Der Bundestag beschloss mit Zwei-Drittel-Mehrheit die dreifache Lockerung der Schuldenbremse. Der BGH billigte die kartellrechtliche Bewertung der Marktbedeutung von Apple. Eine breite Initiative fordert Reform der juristischen Ausbildung.
Thema des Tages
Schuldenbremse / Sondervermögen: Mit 512 zu 206 Stimmen beschloss der Bundestag drei von CDU/CSU, SPD und Grünen vereinbarte Grundgesetzänderungen zur Lockerung der Schuldenbremse. Für die Zwei-Drittel-Mehrheit waren mindestens 489 Stimmen notwendig. Das Grundgesetz wird nun in Art. 109 und Art. 115 dahingehend ergänzt, dass Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz, Cybersicherheit und Hilfen für überfallene Staaten nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) unter die Beschränkungen der Schuldenbremse fallen. In Artikel 143h wird zudem ein 500 Milliarden Euro schweres, kreditfinanziertes Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität eingeführt. Ein Fünftel dieser Summe soll den Ländern zugutekommen. Diesen soll es ferner möglich sein, jährlich Schulden bis zur Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufzunehmen. Die noch erforderliche Bundesratsabstimmung ist für den Freitag geplant. Über das Abstimmungsergebnis, die kontroverse Debatte und die weitere Entwicklung berichten SZ (Daniel Brössler), tagesschau.de, beck-aktuell und LTO. Der SWR-RadioReportRecht (Max Bauer/Egzona Hyseni) rekapituliert zudem die gegen die Beschlussfassung des abgewählten Bundestags eingelegten und erfolglos gebliebenen Eilanträge.
Noch vor der Abstimmung erklärte zeit.de (Matthis Gann) die maßgeblichen Begriffe in Frage-und-Antwort-Form. Im gleichen Format beschreiben FAZ (Corinna Budras u.a.) und Hbl (Martin Greive/Jan Hildebrand) die von den Beschlüssen zu erwartenden Folgen.
Die FDP-Landtagsfraktionen von Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen wollen vor den jeweiligen Landesverfassungsgerichten mit Eilanträgen verhindern, dass die jeweiligen Landesregierungen am Freitag im Bundesrat der Aufweichung der Schuldenbremse für die Länder zustimmen. Diese verstoße gegen Schuldenbremsen-Regelungen der jeweiligen Landesverfassungen. stern.de berichtet.
Klimaneutralität im Grundgesetz: Über die Folgen des neuen Art. 143h Grundgesetz, der ein Sondervermögen auch für Ausgaben für eine Klimaneutralität bis 2045 vorsieht, spricht spiegel.de (Susanne Götze) mit Rechtsprofessorin Sabine Schlacke. Die Vorschrift enthalte kein neues Staatsziel und regle nur, für welche Zwecke Geld aus dem Sondervermögen ausgegeben werden darf. Die Vorschrift stehe möglicherweise einer Verschiebung der Klimaneutralität im Klimaschutzgesetz nicht entgegen.
Rechtspolitik
20. Bundestag: In einem Kommentar erteilt Robert Roßmann (SZ) dem außer Dienst getretenen 20. Bundestag ein durchwachsenes Abschlusszeugnis. In vielerlei Bereichen habe sich das Parlament "nicht mit Ruhm bekleckert", so bei der unterbliebenen Corona-Aufarbeitung oder dem Wahlrecht. Gleichzeitig habe "die demokratische Mitte" bewiesen, zur Zusammenarbeit in der Lage zu sein.
Asyl / Migration: Die FAZ (Reinhard Müller) bespricht das von Rechtsprofessor Daniel Thym geschriebene Buch "Migration steuern. Eine Anleitung für das Hier und Jetzt." Die vom Thym unternommene Bestandsaufnahme enthalte zahlreiche sinnvolle Vorschläge und sei gut geschrieben. Gleichwohl merke man "dem gefragten Autor an, dass er für jeden anschlussfähig bleiben will."
Justiz
BGH zu Apple: Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat eine vor knapp zwei Jahren ergangene Entscheidung des Bundeskartellamts bestätigt, nach der Apple eine "überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb" hat. Das Unternehmen unterliegt damit einer verschärften Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt. Das Ergebnis hatte sich bereits in der mündlichen Verhandlung Ende Januar abgezeichnet. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof – von Apple gefordert – hielt der BGH nicht für erforderlich. Es berichten FAZ (Nadine Bös), LTO und beck-aktuell.
BVerfG zu BFH-Nichtzulassungsbeschwerde: Durch die zu hoch angesetzten Substantiierungsanforderungen für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesfinanzhof in einer einkommensteuerrechtlichen Streitigkeit das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Einer Verfassungsbeschwerde gab das Bundesverfassungsgericht mit nun veröffentlichtem Beschluss statt. Der BFH hatte moniert, dass die Begründung keine Aussagen über vorteilhafte Folgen einer Neuregelung des beanstandeten Gesetzes oder zumindest einer Übergangsregelung getroffen hatte. Im Ergebnis sei damit eine Prognose über die Entscheidung eines noch nicht anhängigen Verfassungsgerichtsverfahrens verlangt worden. FAZ (Katja Gelinsky) und LTO berichten.
BGH zu Birkenstock-Sandalen: Eine kritische Auseinandersetzung mit dem vor einem Monat verkündeten Urteil des Bundesgerichtshofs, der in Birkenstock-Sandalen kein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk erkennen konnte, liefern Privatdozent Jannis Lennartz und Habilitandin Viktoria Kraetzig im Recht und Steuern-Teil der FAZ. Der "verschwurbelten Argumentation der Karlsruher Richter" lasse sich die Vorstellung entnehmen, Kunst sei einer Definition entzogen. Dies stehe im Widerspruch zu verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und übersehe, dass Kunst als Rechtsbegriff auch im Urheberrechtsgesetz verwendet wird.
BAG zu Kündigungszugang: Wie schon die Vorinstanz entschied das Bundesarbeitsgericht Ende Januar, dass im Falle des bestrittenen Zugangs eines Kündigungsschreibens der Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens weder einen Anscheins- noch einen sonstigen Beweis für den Zugang begründet. Erforderlich sei vielmehr ein Auslieferungsbeleg. Könne dieser aus technischen Gründen nicht mehr beigebracht werden, gehe dies zulasten der beweisbelasteten Partei. beck-aktuell berichtet.
OLG Hamm – Klimaschutz/peruanischer Bauer: Über den Beginn der mündlichen Verhandlung über die Klimaschutzklage eines peruanischen Bauern gegen den Energieversorger RWE berichten nun taz (Jonas Waack) und LTO (Franziska Kring) vertieft. In der Beweisaufnahme geht es um die Frage, ob dem Haus des Bauern durch den Klimawandel Gefahr von einer Gletscherlagune droht. Während der gerichtlich bestellte Sachverständige einen Schadenseintritt in den nächsten 30 Jahren so gut wie ausschloss, bemängelte die Klägerseite in einem eigenen Gutachten eine ungenügende Berücksichtigung des klimawandelbedingten Temperaturanstiegs, die zum Auftauen von Permafrost und Felsstürzen führen könne. Die Verhandlung wird am heutigen Mittwoch fortgesetzt.
VGH Bayern zu Grenzkontrolle: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat einer vom Völkerrechts-Professor Stefan Salomon angestrengten Fortsetzungsfeststellungsklage gegen eine Grenzkontrolle im Juni 2022 an der deutsch-österreichischen Grenze stattgegeben. Die Verlängerung der Grenzkontrollen entbehrten offenbar einer hinreichenden Begründung mit neuen Tatsachen, schreibt LTO (Tanja Podolski) noch vor Veröffentlichung der Urteilsbegründung.
VGH BaWü zu Abschiebung trotz deutscher Tochter: beck-aktuell berichtet über einen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, mit der die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung bestätigt wurde. Wie schon die Vorinstanz entschied nun auch der VGH, dass die beantragte Aussetzung nicht zu gewähren ist. Der Antragsteller ist ein mehrfach straffälliger Iraker, der u.a. wegen Beteiligung an einer Gruppenvergewaltigung verurteilt wurde. Das Gewicht dieser Tat rechtfertige die Abschiebung trotz einer deutschen Tochter.
LG Hamburg zu § 353d StGB: Das Landgericht Hamburg hat die erstinstanzliche Verurteilung des Journalisten Carsten Janz wegen verbotener Mitteilung über Gerichtsdokumente gemäß § 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch bestätigt. Wegen der Veröffentlichung zweier "wesentlicher Teilsätze" eines Durchsuchungsbeschlusses war Janz zu 40 Tagessätzen verurteilt worden. Das LG lehnte die von der Verteidigung beantragte Vorlage der Norm an das Bundesverfassungsgericht ab. LTO (Joschka Buchholz/Max Kolter) berichtet und erinnert an den ähnlich gelagerten Fall des Aktivisten Arne Semsrott, der gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Verwarnung Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt hat.
VG Berlin zu Fahrstreifen Unter den Linden: Am vergangenen Freitag wies das Verwaltungsgericht Berlin den Eilantrag eines Autofahrers ab, der die Wiedereinrichtung eines zweiten Fahrstreifens für Autos auf der Straße Unter den Linden begehrte. Die von der zuständigen Senatsverwaltung im März 2023 eingeführte Regelung, nach der Fahrrädern, Bussen und Autos jeweils ein Fahrstreifen zur Verfügung steht, sei nicht zu beanstanden, so beck-aktuell. Insbesondere seien auch Neuregelungen der Straßenverkehrsordnung zu berücksichtigen, nach denen Sonderfahrstreifen aus Umweltschutz-Erwägungen zulässig sind.
VG Berlin zu Fluchtgrund Bisexualität: In einem nun veröffentlichten Urteil entschied das Verwaltungsgericht Berlin Anfang Januar, dass ein türkischer Bisexueller Anspruch auf Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft hat. Im Gegensatz zur Argumentation des beklagten Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hätten queere Menschen in der Türkei keine tatsächlich handhabbare Fluchtalternative innerhalb des Landes. beck-aktuell berichtet.
Präsidentenposten am OVG NRW: Im Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags zur Neubesetzung der immer noch vakanten Präsidentenstelle am Oberverwaltungsgericht Münster wurde bekannt, dass das Landesjustizministerium dem mit einer Konkurrentenklage befassten OVG Aktenvorgänge über das Besetzungsverfahren nur selektiv übermittelt hat. Minister Benjamin Limbach (Grüne) ist in der kommenden Woche als Zeuge geladen. beck-aktuell berichtet.
Recht in der Welt
USA - Maßnahmen gegen Großkanzleien: 18 Anwaltsorganisationen aus verschiedenen Staaten, unter ihnen BRAK und DAV, haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der Maßnahmen der US-Regierung gegen unliebsame Großkanzleien sowie Beschäftigte des Internationalen Strafgerichtshofs verurteilt werden. Die Erklärung erinnert an UN-Grundprinzipien, nach der die anwaltliche Tätigkeit ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikane oder unangemessene Einschüchterung ermöglicht werden muss. Derweil hat die Vorsitzende der Equal Employment Opportunity Commission verschiedene Kanzleien aufgefordert, Namen und persönliche Daten von Mitarbeitenden und Bewerbern offen zu legen. Die Kanzleien hatten sich sogenannten Diversitätsprogrammen verpflichtet. Es berichten beck-aktuell und LTO.
