Die Staatsanwaltschaft schließt ihre Ermittlungen zum Zugunglück von Bad Aibling ab. Außerdem in der Presseschau: griechisches Asyl für türkische Soldaten und die nächste Pokemon Go-Festnahme.
Thema des Tages
LG Traunstein - Zugunglück: Fünf Monate nach dem Zugunglück von Bad Aibling hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen beendet. Das Landgericht Traunstein wird demnächst über die Zulassung der gegen den diensthabenden Fahrdienstleiter gerichteten Anklage wegen fahrlässiger Tötung in zwölf und fahrlässiger Körperverletzung in 89 Fällen entscheiden. Der in Untersuchungshaft Befindliche soll durch ein Computerspiel abgelenkt worden und daher von falschen Standorten der Züge ausgegangen sein, schreibt die SZ (Anna Günther u.a.). Nach Bemerken seines Fehlers habe er einen Funkspruch an die Zugführer abzusetzen versucht, hierbei aber das Gerät falsch bedient. Anwälte der Hinterbliebenen wollten derweil im anzuberaumenden Verfahren auch systemische Aspekte des Unglücks untersuchen lassen.
Rechtspolitik
Autonome Autos: Heribert Prantl (SZ) spricht sich in einem Kommentar gegen das Vorhaben des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) aus, den testweisen Einsatz autonom fahrender Autos durch eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zu ermöglichen. Derartiges vor der Klärung rechtlicher und ethischer Fragen durchzusetzen, bedeute "eine Pflichtverletzung". Das Hbl (Daniel Delhaes/Dietmar Neuerer) stellt die im Entwurf neugefassten Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes vor.
Sicherheitsbehörde ZITiS: Hochschullehrer Florian Albrecht stellt auf lto.de den Aufgabenbereich der geplanten Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich ZITiS und mit ihrer Einführung zusammenhängende Rechtsprobleme vor. Um den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen Überwachung und Freiheit zu gewährleisten, sollten Datenschutzbehörden vergleichbar personell aufgestockt werden.
Familiengeld: Die von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vorgeschlagene Einführung eines Familiengeldes, durch das Einkommenseinbußen durch für die Kinderbetreuung verringerte Arbeitszeit abgefedert werden sollen, begrüßt Ulrike Heidenreich (SZ) in einem Kommentar. Auch wenn aus dem Vorhaben in dieser Legislaturperiode nichts mehr werde, lohne die Diskussion. Reinhard Müller (FAZ) warnt dagegen vor einem Eingriff in die Privatsphäre. Nicht anders ließe sich kontrollieren, ob die angestrebte gerechte Teilung der Arbeit im Haushalt tatsächlich stattfinde. Der Autor konzediert gleichwohl, dass die Schaffung eines kinderfreundlichen Umfelds ein legitimes politisches Anliegen und die "Durchsetzung der Gleichberechtigung ebenfalls geboten" seien.
Papierloses Insolvenzrecht: Der Verband der Insolvenzverwalter will eine weitgehende Digitalisierung des Insolvenzverfahrens erreichen. Unterstützung erhalte er hierbei nach Bericht des Hbl (Heike Anger) von großen Gläubigergruppen wie Krankenkassen.
Justiz
EuGH - Kopftuch: Die Argumentation der Generalanwältin Elenanor Sharpston in dem beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren zu einem privatwirtschaftlichen Kopftuchverbot fasst beck.blog.de (Markus Stoffels) zusammen.
BVerfG – Ceta: Die Bundestagsfraktion der Linken hat am vergangenen Freitag beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen das Freihandelsabkommen Ceta eingereicht. Das Abkommen verletze unter anderem das Demokratieprinzip, zitiert die taz den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Klaus Ernst. Wegen CETA seien mittlerweile vier Verfahren in Karlsruhe anhängig.
