Die juristische Presseschau vom 17. bis 19. August 2013: Fernmeldegeheimnis im Ausland – BMI-Streichliste für NSU-Bericht – Gefälschtes Mollath-Fax

19.08.2013

Weitere Themen – Justiz

Porträt Leutheusser-Schnarrenberger: Das Porträt der "Bürgerrechtlerin" und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) aus der Zeit (Heinrich Wefing) findet sich jetzt auch bei zeit.de.

BVerfG – bevorzugte Behandlung von Richterin im Krankenhaus?: In einem Beitrag im Ärzteblatt hatte Harald Proske, Notaufnahmeleiter im Klinikum Karlsruhe, schwere Vorwürfe gegen eine Richterin am Bundesverfassungsgericht erhoben: die Juristin, die sich nach einem Sturz einen Fingerbruch zugezogen hatte, habe unter Ausnutzung ihrer Stellung die stundenlange Wartezeit umgehen und sich über einen befreundeten Arzt eine bevorzugte Behandlung verschaffen wollen. Inzwischen habe Proske sich entschuldigt, so taz.de (Christian Rath). Der eigentliche Missstand in diesem Fall liegt aus Sicht der taz aber ohnehin woanders: Unmenschliche Zustände in den Notaufnahmen und die Zwei-Klassen-Medizin.

Dazu auch Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog).

Rundfunkbeitrag – Klagewellen: Über Klagen gegen den neuen Rundfunkbeitrag vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, dem Verwaltungsgerichtshof München und dem Bundesverfassungsgericht berichtet der Focus (Robert Vernier). In dieser Woche wolle der Steuerfachanwalt Thomas Koblenzer eine Popularklage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof einreichen: Die Zustimmung des Landtages zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei unzulässig gewesen und der Vertrag enthalte verfassungswidrige Passagen, wie etwa die doppelte Belastung von Wohn- und Betriebsstätten. Bereits in einem Gutachten aus diesem Frühjahr habe Koblenzer den Beitrag als verfassungswidrig qualifiziert: Es handele sich eigentlich um eine Steuer, woraus sich die formelle Verfassungswidrigkeit ergebe. Weiter geht es um ein Pilotverfahren vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Ein Hauptsache-Termin sei noch nicht absehbar, aber erst dann werde über die Annahme weiterer Klagen entschieden. Beim Bundesverfassungsgericht seien von den bislang gut 50 eingegangenen Beschwerden etwa 25 zur Entscheidung angenommen worden.

VGH Baden-Württemberg zu Integration: Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg muss eine heute 62-jährige Türkin, die seit 1981 mit ihrer Familie in Deutschland lebt, keinen 1.200-stündigen Alphabetisierungskurs besuchen. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) erläutert: Zum einem sei die Frau krank, wodurch der Kurs zwei Jahre in Anspruch genommen hätte, zum anderen gäbe es einen Ermessensspielraum bei der Einzelfallentscheidung, ob die seit 2005 gesetzlich vorgeschriebenen "Integrationskurse" besucht werden müssten. 2010 hatte das Landratsamt Karlsruhe die Frau zwangsweise zu einem Integrationskurs schicken wollen, wegen ihres Analphabetismus habe das Regierungspräsidium dann auf den Alphabetisierungskurs verwiesen, so die SZ. Dazu auch lto.de.

OVG Münster zu Altpapiersammlung: Die Wochenend-taz (hol) informiert über ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aus der vergangenen Woche, wonach künftig die gewerbliche Sammlung von Altpapier in drei Städten des Rhein-Kreises Neuss zulässig sei. Stünden keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen, müsse die gewerbliche Sammlung erlaubt werden. Eine gewerbefreundliche Auslegung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes hätten auch andere Gerichte in ähnlichen Fällen bereits befürwortet.

LG Göttingen - Transplantationsskandal: Am Montag beginnt vor dem Landgericht Göttingen der Prozess gegen einen ehemaligen Transplantationschirurgen des Universitätsklinikums Göttingen. Die Staatsanwaltschaft werfe dem Angeklagten versuchten Totschlag in elf Fällen sowie Körperverletzung mit Todesfolge in drei weiteren Fällen vor, berichtet die Samstags-SZ (Christina Berndt). Um für seine Patienten schneller an Spenderlebern zu gelangen, habe er gegenüber Eurotransplant bewusst falsche Angaben über den Gesundheitszustand der späteren Empfänger gemacht und so "billigend in Kauf genommen", dass andere "lebensbedrohlich erkrankte Patienten" nicht mehr rechtzeitig eine Spende erhielten. In drei Fällen habe der Arzt eine Leber verpflanzt, ohne dass dies mit Blick auf den Krankheitsgrad bereits angezeigt gewesen wäre; die Patienten seien an den Folgen verstorben. Juristisch sei der Fall, so die SZ, höchst umstritten. Einige Juristen sähen in dem Verhalten lediglich einen Verstoß gegen das Transplantationsgesetz und damit nur eine Ordnungswidrigkeit.