USA – Abschiebung von Venezolanern: Über die Abschiebung von rund 250 venezolanischen Staatsangehörigen aus den USA nach El Salvador berichten nun auch spiegel.de (Marc Pitzke) und LTO. Es liege nahe, dass die Maßnahme im Widerspruch zu einer Anordnung eines Bundesgerichts erfolgte. US-Präsident Donald Trump und seinem Stab dürfte daran gelegen sein, die Angelegenheit durch den Supreme Court bewerten zu lassen. Trump bezeichnete den mit dem Verfahren befassten Bundesrichter in einem Post als "linksradikalen Irren" und forderte seine Absetzung. Mutmaßlich als Reaktion hat der Präsident des US-Supreme Courts, John Roberts, in einem Statement daran erinnert, "dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf Meinungsverschiedenheiten bezüglich einer gerichtlichen Entscheidung ist." Dies berichten spiegel.de und beck-aktuell.
USA – USAID: Laut zeit.de hat ein Bundesgericht die Abwicklung der Entwicklungshilfebehörde USAID zunächst gestoppt. Die Maßnahme entbehre einer gesetzlichen Grundlage, zudem sei der Regierungsbeauftragte Elon Musk als tatsächlicher Behördenleiter rechtswidrig nicht vom Senat bestätigt worden.
Belarus – Japanischer Spion: Ein Gericht im belarussischen Minsk hat Nakanishi Masatoshi wegen Agententätigkeit zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der Hochschullehrer soll "Aufklärungsinformationen militärischen Charakters" gesammelt und einem Geheimdienst seiner japanischen Heimat zur Verfügung gestellt haben, gibt die FAZ (Friedrich Schmidt) das Urteil wieder. Der japanischen Botschaft wurde die von ihr beantragte Prozessbegleitung verweigert.
Juristische Ausbildung
Ausbildungsreform: Eine Initiative von Bundesrechtsanwaltskammer, Deutschem Anwaltverein, Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften, Deutschem Juristinnenbund und Neuer Richtervereinigung fordert die kommende Bundesregierung zu einer Reform der juristischen Ausbildung auf. Angesichts demografischer Entwicklungen sei es dringend notwendig, auch künftig Nachwuchs auszubilden und hierbei auch Schlüsselkompetenzen zu vermitteln, die für die "digitale Transformation" erforderlich seien. Ein weiterer Forderungspunkt betrifft die Förderung von Vielfalt und den Abbau bestehender Benachteiligungen. Im Bericht von beck-aktuell (Joachim Jahn) wird bemerkt, dass der Deutsche Richterbund der Initiative nicht angehört.
Sonstiges
Asylverfahren: In Beantwortung einer Kleinen Anfrage hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Asylanträgen sowohl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch bei Verwaltungsgerichten gegenüber dem Vorjahr erhöht hat. Dies schreibt die Welt (Hannelore Crolly) und nennt Abhilfemöglichkeiten. So habe Rheinland-Pfalz eine zentrale Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Trier begründet und Richterstellen bestimmten Herkunftsländern zugeordnet. Am VG Karlsruhe komme ein Asylaktendurchdringungsassistent zum Einsatz, der relevante Informationen für die Bearbeitung aufbereitet.
Generationengerechtigkeit: Die FAZ (Katja Gelinsky) zeichnet die rechtswissenschaftliche Debatte über die Nutzbarmachung des Klimabeschlusses des Bundesverfassungsgerichts auch für eine rentenrechtliche Generationengerechtigkeit nach. Nach dem 2021 entwickelten Grundsatz muss der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen auch intertemporale Grundrechtsbeeinträchtigungen künftiger Generationen berücksichtigen. Dies sei in nachfolgenden Entscheidungen restriktiv gehandhabt worden. Gleichwohl werde immer wieder gefordert, künftige Belange etwa hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Rentensystems auch in der Gegenwart zu berücksichtigen.
Das Letzte zum Schluss
Abistreich? Keine Freunde machen wird sich ein nordrhein-westfälischer Abiturient bei seiner Abschlussklasse, nachdem er untergetaucht ist und verdächtigt wird, die ihm anvertraute Kasse mitgenommen zu haben. Der über Jahre angesparte Betrag von rund 18.000 Euro sollte einer zünftigen Abschlussfete dienen. spiegel.de berichtet.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
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Die juristische Presseschau vom 19. März 2025: . In: Legal Tribune Online, 19.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56822 (abgerufen am: 26.04.2025 )
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