BGH – Freispruch: Der Bundesgerichtshof hat die vom Landgericht München II ausgesprochene Verurteilung eines Gerichtspsychiaters aufgehoben. Ein sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs- oder Behandlungsverhältnisses habe nicht vorgelegen, schreibt die SZ über den Beschluss. Der Fall hatte besonderes Aufsehen erregt, weil das vermeintliche Opfer als Staatsanwältin gearbeitet hatte.
OLG Düsseldorf zu Tengelmann/Edeka: In einem Kommentar verteidigt Caspar Busse (SZ) die vom Oberlandesgericht Düsseldorf in der Eilentscheidung Tengelmann/Edeka gerügte Ministererlaubnis. Das kartellrechtliche Instrument sei "sinnvoll", von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) aber tatsächlich gegen den Gesetzeszweck eingesetzt worden. Denn werde dem erforderlichen überragenden Interesse der Allgemeinheit nicht entsprochen, wenn ministerieller Segen bestimmte Arbeitsplätze für schutzwürdiger erkläre als andere.
VGH B-W zu Überstellung nach Ungarn: Wegen erheblicher Mängel im ungarischen Abschiebehaftsystem darf ein syrischer Asylbewerber nicht nach Ungarn überstellt werden. Dies entschied nach Bericht von lto.de der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem nun veröffentlichten Urteil, durch das die Berufung gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zurückgewiesen wurde.
LG Hagen – Brandanschlag: Die Welt (Kristian Frigelj/Per Hinrichs) berichtet zu dem am Landgericht Hagen verhandelten Fall eines Brandanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft in Altena. Erst die Nebenklagevertretung habe sich die Mühe gemacht, die bei beiden Angeklagten sichergestellten Handyfotos zu sichten. Die hierbei festgestellten, als rassistisch einzustufenden Dateien waren offenbar von der Polizei und der ebenfalls ermittelnden Abteilung Staatsschutz nicht berücksichtigt worden, weswegen die Anwälte nun Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Kriminaloberkommissare und andere Ermittler eingereicht hätten.
LG Coburg – tote Neugeborene: Im vergangenen Herbst erschütterte der Fund von acht Babyleichen ein oberfränkisches Dorf. Den Prozess gegen die Mutter der Kleinkinder vor dem Landgericht Coburg zeichnet eine Seite Drei-Reportage der SZ (Hans Holzhaider) nach.
LG Potsdam – Silvio S.: Im Verfahren gegen Silvio S. vor dem Landgericht Potsdam fordert die Staatsanwaltschaft lebenslängliche Haft und Sicherungsverwahrung des Angeklagten. Dieser sei nicht pädophil, gibt die FAZ (Julia Schaaf) die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen wieder. S. habe sich Kinder als Opfer gewählt, weil diese "körperlich besser beherrschbar" waren. Die Welt (Jan Lindenau) berichtet ebenfalls ausführlich. Das Urteil ist für die kommende Woche geplant.
LG Berlin zu Rigaer Straße: Der bislang für die Eigentümer des Gebäudes in der Berliner Rigaer Straße 94 tätige Anwalt ist nach Erkenntnissen des Justizsenators Thomas Heilmann (CDU) "bewusst und absichtlich eingeschüchtert worden". Das beim Landgericht Berlin anhängige Verfahren zur Rechtmäßigkeit der Räumung des Wohnprojekts werde nach dem vom neuen Vertreter der Eigentümer formulierten Einspruch gegen das ergangene Versäumnisurteil fortgesetzt, schreibt die taz (Erik Peter).
FG Münster zu Lebenspartnerschaft: Vor dem Finanzgericht Münster ist ein verschiedengeschlechtliches Paar mit dem Versuch gescheitert, wie gleichgeschlechtliche Lebenspartner das Ehegattensplitting in Anspruch zu nehmen. Das Gericht habe die "gängige Lehrmeinung" vertreten, nach der die Lebenspartnerschaft nur Gleichgeschlechtlichen offenstehe, so Jost Müller-Neuhof (Tsp) in einem Kommentar. Dieser Standpunkt verkenne aber, dass die gegenseitige Einstandspflicht – als Begründung der Privilegierung bestimmter Formen des Zusammenlebens – auch außerhalb klassischer Bindungen gelebt werde. Bis der Steuergesetzgeber an Fakten "statt an Papier" anknüpfe, bedürfe es aber noch an Geduld.