Die Wochenend-taz (Heike Haarhoff) weist darauf hin, dass der Vorsitzende Richter Ralf Günther 42 Verhandlungstage angesetzt habe und die Vorwürfe der Bestechlichkeit und des Organhandels sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt hätten. Im Gespräch mit der taz (gleicher Beitrag) äußert sich der Strafrechtswissenschaftler Bijan Fathe-Moghadam dahingehend, dass Verstöße gegen Organverteilungsregeln rechtswissenschaftlich "weitgehend ungeklärt" seien: Mit der "eigenmächtigen Umverteilung von Lebenschancen in einem komplexen Verteilungssystem" tue sich das Strafrecht schwer, auch bei versuchtem Totschlag genüge zur Verurteilung nicht ein in Kauf nehmen einer "diffusen Risikoerhöhung". Weiter kritisiert Fathe-Moghadams die aus seiner Sicht rechtswidrige Diskriminierung alkoholkranker Patienten, die eine Abstinenzzeit vor einer Transplantation einhalten müssten. Einen neuen Straftatbestand zur Erfassung unrichtiger Angaben bei der Meldung zur Warteliste hält er für "eine kriminalpolitische Verlegenheitslösung". Mit dem Focus (Zusammenfassung) spricht Steffen Stern, Verteidiger des angeklagten Arztes. Sein Mandant bestreite die Manipulationsvorwürfe.

LG Berlin zu taz-Berichterstattung: Wie spiegel.de berichtet, hat das Landgericht Berlin die taz wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 20.000 Euro an den Autor Thilo Sarrazin verurteilt. In der Kolumne des taz-Redakteurs Deniz Yücel habe dieser irrtümlich behauptet, Sarrazin habe in Folge eines Schlaganfalles eine halbseitige Gesichtslähmung, weiter habe Yücel "eine Formulierung verwendet, die nahelegt, er wünsche Sarrazin einen weiteren und schwerwiegenderen Schlaganfall".

Mollath-Gutachter: Klaus Leipziger, Gutachter von Gustl Mollath und Chefarzt der Maßregelvollzugsklinik, in welcher Mollath untergebracht war, spricht mit dem Focus (Petra Hollweg, Zusammenfassung) über den Fall. "Psychiatrisch" sei alles vollkommen korrekt verlaufen, so Leipziger. Weiter geht es um Ferngutachten, "Gutachten nach Aktenlage", Mollaths Weigerung zur Zusammenarbeit, die mediale Kampagne gegen die Arbeit der Anstalt und den Polizeischutz für Leipziger.

LG Hannover – Korruptionsaffäre Glaeseker: Wie der Focus knapp meldet, hat sich Manfred Schmidt, Eventmanger und Veranstalter der sogenannten Nord-Süd-Dialoge, gegenüber dem Landgericht Hannover in einem 27-seitigen Schreiben zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft geäußert, Olaf Glaeseker mit Gratistrips für Sponsorenanwerbungen "belohnt" zu haben: Er weise den Betrugsverdacht zurück und widerspreche der Aussage des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), nichts von den Gratis-Urlauben seines damaligen Sprechers Glaeseker gewusst zu haben. 

LG Darmstadt zu Freiheitsberaubung: Zu dem Fall der wegen schwerer Freiheitsberaubung angeklagten Heidi K., die vor mehr als 10 Jahren mutmaßlich vorgab, Opfer einer Vergewaltigung durch einen Lehrerkollegen geworden zu sein, findet sich im Leben-Teil der FAS (David Klaubert) ein ausführlicher Beitrag. Im Verfahren stehe "die ganze Lebensgeschichte der Biologie- und Deutschlehrerin K. auf dem Prüfstand". Die FAS zeichnet das wechselvolle Privat- und Berufsleben der Angeklagten nach. Auch geht es um den Prozess gegen Horst Arnold, den verurteilten Kollegen, der nach Absitzen einer fünfjährigen Haftstrafe freigesprochen wurde.

OLG München - HRE-Prozess: Im Prozess ehemaliger Aktionäre der Hypo Real Estate (HRE) gegen die "ehemalige Führungsspitze" vor dem Oberlandesgericht München fordere das Gericht die Vorlage eines vollständigen Protokolls einer Vorstandssitzung aus der Zeit der Finanzkrise. Das berichtet die Samstags-FAZ (Joachim Jahn). Die Beklagte lehne dies ab, es sei ein unzulässiger "Ausforschungsbeweis". Die FAZ rechnet für Dezember mit dem Beginn der mündlichen Hauptverhandlung.

LG Köln – Sal. Oppenheim-Prozess: Über die Aussage des als Zeuge geladenen Nicolaus Freiherr von Oppenheim im Prozess um die Bank Sal. Oppenheim und die Hintergründe sowie Beteiligten des Verfahrens informiert die Samstags-FAZ (Caspar Dohmen). Der Zeuge führe den Niedergang der Bank auf "Arroganz, Überheblichkeit und Eigennutz" in der Führung der Bank zurück.

Zweiter Zschäpe-Brief: Über den in Teilen bekannt gewordenen zweiten Brief der im NSU-Prozess Angeklagten Beate Zschäpe an den inhaftierten Rechtsextremisten Robin S. berichtet die Samstags-Welt (Per Hinrichs). Im Schreiben äußere sie sich etwa zu den Mitangeklagten Holger G. und Carsten S. sowie zum Mittagessen.

Öffentlichkeitswirksame Verfahren: Mit der Grenze zwischen der Wahrnehmung der Aufgabe der Presse zur Information der Öffentlichkeit und der möglichen Beeinflussung bzw. Vorwegnahme gerichtlicher Entscheidungen befasst sich die Rechtsanwältin Mélanie Scheuermann für lto.de. Dabei geht es auch um die Justiz als Informationsgeber. Anlass ist die Berichterstattung im Vorfeld des Haftprüfungstermins von Dieter Degowski am vergangenen Mittwoch.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. bis 19. August 2013: Fernmeldegeheimnis im Ausland – BMI-Streichliste für NSU-Bericht – Gefälschtes Mollath-Fax . In: Legal Tribune Online, 19.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9381/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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