Die juristische Presseschau vom 17. bis 19. August 2013: Fernmeldegeheimnis im Ausland – BMI-Streichliste für NSU-Bericht – Gefälschtes Mollath-Fax

19.08.2013

Das Fernmeldegeheimnis gilt auch beim Abhören durch den BND im Ausland. Das Innenministerium sieht das aber anders. Außerdem in der Presseschau: Streichungen im NSU-Abschlussbericht, Internet kein rechtsfreier Raum, keine Integrationskurse für 62-jährige Türkin und das gefälschte Mollath-Fax.

GG auch im Ausland: In einem bald erscheinenden Beitrag für die Neue Juristische Wochenschrift kommt der Frankfurter Richter und Mitglied der G-10-Kommission Bertold Huber zu dem Ergebnis, dass Abhöraktivitäten des Bundesnachrichtendienstes etwa in Afghanistan verfassungswidrig sind. Die Montags-taz (Christian Rath) berichtet. Weder Erfassung noch Weitergabe von erhobenen Daten seien gesetzlich geregelt, auch eine Kontrolle finde nicht statt. Das grundgesetzliche Fernmeldegeheimnis gelte laut Huber aber auch bei der Abhörung von Ausländern im Ausland durch die deutsche Staatsgewalt oder von deutschem Boden aus. Laut taz habe das Bundesinnenministerium auf Nachfrage mitteilen lassen, solche Sachverhalten unterfielen nicht dem fraglichen Art. 10 des Grundgesetzes. Damit, so die taz weiter, sei für den BND erlaubt, "was uns an den USA so stört". Huber sei nicht grundsätzlich gegen eine Abhörung, die Voraussetzungen aber müssten transparent gesetzlich geregelt und deren Einhaltung kontrolliert werden.

Weitere Themen – Rechtspolitik

NSU-Untersuchungsausschuss: Über die Vorstellung des Abschlussberichts des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages berichtet der Spiegel (M. Baumgärtner/H. Gude/S. Röbel/J. Schindler, Zusammenfassung): Eine Akte kollektiven Staatsversagens. Im Vorfeld hätten nun Innenministerium und Kanzlerin versucht, Einfluss zu nehmen. Innenminister Friedrich (CSU) etwa habe in seiner Funktion als Dienstherr des Bundesamtes für Verfassungsschutz, 118 Textstellen im 2000-seitigen Bericht beanstandet, in 47 Fällen wolle er Passagen ganz gestrichen sehen. Ein Posten auf der "Streichliste": Ein Papier des Bundeskriminalamts, in welchem die Behörde u.a. bereits 1997 kritisiert habe, dass Neonazis, gegen die ermittelt worden sei, sich immer wieder als V-Leute herausgestellt hätten und viele politische Aktionen der Rechtsextremisten entscheidend von V-Leuten angetrieben würden. In Berlin werde, so der Spiegel, mit einem neuen Anlauf eines NSU-Untersuchungsausschusses in der kommenden Legislaturperiode gerechnet, 19 Monate hätten einfach nicht gereicht.

Rechtsaufsicht übers Internet: In einem Gastbeitrag für die Montags-SZ plädiert Thomas Giesen, ehemaliger sächsischer Datenschutzbeauftragter und Rechtsanwalt, für eine "Rechtsaufsicht des Staates" über das Internet. Zur Sicherung des rechtsstaatlichen Einflusses und zum Schutz des Persönlichkeitsrechts müsse dem staatlichen Gewaltmonopol auch ein "Wissensmonopol" beigeordnet werden. So sollten Polizei und Geheimdienste etwa erreichbare Informationen zum Zwecke der Gefahrenabwehr "regelmäßig elektronisch durchkämmen". Aus datenschutzrechtlichen Gründen sollten keine Informationen ungenutzt bleiben, die zum Beispiel zur Verhinderung von Anschlägen gebraucht werden könnten.

Anti-Doping-Gesetz: Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Dagmar Freitag (SPD) glaubt, so in einem Kurz-Interview mit dem Spiegel, dass der Wiederstand auch in der Koalition "bröckelt" und es bereits in der kommenden Legislaturperiode ein Anti-Doping-Gesetz geben wird.

"Drittes Geschlecht"/ Änderung Personenstandsgesetz: Ab dem 1. November gilt eine neue Regelung für intersexuelle Kinder im Personenstandsgesetz, so berichtet die Wochenend-taz (Christian Rath). Bei einem Kind mit nicht eindeutigen Geschlechtsorganen sei der Personenstandsfall ohne eine Angabe zum Geschlecht in das Geburtenregister einzutragen. Kritiker sprächen indes von einem "Zwangsouting".

Wer entscheidet, ob eine Zuordnung bei Geburt nicht vorgenommen werden könne? Sind Betroffene dann geschlechtslos oder hat der Gesetzgeber ein drittes Geschlecht eingeführt? Diese und weitere Fragen wirft Hans-Otto Burschel (BeckBlog) auf.

Reform psychiatrischer Unterbringung: Die in den §§ 63 ff. Strafgesetzbuch geregelten Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sind im Zuge des Falles Gustl Mollath in die Kritik geraten. Hennig Ernst Müller (BeckBlog) befasst sich mit dem Reformvorschlägen aus dem Bundesjustizministerium. Strengere Anordnungsvoraussetzungen begrüße er, das Erledigungssystem sei auch im Vorschlag noch problematisch. Weiter sehe er ein Problem bei der bloßen Steigerung der Gutachtenfrequenz: Quantität heiße nicht Qualität. Auch sei die Gerichtsnähe vieler Gutachter ein Problem.

Obergrenze Managergehälter: Wie die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) informiert, wünscht sich der NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) eine gesetzliche Obergrenze für Managergehälter bei einer Millionen Euro. Laut Kutschaty wolle die SPD von einer entsprechenden Zusicherung ihre Zustimmung im Bundesrat zum bereits im Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Aktiengesetz-Reform abhängig machen. Nach bisherigem Stand sei lediglich die Festlegung von Obergrenzen durch die Unternehmen vorgegeben und die Entscheidungen zum jeweiligen Vergütungssystem seien auf die Aktionäre übertragen.

Aufklärung NSA-Skandal: Im Gegensatz zu Innenminister Friedrich (CSU) sieht Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger die NSA-Affäre als noch nicht ausgestanden an, sie sei noch immer skeptisch und fordere weiter Aufklärung seitens der USA, meldet zeit.de. Zwar habe die US-Regierung mit Blick auf die Snowden-Enthüllungen zugesichert, die Grundrechte in Deutschland zu achten, aber, so kommentiert Reinhard Müller (Samstags-FAZ), darauf ausruhen solle sich der Bundesinnenminister nicht.

Über die "Zukunft des NSA-Skandals" macht sich auch Christian Rath (taz) Gedanken: Es seien aus deutscher Sicht noch zu viele Fragen offen und es sei auch mit neuen Enthüllungen zu rechnen. Zwar regten sich die Leute nicht sehr über die exzessive Überwachung aus, aber vorbei sei der Skandal noch lange nicht. 

Lockerung des Vertriebenengesetzes: Wie der Focus (Margarete von Ackeren) berichtet, "warnen Experten" wegen einer Lockerung im Bundesvertriebenengesetz vor "Aussiedlerwellen" aus Russland und Kasachstan. Es solle verhindert werden, so der Focus, "dass Aussiedlerfamilien nach Deutschland kommen, aber einzelne Familienmitglieder zurücklassen müssen", nun würde bereits auf russischen Webseiten für die Änderung geworben. Noch liege das Gesetz indes beim Bundespräsidenten und sei noch nicht in Kraft.

Blutspenden durch Homosexuelle: Mit dem Verbot der Blutspende für homosexuelle Männer wegen angeblicher hoher Gefahr von HIV-Infektionen befasst sich die Montags-taz (Paul Wrusch) im Titelthema. Das Verbot stamme aus den 1980er Jahren und werde heute vielfach kritisiert, eine Regelung die an das tatsächliche Sexualverhalten und nicht die sexuelle Identität von Spendern anknüpfe werde heute teilweise befürwortet. Die Bundesärztekammer wolle das generelle Verbot lockern. 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. bis 19. August 2013: Fernmeldegeheimnis im Ausland – BMI-Streichliste für NSU-Bericht – Gefälschtes Mollath-Fax . In: Legal Tribune Online, 19.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9381/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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