StA Koblenz – Ryanair-Piloten: Zahlreiche Piloten der irischen Fluglinie Ryanair arbeiten als "Ich-AGs" mit Anstellungen bei britischen Personaldienstleistern. Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und des Sozialversicherungsbetruges durch derartige Vertragskonstruktionen ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz nun gegen insgesamt 101 Beschuldigte. Dies berichtet die SZ (Klaus Ott/Georg Wellmann) im Wirtschafts-Teil. Gegen Verantwortliche des Unternehmens werde nicht ermittelt.
Recht in der Welt
Türkei – Putschversuch: Unter anderem spiegel.de (Markus Becker u.a.) berichtet zu den in die Türkei gerichteten Warnungen europäischer und deutscher Politiker, im Interesse einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft des Landes nach dem gescheiterten Putschversuch von der Wiedereinführung der Todesstrafe abzusehen. Über Absetzungen und Verfolgungen türkischer Juristen schreibt spiegel.de (Hasnain Kazim). Unter anderem seien auch zwei Verfassungsrichter in Gewahrsam genommen worden. Zum Schicksal der nach Griechenland geflüchteten türkischen Soldaten berichtet die FAZ (Michael Martens). Die Hubschrauberbesatzung erwarte am Donnerstag ein Strafverfahren wegen illegaler Einreise und Verletzung des griechischen Luftraums. Nach dem zu erwartenden Freispruch werde sich mit den von den Soldaten gestellten Asylanträgen befasst. Dass deren Berarbeitung bereits binnen 24 Stunden begonnen habe, sei "nicht nur für griechische Verhältnisse ein Rekord" und unterstreiche die immense politische Bedeutung.
Polen – ZDF-Film: Nach Meldung von focus.de fordert ein polnischer Kriegsveteran vom ZDF wegen dessen Trilogie "Unsere Mütter, unsere Väter" eine Entschädigung und eine Entschuldigung des Senders. Der Film habe seine Persönlichkeit und die nationale Würde Polens verletzt. Das ZDF habe erfolglos eine Verfahrenseinstellung beantragt.
Österreich – Norbert Hofer: Ein Tiroler SPÖ-Politiker darf Norber Hofer, den Kandidaten der FPÖ für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten, nicht Nazi nennen. Die Entscheidung des Landesgerichts Innsbruck meldet die taz.
Sonstiges
BND-Doku: Die SZ (Annette Ramelsberger) bespricht die am heutigen Dienstag auf Arte und in der kommenden Woche in der ARD laufende Doku "Schattenwelt BND – Wie viel Geheimdienst braucht Deutschland?" Zwar steige der Film "tief ein in das gespaltene Verhältnis von NSA und BND", er verliere sich aber über der Aufzählung von Verfehlungen des Bundesnachrichtendienstes und bleibe "im Ungefähren", wenn "es droht, konkret zu werden".
NS-Militärgerichtsbarkeit: zeit.de (Hauke Friederichs) bringt eine längere Reportage zur nationalsozialistischen Militärgerichtsbarkeit in Hamburg. Diese ließ mehr als 200 Todesurteile vollstrecken.
Das Letzte zum Schluss
Pokemon Go: Kein Tag ohne Nachricht zu einer Pokemon Go-Festnahme: focus.de schreibt über einen Münchner Fußgänger, der am vergangenen Sonntag nicht nur sein Smartphone, sondern auch noch einen Joint dabei und in Betrieb hatte. Die durch den Marihuana-Geruch angelockten Streifenpolizisten nahm der Mann nicht wahr.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2016: Anklage gegen Fahrdienstleiter / Autonome Autos / Asyl in Griechenland . In: Legal Tribune Online, 19.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19977/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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