasten, und wie das Gericht mit einer Mutwillensgebühr Einhalt gebieten will. Im Bundestag gebe es aber noch Skepsis. Ex-BVerfG-Richterin Renate Jaeger plädiere als Alternative dafür, die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Gerichts effizienter einzusetzen.

Bundespräsident: Die FAZ (Reinhard Müller) erklärt Joachim Gauck detailliert, welche Befugnisse er laut Grundgesetz künftig hat.

Streikrecht: Die FAZ (Joachim Jahn) stellt einen Gesetzentwurf der Professoren Gregor Thüsing, Martin Franzen und Christian Waldhoff vor. So sollen Streiks in Unternehmen der Infrastruktur vier Tage vorab angekündigt werden müssen. Spartengewerkschaften sollen nur für Forderungen streiken dürfen, die 15 Prozent einer Belegschaft betreffen.

Schlichtung im Flugverkehr: Steuerberater und Schiedsrichter Gustav K.L. Real prüft in einem Beitrag für lto.de den gemeinsamen Vorschlag von Bundesregierung und Luftverkehrswirtschaft zur Einrichtung einer Schlichtungsstelle für Fälle mit Streitwert bis 5.000 Euro. Da Airlines und Passagiere unterschiedliche Interessen hätten, komme der Druck, an einer Schlichtung teilzunehmen, der Verweigerung des gesetzlichen Richters nahe.

Asyl und Flughafenverfahren: Der Deutsche Anwaltverein plädiert dafür, auf Flughäfen keine Anhörungen von Asylbewerbern unter haftähnlichen Zuständen mehr durchzuführen, meldet lto.de.

Babyklappen: Matthias Kamann (Die Welt) plädiert für eine Abschaffung von Babyklappen. Sie verfehlten ihre Zielgruppe (Frauen in gefährlichen Lagen) und motiviere Frauen zu gefährlichen heimlichen Entbindungen. Besser sei eine anonyme Geburt im Krankenhaus, bei der auch Kontakt zu den Frauen aufgenommen werden kann.

Abmahnreform: Der Anwalt Christian Harmsen verteidigt in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt die Grundstrukturen des Abmahnwesens, das teure Klagen verhindere. Die Gebühren sollten grundsätzlich weiter am Streitwert orientiert bleiben.

Lizenzen in der Insolvenz: Ein Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin sieht vor, dass der Insolvenzverwalter im Fall der Insolvenz eines Lizenzgebers ungünstige Verträge auf marktübliche Bedingungen anpassen kann. Wie das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) darstellt, halten Industrieverbände das nicht für wirtschaftsfreundlich genug, während der Verband der Insolvenzverwalter darin eine ausgewogene Lösung erkennt.

Weitere Themen - Justiz

BGH zu Steuerhinterziehung: In einem Fall aus Augsburg hat der Bundesgerichtshof erneut eine Bewährungsstrafe kassiert, weil der Täter mehr als eine Million Euro Steuern hinterzogen hat, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Es dürfe nicht strafmildernd gewertet werden, dass kein noch höherer Schaden angerichtet wurde.

BGH zu Vorratsgesellschaften:  Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein GmbH-Gesellschafter einer GmbH-Neugründung nur für das gegebenfalls fehlende Stammkapital haftet und nicht für alle zwischenzeitlich aufgelaufenen Risiken. Der Anwalt Markus Ruoff stellt das Urteil in der FTD als "Urteil der Woche" vor. Er rät zur Nutzung frischer Vorratsgesellschaften, weil bei gebrauchten GmbH-Mänteln noch unerkannte Alt-Risiken schlummern könnten.

BGH zu Wiedergutmachungsrecht: Vorige Woche hat der Bundesgerichtshof den Streit um die von den Nazis geraubte Plakatsammlung des Zahnarztes Hans Sachs entschieden. In einer Besprechung des Urteils auf lto.de kommen die Anwältin Claudia von Selle und der Richter Dirk von Selle zum Schluss, dass der BGH eine Renaissance des Zivilrechts im Wiedergutmachungsrecht eingeläutet habe. Die proklamierte Ausnahme von den Fristen des Entschädigungsrecht, wenn der Verbleib einer Sache ungeklärt war, treffe auf viele Vermögenswerte zu.

VGH Kassel zum Persönlichkeitsrecht: Ein Beamter wehrte sich erfolgreich gegen die Nennung seines Namens im Zusammenhang mit fehlerhaften Abi-Aufgaben. Über ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel gegen die Bild-Zeitung berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Der VGH habe eine Abwägung angeordnet nach dem Motto: "Je kleiner der Beamte, desto größer der Schutz".

Terror-Prozess am OLG Koblenz: Die Welt (Ulrich Kraetzer) berichtet vom Beginn des Prozesse gegen den Deutsch-Afghanen Ahmad S. am Oberlandesgericht Koblenz. Ihm wird Mitgliedschaft bei Al Qaida vorgeworfen.

Steuer-Splitting für Homosexuelle: Die SZ (Guido Bohsen) stellt den Stand des finanzgerichtlichen Streits um das Steuer-Splitting für eingetragene Partnerschaften dar.

Teilzeit-Vorstand: In einem Beitrag für das Handelsblatt-Rechtsboard hält Rechtsprofessor Ulrich Noack die Bestellung von GeschaftsführerInnen in Teilzeit für möglich. Unaufschiebbare Unterschriften müssten aber auch an freien Tagen geleistet werden.

Erbrecht und Scheidung: Die Anwälte Hans Flick und Christian von Oertzen stellen in einem Beitrag für die FAZ-Erbrechts-Serie Probleme dar, die entstehen, wenn der Erblasser geschieden war.

Das Letzte zum Schluss

Abmahnung aus Slowenien: Anwalt Sebastian Dosch stellt in seinem KLAWtext-Blog eine Abmahnung vor, die so wirkt, als sei sie von einem deutschen Anwalt verfasst. Letztlich seien aber nur Handy-Nummern angegeben und eine Kontonummer aus Slowenien.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage. 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. März 2012: Überredung zum Geständnis – Überlastung des BVerfG - Überweisung nach Slowenien . In: Legal Tribune Online, 20.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5817/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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