Das Protokoll eines Treffens von Gläubigerbanken mit Leo Kirch widerspricht Rolf Breuers bisheriger Darstellung. Außerdem in der Presseschau: Streit von Innen- und Justizressort über Vorratsdatenspeicherung, Staatsanwältin und Richterin im Breivik-Prozess, viele Meinungen zum geistigen Eigentum, und was die Polizei von Georgia (USA) gegen Altersdiskriminierung tut.
Kirch-Erben gegen Deutsche Bank: Laut SZ (Simone Boehringer) widerspricht ein dreiseitiges Protokoll der bisherigen Darstellung des früheren Vorstandschef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, sich nicht näher mit den finanziellen Schwierigkeiten der Kirch-Gruppe befasst zu haben. Aus dem Dokument, das Peter Kahn, der frühere Vizechef der Bayerischen Landesbank vorgelegt habe, gehe hervor, dass auf einem Treffen von fünf Gläubigerbanken am 14. Februar 2002, Breuer, anders als von ihm dargestellt, Kirch konkrete Vorschläge zur Rettung seines Unternehmens gemacht habe. Wie die FTD (Angela Maier, ähnlich online) berichtet, habe Kahn als einziger einen Mitarbeiter bei dem Treffen dabeigehabt, der protokolliert habe.
Die FAZ (Henning Peitsmeier) zitiert Peter Gauweiler, den Anwalt der Kirch-Angehörigen, man werde nach dem von der Deutschen Bank vor fünf Monaten abgelehnten Vergleich über 800 Millionen Euro nun prozessieren bis "zum Umfallen".
Bezogen auf die umstrittenen Aussagen von Breuer in einem Interview wenige Tage vor dem Bankentreffen zitiert das Handelsblatt (Axel Höpner, ähnlich online) den Zeugen Kahn: "Dass dieses Interview nicht glücklich war, weiß doch jeder."
Weitere Themen – Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung: bild.de widmet sich noch einmal dem Gesprächsklima zwischen Peter Friedrich und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und stellt die Argumente beider Seiten kurz vor.
Die FR (Bettina Vestring) beschäftigt sich mit den rechtlichen Schritten der EU, sofern es zu keiner Neuregelung kommt und rechnet vor, wie das Zwangsgeld bemessen wird, das bis zu 30 Millionen Euro betragen könne. Andre Meister (netzpolitik.de) veröffentlicht den "Horrorkatalog" von Einzeldaten, den das Bundesinnenministerium gerne speichern möchte als PDF-Datei. Das Vorhaben gehe weit über die Vorgaben der EU-Kommission hinaus.
Rüdiger Scheidges (Handelsblatt) meint, da der Bürger sich auch als ein dem Staate Schutzbefohlener verstehe, dürfe der Staat sich nicht der technischen Möglichkeiten begeben, schwerste Straftaten, insbesondere Kinderpornographie mit Hilfe der Telekommunikation aufzuklären.
Das Recht im Internet: Die Rolle des Rechts im Internet wird breit diskutiert. zeit.de (Kai Biermann) knüpft an die Initiative von 51 "Tatort"-Autoren an und analysiert die verschiedenen Positionen im Kampf um das geistige Eigentum.
Christian Stöcker (spiegel.de) verweist in seinem Debattenbeitrag auf die Ähnlichkeiten zwischen Programmiercode und Recht hält das Internet angesichts seiner lückenlosen technischen Kontrollmöglichkeiten für potenziell totalitär. Christoph Kappes (spiegel.de) meint angesichts der technischen Unvermeidbarkeit ständiger Kopiervorgänge, müsse das Urheberrecht an die Besonderheiten des Netzes angepasst werden. Ihr persönliches Scheitern bei dem Versuch, das Urheberrecht zu beachten, schildert Franziska Bulban (Die Zeit), der es nicht möglich war, sich ein T-Shirt gesetzeskonform mit dem Konterfei von Walter Benjamin bedrucken zu lassen.
Patentrecht weltweit: In einem Gastkommentar plädiert der Ingenieur James Dyson (FTD), Eigentümer eines erfolgreichen Designunternehmens, für eine Internationalisierung des Patentrechts. Er lobt China, das seinen Ruf als Nachahmernation loswerden wolle und fordert ein Eil-Patentsystem, das Schutz vom ersten Tag einer neuen Erfindung biete.
Töten im Krieg: In einem Gastbeitrag sieht der emeritierte Berliner Professor für Völkerrecht, Christian Tomuschat (FAZ), wenig Spielraum für eine vollständige Kodifizierung von Bundeswehreinsätzen auf humanitärer Grundlage. Zwar gebe das Grundgesetz einen tragfähigen Rahmen vor, normative Regelungen für Tötungshandlungen bei bewaffneten Konflikten ließen sich jedoch ebenso wenig regeln wie der Abschuss von Verkehrsflugzeugen im Inlandseinsatz oder der finale Tötungsschuss bei Polizeieinsätzen. Besser sei es, auf die Regelungen des Völkerstrafrechts zurückzugreifen, um normative Grenzen zu schaffen.
