Der BGH bestätigt die Rechtsprechung zu sittenwidrigen Eheverträgen. Außerdem in der Presseschau: taz-Sieg in Karlsruhe, mit einem Luftgewehr gegen Ruhestörung, Durchbruch für Cum-Ex-Ermittler und Bushido gegen Öffentlichkeitsarbeit.
Thema des Tages
BGH zu Ehevertrag: In einem nun veröffentlichten Beschluss hat der Bundesgerichtshof die bereits unterinstanzlich festgestellte Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags bestätigt. Im Fall hatten die Ehepartner zwei Jahre nach der Hochzeit vereinbart, bei einer Scheidung auf Unterhalt, den Ausgleich von Rentenansprüchen und eine Aufteilung des ehelichen Zugewinns verzichten zu wollen. Sämtliche dieser Punkte wären nach den höchstrichterlich zu Eheverträgen entwickelten Grundsätzen "an sich zulässig" gewesen, erläutert die SZ (Wolfgang Janisch). Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung sei aber zu berücksichtigen gewesen, dass die Ehe bei Vertragsschluss bereits bestand. Zum anderen hätten auch die Umstände des Vertragsschlusses "eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten" belegt. Die jetzige Entscheidung folge einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, das 2001 die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle von Eheverträgen eröffnet habe.
Rechtspolitik
Kartellschadensersatz: In wenigen Tagen tritt das deutsche Umsetzungsgesetz zur EU-Kartellschadensersatzrichtlinie in Kraft. Rechtsanwalt Kim Lars Mehrbrey wundert sich auf lto.de, warum der Gesetzgebungsprozess wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr. Immerhin erhielten Kartellopfer durch die Neuregelung weitaus umfassendere Rechte zur Informationsbeschaffung bei gegnerischen Parteien und Dritten als im nationalen Zivilprozessrecht bislang vorgesehen.
Hartz IV: Ein Gutachten von Heinrich Alt, früher im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, spricht sich für erhebliche Vereinfachungen bei der Gewährung von "Hartz-IV"-Leistungen aus. Ob die hierzu unter anderem vorgeschlagene konsequente Digitalisierung angesichts ständig wechselnder rechtlicher Grundlagen der Komplexität gerecht werde, sei aber fraglich. Die SZ (Thomas Öchsner) berichtet.
Steuerreform: Alexander Hagelüken (SZ) spricht sich in einem Kommentar für eine umfassende Steuerreform aus. Hierzu gehöre eine "stärkere Beanspruchung der Hochverdiener" durch Anpassung der Grenzwerte für Spitzensteuersätze. In grundsätzlicher Hinsicht sei "eine ernsthafte Debatte darüber" geboten, welche steuerfinanzierten staatlichen Aufgaben wirklich nötig seien und welche Vergünstigungen ihren Zweck inzwischen verfehlten.
Justiz
BVerfG zu Pressefreiheit: Über eine in eigener Sache erhobene erfolgreiche Verfassungsbeschwerde berichtet die taz (Christian Rath). Das Gericht hob ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg auf, nach dem eine kritische Passage eines Beitrags über einen Kolumnisten der Bild-Zeitung nicht mehr verbreitet werden durfte. Laut Karlsruhe hätten die Hamburger Kollegen die fragliche Passage irrtümlich als Tatsachenbehauptung eingestuft.
BVerfG zu Missbrauchsgebühr: burhoff-blog.de (Detlef Burhoff) berichtet zu einer vom Bundesverfassungsgericht verhängten Missbrauchsgebühr gegen den Anwalt eines Beschwerdeführers. Im Beschluss von Mitte Februar wurde die Gebühr mit Mängeln in der Sachverhaltsdarstellung begründet sowie mit einem "diffamierenden und grob unsachlichen" Vorwurf gegen Ermittlungsbehörden.
OLG Hamm zu Inkassounternehmen: FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de melden einen Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm, nach dem sich ein Inkassounternehmen nicht als "Deutsches Vorsorgeinstitut" bezeichnen darf. Die verwendeten Namensbestandteile seien irreführend und geeignet, den tatsächlichen Tätigkeitsbereich des Unternehmens zu verschleiern.
LG Mönchengladbach zu Kindesmisshandlung: Nach dem Tod eines Fünfjährigen muss sich vor dem Landgericht Mönchengladbach ein Paar wegen Totschlags bzw. Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen verantworten. Über den Fall, in den vor dem tödlichen Ausgang bereits Jugendamt und Familiengericht involviert waren, berichtet die SZ (Benedikt Peters).
AG Hamburg – Ruhestörung: Vor dem Amtsgericht Hamburg wird gegen einen 54-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung verhandelt. Der Angeklagte hatte von seinem Balkon aus mit einem Luftgewehr auf einen spielenden Jungen geschossen, mutmaßlich weil ihn dessen Lärm störte. zeit.de (Elke Spanner) war bei der Verhandlung.
StA Köln – Cum-Ex-Deals: Der Staatsanwaltschaft Köln ist bei ihren Ermittlungen zu Steuererstattungen im Rahmen von sogenannten Cum-Ex-Geschäften offenbar ein Durchbruch gelungen. Mehrere Insider hätten den Ermittlern "die mutmaßlichen Gesetzesverstöße bis ins Detail" geschildert, schreibt die SZ (Klaus Ott). Der Autor geht in zwei weiteren Beiträgen auf Einzelheiten der neuen Erkenntnisse ein. Wenn sich eine bandenmäßige Verabredung, "um den Staat auszunehmen", nachweisen lasse, handele es sich "um den gewaltigsten Fall von Steuerkriminalität, den es in Deutschland je gegeben hat", kommentiert Heribert Prantl (SZ). Auch wenn eine "Stalltür" offen stehe, sei dies keine "Erlaubnis für jedermann, die Kuh zu melken".
EU-Justizbarometer: Die Erkenntnisse des in der vergangenen Woche von der EU-Kommission vorgestellten Justizbarometers sind nun auch Thema eines vertieften Beitrags von lto.de (Constantin van Lijnden).
Recht in der Welt
Türkei – Verfassungsreferendum: Die größte türkische Oppositionspartei CHP hat bei der Hohen Wahlkommission des Landes die Annullierung des Verfassungsreferendums beantragt, schreibt unter anderem die SZ (Mike Szymanski). Begründet worden sei der Antrag mit der am Abstimmungstag unternommenen Änderung von Bestimmungen zur Berücksichtigung auch nicht ordnungsgemäß abgestempelter Wahlzettel. Fragen zu möglichen Manipulationen bei der Stimmabgabe fasst die Welt (Mareike Kürschner) zusammen. Der Bericht der taz (Jürgen Gottschlich/Eric Bonse) geht auf mögliche Auswirkungen der Abstimmung auf die von Präsident Erdoğan befürwortete Wiedereinführung der Todesstrafe und jener für die EU-Mitgliedschaft der Türkei ein.
Frankreich – Frexit: Die verfassungsrechtlichen Grundlagen eines etwaigen französischen Austritts aus der EU stellt die Doktorandin Marie Gren auf verfassungsblog.de in einem englischsprachigen Beitrag dar.
USA – Todesstrafe: Der Oberste Gerichtshof der USA hat in Entsprechung einer lokalen Entscheidung zwei für diesen Monat geplante Exekutionen im Bundesstaat Arkansas gestoppt, schreibt die SZ (Hubert Wetzel). In einem separaten Kommentar bezeichnet Hubert Wetzel (SZ) es als "schlicht widerlich", dass die geplanten Hinrichtungen mit dem "Haltbarkeitsdatum auf einer Medikamentenampulle" begründet worden seien. Die – in den USA schwindende – Unterstützung für die Todesstrafe habe mit "aufgeklärtem, modernem, zivilisiertem Strafvollzug" nichts zu tun, weil sie sich "auf nur ein sehr archaisches Motiv", die Rache, stütze.
Sonstiges
Fall Tugce: Sanel M., der im Fall Tugce wegen Körperverletzung mit Todesfolge Verurteilte, steht vor der unmittelbaren Abschiebung nach Serbien. spiegel.de fasst die Fragen zum Fall zusammen.
Das Letzte zum Schluss
Phantom-Bushido: Any publicity ist bekanntlich good publicity, aber mit einer solchen Art von Öffentlichkeitsarbeit ist der Rapper Bushido dann doch nicht einverstanden: sz.de schreibt, dass der Musiker bei der Staatsanwaltschaft Stade Strafanzeige wegen Verleumdung und Verfolgung Unschuldiger erstattet hat. Grund ist ein zu einem Raubüberfall erstelltes Phantombild, für das sich die Polizei nach eigenen Angaben neben den Mitteilungen des Opfers auch von einem Bild des Rappers inspirieren ließ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. April 2017: Sittenwidriger Ehevertrag / Luftgewehr gegen Lärm / StA zu Cum-Ex . In: Legal Tribune Online, 19.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22640/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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