Kabinett will Warnschussarrest: Wie focus.de meldet, hat das Bundeskabinett Gesetzesentwürfe für strengere Jugendstrafen verabschiedet. Neben dem hinsichtlich seiner Wirksamkeit umstrittenen Warnschuss-Arrest sei bei Mord jetzt eine Strafe von bis zu 15 Jahren (bisher zehn) vorgesehen.
Rederecht im Bundestag: Auf der Titelseite der heutigen Ausgabe plädiert Robert Leicht (Die Zeit) vehement gegen eine Einschränkung des Rederechts im Bundestag, die SZ (ble) meldet, eine Änderung werde es in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben.
Weitere Themen – Justiz
BVerfG und Massregelvollzug: Helmut Pollähne (lto.de), Privatdozent für Kriminalistik und Rechtsanwalt in Bremen, kommentiert zustimmend die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Rechten eines psychisch Kranken, der sich im Maßregelvollzug erfolgreich einer Behandlung unterzogen habe. Der § 67 Abs. 4 Strafgesetzbuch (StGB) sei zurecht für verfassungswidrig erklärt worden.
BVerfG Konkordatslehrstühle: Wie lto.de meldet will eine in Bayern abgewiesene Hochschullehrerin aus Saarbrücken jetzt die Verfassungsmäßigkeit der sogenannten Konkordatslehrstühle in Karlsruhe klären lassen. Die Dozentin empfinde es als skandalös, dass im 21. Jahrhundert die letzte Entscheidung über die Besetzung der Lehrstühle in Händen der Kirche liege. In Bayern gibt es 21 katholische Konkordatslehrstühle, über deren Besetzung ein Bischof entscheidet.
Verfassungsrichterwahl: Reinhard Müller (FAZ) geht auf der Seite Staat und Recht der Frage nach, nach welchen Kriterien Richter von Obersten Gerichten zum Bundesverfassungsgericht berufen würden und wie es mit dem Gebot der Sachkunde vereinbar sei, dass kein Rechtsanwalt dem BVerfG angehöre.
BGH zu Hells Angels: In einem Gastbeitrag setzt sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Rostock Grischa Merkel (FAZ) auf der Seite Staat und Recht mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auseinander, einen Angehörigen der Rockergang Hells Angels vom Vorwurf des Totschlags eines Polizisten freizusprechen. Putativnotwehr zu bejahen, sei zwar richtig gewesen, allerdings müsse man sich mit dem Faustrecht in der rechtsfernen Parallelwelt von Hells Angels und Bandidos eingehender beschäftigen und angesichts der martialischen Bewaffnung und erhöhten Gewaltbereitschaft strengere Kriterien für das Vorliegen einer Notwehrsituation entwickeln.
IHH vor BVerwG: Die muslimische Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) kämpft vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen ihr Verbot. Wie die taz (Christian Rath) berichtet, sei die Organisation im Jahr 2010 verboten worden, weil ihre Unterstützung für die soziale Organisation der Hamas im Gazastreifen als Stärkung einer Terrororganisation bewertet worden ist. Dem Verfahren komme eine besondere Brisanz zu, weil die IHH Milli Görus nahestehe und das Gericht das Verfahren zum Anlass nehmen könnte, seine Rechtsprechung zu Vereinsverboten zu verschärfen.
Buback-Verfahren: Einen Vorbericht zum heute fortgesetzten Verfahren wegen des Mords an Siegfried Buback bringt Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog). Es geht um Beweismittel aus dem Bereich MfS und KGB, der frühere Vorsitzende Richter am OLG Stuttgart, Foth, wird als Zeuge gehört.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Breivik-Prozess: Aus der Fülle der Beiträge heute zwei Porträts der beteiligten Juristinnen. spiegel.de (Gerald Traufetter) stellt die Staatsanwältin Inga Bejer Engh vor, die FR (Hannes Gamillscheg) stellt die Richterin Wenche Elizabeth Arnzten in den Mittelpunkt des Beitrags.
Udo Vetter (lawblog.de) versucht auf die Frage zu antworten, wie man als Anwalt "so jemand" wie Breivik verteidigen könne und vergleicht die Situation eines Strafverteidigers mit der Rolle eines Chirurgs im Notdienst, der im Zweifelsfall auch einem Straftäter gesundheitliche Versorgung gewähren müsse.
Sonstiges
Staatliche Beihilfe zu Völkerrechtsdelikten: Katja Gelinsky (FAZ) bespricht im Feuilleton das Buch von Helmut Philipp Aust "Complicity and the Law of State Responsibility". Der Völkerrechtler an der Berliner Humboldt-Universität untersucht die Verantwortlichkeit von Staaten bei der Beihilfe zu Völkerrechtsdelikten.
Juristenkabarett: In einem Interview mit Die Zeit (Julia Nolte) spricht die Stuttgarter Amtsrichterin Anette Heiter über ihre Rolle im Juristenkabarett, dem sie seit 28 Jahren angehört.
Das Letzte zum Schluss
Sechsjährige in Handschellen: Wie SZ (Christian Wernicke) berichtet, ist ein sechsjähriges Mädchen, das um sich geschlagen haben soll, von Polizisten des US-Bundesstaates Georgia in Handschellen abgeführt worden. "Bei uns gibt es keine Diskriminierung wegen des Alters", hätten die Beamten erklärt.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)
lto/ro
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. April 2012: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6027 (abgerufen am: 13.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag